Safeguarding im VatikanWachstumsschmerzen und Querelen

Klein war die Agenda für die dreitägige Vollversammlung nicht. Die Päpstliche Kinderschutzkommission hatte Ende vergangener Woche viel zu besprechen. Ein halbes Jahr ist es her, dass der Papst das Gremium umgestaltet hat: mehr Mitarbeiter, mehr Aufgaben. Dazu ein neues Dach. Die Experten gegen Missbrauch gehören nun zur einflussreichen Glaubensbehörde.

Blick auf den Petersdom
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Als im Juni 2022 die Päpstliche Kinderschutzkommission der Glaubensbehörde angegliedert wurde, bezeichnete der Sekretär der Kinderschutzkommission, Andrew Small, dies als eine "ungewöhnliche und einzigartige" Struktur. Als Aufwertung sollte dies verstanden werden. Ungewöhnlich ist sie allemal. Die Kommission für Missbrauchsbetroffene rückt nah an die Abteilung, die sich um die rechtliche Verfolgung der Täter kümmert. Man träumte gar von einem Kinderschutzzentrum im Vatikan.

Schenkt man allerdings dem kürzlich aus der Kommission ausgetretenen Safeguarding-Experten Hans Zollner Glauben, haben sich die Probleme des Gremiums nach der Angliederung wenigstens verschärft: Kompetenzen und Zuordnungen seien unklarer geworden, auch sei die Berufung neuer Mitglieder wenig transparent gewesen. Es fehle seither an Kompetenz im wichtigen Bereich Kirchenrecht.

Zudem arbeiten nun zwei hochrangige Kardinäle unter dem Dach einer Vatikan-Behörde – Luis Ladaria als Gesamtleiter, Sean O'Malley als – auf dem Papier –unabhängiger Chef der Kinderschutzkommission. Ladaria wartet mit seinen 79 Jahren schon eine Weile auf seinen vom Papst angeordneten Ruhestand. O'Malley hat noch einen Hauptjob als Leiter des nicht gerade unwichtigen Erzbistums Boston. Wie groß unter diesen Umständen die Ambitionen sind, Synergien zu schaffen und das Thema neu zu gewichten, ist fraglich.

Zollners Bedenken beschränken sich aber nicht nur auf die personelle Besetzung. Bei einer Pressekonferenz nach seinem Ausscheiden rief er die von ihm verlassene Kommission einerseits zur Professionalität, anderseits zu Transparenz und der Einhaltung von Regeln sowie zur Rechenschaftspflicht auf. Wenn es daran mangele, seien Missbrauch und Vertuschung Tür und Tor geöffnet.

Wenn die Kommission diese schrecklichen Tatsachen glaubwürdig bekämpfen wolle, müsse sie sich von diesen Prinzipien leiten lassen. Zollner hatte diese Bedenken laut eigener Aussage mehrfach intern angebracht, ohne jemals eine Antwort erhalten zu haben. Ein knappes Jahr später trat der Jesuit dann zurück.

O'Malley wies erst einmal Zollners Kritik an seiner Kommission und ihrer Wirksamkeit zurück - zeigte sich gar "überrascht und enttäuscht" von den öffentlichen Äußerungen des international anerkannten Experten. Gemeinsam erörtern könne man offene Fragen bei der kommenden Vollversammlung. Die fand in der vergangenen Woche statt, inklusive Audienz bei Papst Franziskus.

Zwei Tage später verschickte die Kommission eine Pressemitteilung. Mehrfach betont diese Nähe zum Papst und dessen Ansätzen zum Schutz vor Missbrauch. Außerdem enthielt das Communique eine Art Ergebnisprotokoll und ein Statement O'Malleys. Recht knapp erklärt der Kardinal darin, die Kommission habe wichtige Anpassungen ihrer Arbeitsmethodik vorgenommen. Damit sollten verschiedene Rollen geklärt werden und ein Gefühl gemeinsamer Verantwortung für das Mandat und dessen Umsetzung geschaffen werden.

Dies könnte als eine Art Antwort an Zollners Adresse verstanden werden. Wie diese Anpassungen indes aussehen, lässt sich aus dem "Entscheidungsprotokoll" nicht ersehen. Insgesamt sind die aufgeführten "Entscheidungen" recht übersichtlich. Laut Mitteilung wurden die kirchlichen Leitlinien von 2011 zum Schutz von Kindern und schutzbedürftigen Erwachsenen aktualisiert und nun verschiedenen Gruppen zur Prüfung vorgelegt.

Weiter wurde ein Fonds eingerichtet, um Programme zu Prävention und Betreuung von Missbrauchsopfern in ärmeren Teilen der Welt zu ermöglichen. Zudem verabschiedete die Kommission einen Fünf-Jahres-Strategieplan mit Zielen und Leistungsparametern, um den Fortschritt zu messen und Rechenschaft vor den Interessensgruppen ablegen zu können. Der Plan soll, neben anderen Papieren, in den kommenden Tagen online veröffentlicht werden. Dann wird sich zeigen, ob Zollners Kritikpunkte aufgenommen oder wenigstens besprochen wurden.

Ansonsten hat die Kommission einiges "überprüft" und "erörtert". Dazu zählt auch der von Papst Franziskus seit der Umstrukturierung geforderte jährliche Bericht über die Bemühungen der Kirche weltweit im Kampf gegen Missbrauch. Wann der erste letztlich erscheint, ist noch ungewiss.

In seinem Statement von Montag räumte O'Malley "Wachstumsschmerzen" ein, bedingt durch die vom Papst verfügte Umstrukturierung. Die neue Richtung sei für alle Beteiligten zugleich steil und schnell gewesen. Die Kommission habe in der Kürze der Zeit versucht, auf kurz- und längerfristige Bedürfnisse zu reagieren.

Was darin nicht vorkommt: Zollner äußerte seine Bedenken bereits vor der Umstrukturierung. Zudem traten schon Jahre vor dem Jesuiten Mitglieder aus ähnlichen Gründen aus der Kommission aus, etwa die Missbrauchsbetroffene Marie Collins im Jahr 2017. Während sich Zollner bislang nicht zu der neuesten Veröffentlichung der Kommission äußern wollte, übernahm dies Collins.

Sie kritisierte auf Twitter die Bezeichnung "Wachstumsschmerzen" von O'Malley als Reaktion auf die ernsthaften Bedenken Zollners. Nichts finde sich über den Status der Kommission in der Kurie, die Finanzierung und ob Mitglieder oder Angestellte die Arbeit kontrollierten, monierte Collins. Ebenso fehlten Informationen, wie überprüft oder beaufsichtigt werden soll, ob die Richtlinien des Papsterlasses zur Verfolgung von Missbrauchstätern funktionieren. Es sei, so Collins, "Zeitverschwendung", nach echter Transparenz zu fragen.

Franziskus selbst wird nicht müde, Missbrauch zu verurteilen und eine scharfe Verfolgung von Tätern in der Kirche zu fordern. Wenn er das ernst meint, muss er vor allem seine eigene Kommission wieder auf Kurs bekommen – und das schnell.

Von Severina Bartonitschek
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