Krank durch Weihwasser?Leere Weihwasserbecken und allerlei Skurriles während der Corona-Pandemie

Verschiedene Weihwasserspender
Hygienisch einwandfrei: historischer Weihwasserspender in der Wiener Kirche am Steinhof (1904–07), moderner Weihwasserspender, Weihwasser in Fläschchen (v. l. n. r.).© Hans-Jürgen Feulner, Wien (links) – © picture alliance / pda / Philipp von Ditfurth (Mitte) – © Wiener Gesundheitsverbund – Klinik Penzing (links)

Es ist zwar allgemein bekannt, wenngleich bis vor wenigen Monaten tabuisiert, dass in den offenen Weihwasserbecken an Kircheneingängen häufig auch Krankheitserreger leben können. Besonders Weihwasserbecken, in denen vor, nach und zwischen den Gottesdiensten zahlreiche ungewaschene Hände eingetaucht werden und mit den so befeuchteten Fingern das große Kreuzzeichen gemacht wird (mancherorts werden neben der Stirn auch die Lippen mit je einem kleinen Kreuzzeichen bezeichnet), bieten Mikroorganismen ideale Bedingungen, denn oftmals wurde das gesegnete Wasser längere Zeit nicht ausgetauscht. Ob der Kontakt mit Weihwasser aber tatsächlich krank machen kann, ist noch kaum untersucht. Jedenfalls fanden sich weltweit bereits seit Februar 2020 in den ersten kirchlichen Hygienemaßnahmen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie die zumeist sogar verpflichtenden Anordnungen, dass die Weihwasserbecken leer bleiben mussten. Erst zum 20. Juni 2020 hat die Österreichische Bischofskonferenz in der aktualisierten Rahmenordnung zur Feier öffentlicher Gottesdienste Folgendes bestimmt: „Wenn die Weihwasserbecken gefüllt werden, muss das Wasser häufig (zumindest 2x pro Woche) gewechselt und das Becken jedes Mal gründlich gereinigt werden. Das Besprengen von Personen und Gegenständen mit frischem Weihwasser ist unbedenklich.“

Gesegnetes Wasser im religiösen Bereich

Weihwasser spielt in vielen Kirchen seit dem Altertum eine große Rolle. Der in der Antike verbreitete Brauch, Wasser zu religiöser Reinigung und Entsühnung zu verwenden, hatte seit dem 4. Jahrhundert auch Einfluss auf die christlichen Gemeinden. Im 8. Jahrhundert entwickelte sich eine sonntägliche Wasserweihe in der Kirche mit anschließender Aussprengung (Asperges), wobei hier dem neuen Motiv des Taufgedächtnisses eine wichtige Rolle zukam. Mit der Ausnahme des Taufwassers der Osternacht ist je nach Ortsgewohnheit weiterhin vorgesehen, dem Wasser gesegnetes Salz beizufügen (vgl. Benediktionale 1981, S. 47, 198; MB, S. 1173/1209). In katholischen Kirchengebäuden (und vielen Kapellen) gibt es in der Regel Weihwasserbecken, um beim Eintritt und Verlassen mit dem gesegneten Wasser als Zeichen des Taufgedächtnisses ein Kreuzzeichen zu machen. Priester segnen Gläubige (z. B. beim Sonntäglichen Taufgedächtnis) oder (Andachts-)Gegenstände (Kreuze, Rosenkränze etc.) oder auch Lebensmittel (z. B. bei der Speisesegnung an Ostern oder der „Fleischweihe“ am Karsamstag in vielen Gegenden Österreichs) durch das Besprengen mit Weihwasser und begleitenden Segensgebeten.

Krankmachende Keime im Weihwasser

Drei verschiedene Forscherteams fanden zwischen 2002 und 2017 heraus, als sie Weihwasserproben aus 30 katholischen Kirchen in Deutschland, Österreich und Spanien (16 Kirchen und zwei Spitalskapellen aus Wien, fünf Kirchen aus Villingen-Schwenningen in Baden-Württemberg und sieben Kirchen aus Sevilla) im Labor untersuchten, dass verschiedene Keime in Weihwasserbecken leben, darunter auch Krankheitserreger (so in einer Wiener Spitalskapelle). Durchschnittlich wurden in der Untersuchung von 2017 rund 6 000 Keime pro Milliliter gemessen (das Weihwasser aus Stadtkirchen war mit 1 500 bis 21 000 Keimen pro ml signifikant stärker belastet als das aus Dorfkirchen mit nur ca. 100 Keimen/ ml). Neben den herkömmlichen Wasserbakterien wurden vor allem Keime der humanen Hautflora gefunden, insgesamt 20 verschiedene Arten von Bakterien, insbesondere Staphylokokken (Erreger von Haut- und Weichteileinfektionen, etwa von Abszessen). Um die Hygiene in den Weihwasserbecken ist es also offenbar nicht gut bestellt. Unklar ist jedoch, ob die darin enthaltene Menge an Keimen für die Gläubigen ein Gesundheitsrisiko darstellt. Zwei amerikanische Studien aus den Jahren 1992 und 1996 legen jedoch nahe, dass in speziellen Situationen verkeimtes Weihwasser tatsächlich gesundheitsgefährdend sein kann (v. a. in Spitälern). Zur Übertragung von SARS-CoV-2 durch Weihwasser liegen bisher noch keine Studien vor.

Hygienemaßnahmen für die Zukunft

In der katholischen Tradition wird seit dem sechsten Jahrhundert dem Weihwasser (gesegnetes) Kochsalz beigefügt (vgl. Liber Pontificalis). Um eine geringere Keimbelastung zu gewährleisten, müsste allerdings eine ausreichend große Salzmenge hinzugefügt werden (mind. 4 %). Nachteil ist dabei, dass hohe Salzkonzentrationen Materialien wie Marmor oder unedle Metalle angreifen, aus denen viele Weihwasserbecken bestehen (hier müsste man Einlagen aus Glas oder Porzellan benutzen, die überdies leichter zu entleeren und zu reinigen sind), und dass der viruzide Effekt unbedeutend ist (es wird jedoch angenommen, dass Salzwasser möglicherweise unbehüllte Viren inaktivieren kann). Zu Recht fordert die Österreichische Bischofskonferenz zweimal pro Woche einen Austausch des Wassers und eine gründliche Reinigung der Becken. Das frühere Caeremoniale Episcoporum erwartete bereits eine wöchentliche Erneuerung des Weihwassers (lib. 1, cap. 6, n. 2). In wenig frequentierten Kirchen wird wohl ein einmaliger wöchentlicher Austausch genügen. Bei kleineren Mengen könnte man auch destilliertes Wasser als Grundlage benutzen (vgl. die Empfehlung des Erzbistums Paderborn bereits während der saisonalen Grippewelle im Januar 2019: Gd 6–7/2019, S. 83).

Eine weitere, etwas extravagante Möglichkeit, um die Keimbelastung gering zu halten, wären automatische Weihwasserspender, die gegenwärtig mit oder ohne Sensoren angeboten werden (deren Einsatz aber bereits während der „Schweinegrippe“- H1N1-Pandemie 2009/10 in italienischen Kirchen belegt ist). Ähnlich einem Seifen- oder Desinfektionsspender tropft das gesegnete Wasser in die Hand und macht das unhygienische Eintauchen der Hände überflüssig. Diese scheinbar findige Idee ist allerdings nicht so neu, denn sie wurde in der Jugendstilkirche am Steinhof in Wien bereits vor über 110 Jahren umgesetzt, als der Architekt Otto Wagner aus einem vergoldeten Spender das Weihwasser tropfenweise abgeben ließ, um die Übertragung von Infektionen (Tuberkulose) zu verhindern (siehe Foto oben links). Äußerst skurril sind abgepackte kleine feuchte „Weihwassertücher“, was nichts mehr mit einem Gedächtnis der Taufe beim Bekreuzigen mit den befeuchteten Fingern zu tun hat.

Man könnte sich außerdem öfters des sog. „Sonntäglichen Taufgedächtnisses“ bedienen, bei dem im Eröffnungsteil der Messfeier (frisches) Weihwasser gesegnet und die Gemeinde damit besprengt wird (als Ersatz für das „Allgemeine Schuldbekenntnis“). Allerdings sollte man hier anstelle des Aspergills mit seinem eingelegten Schwamm, der auf Dauer kontaminiert werden kann, eventuell auf Alternativen bei der Besprengung der Gemeinde zurückgreifen, z. B. auf einen leichter zu reinigenden Weihwasserwedel.

Zur Verringerung des Keimwachstums könnte man neben dem regelmäßigen Wasseraustausch und dem rituellen Salzzusatz auch auf das Material der größeren Weihwasserbehälter ein Augenmerk legen. Möglicherweise lassen sich hier mit Kupfer (und seinen Legierungen, wie Messing) bessere Bedingungen erzielen, da seine Ionen, nach denen von Silber, recht gute antibakterielle und antimikrobielle (aber keine fungiziden und viruziden) Eigenschaften besitzen, wie viele medizinische Studien beweisen.

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