Matthias Arnold / Philipp Thull (Hg.): Theologie und Spiritualität des Betens. Handbuch Gebet, Freiburg i. Br.: Verlag Herder 2016; 416 Seiten; 39,99 €, ISBN 978-3-451-37570-5
Karl Barth, dem in den evangelischen
Kirchen Europas als „Kirchenvater“ des
20. Jahrhunderts verehrten Schweizer
Theologen, verdankt die christliche Welt
diese drei „hand-lichen“ Ratschläge: „Hände
aus der Tasche nehmen!“ – „Hände hin
und wieder in den Schoß legen!“ – „Hände
von Zeit zu Zeit falten!“ Sie sind gerichtet
an all die, die im Geiste und Sinne Jesu leben
wollen, was eben unverkennbar heißt,
die Hände aus der Tasche zu nehmen, um
jemandem etwas Gutes zu tun; die Hände
in den Schoß zu legen, um ab und zu
dem „Gönne dich dir selbst!“ (Bernhard
von Clairvaux) zu entsprechen; die Hände
zu falten, um betend die Begegnung und
Berührung mit Gott als dem „ewigen Du“
(Martin Buber) zu suchen.
Zum dritten Ratschlag „Hände von
Zeit zu Zeit falten!“ liegt nun ein passendes
„Handbuch“ mit zahlreichen Handreichungen
vor. Es ist gegliedert in sechs
Kapitel: 1. Das Gebet in der Heiligen Schrift,
2. Das Gebet in der Theologie, 3. Formen
des Gebetes, 4. Das Gebet in der Praxis,
5. Das Gebet in der christlichen Ökumene,
6. Multidimensionale Zugänge zum Gebet.
Es enthält 35 Beiträge – 31 von Männern
und vier von Frauen verfasst. Konnten die
beiden Herausgeber tatsächlich nicht mehr
Frauen als Autorinnen gewinnen?
Die Beiträge des Handbuchs decken ein
breites Spektrum ab. Exegetische, theologische,
spirituelle und religionsphilosophische
Beiträge stehen neben pastoral- und
religionspsychologischen, pädagogischen
sowie sprach- bzw. literaturwissenschaftlichen
Beiträgen. Dass der handliche
Sammelband mit einem Beitrag zum Vaterunser
anhebt, ist gewiss zu begrüßen.
Als übereinstimmende These der überwiegenden
Zahl aller zum „Handbuch“ beigesteuerten
Beiträge darf wohl die gelten,
die Beten verstehen lehrt nach den Worten
der Zeile „Du bist mein Atem, wenn ich zu
dir bete“ (Huub Osterhuis). Und dass Gebet
ebenso Gott- wie Wortsuche ist, ist ferner
übereinstimmende An- und Einsicht aller
beteiligten Autorinnen und Autoren.
Uneingeschränkt kann das „Handbuch“
allen empfohlen werden, denen das
„Hand-Werk“ des Betens, das nicht weniger
„Herz-Werk“ (Rainer Maria Rilke) ist,
noch ein echtes Anliegen ist, auch wenn es
wünschenswert gewesen wäre, dass weitere
Aspekte des Betens berücksichtigt worden
wären, wie etwa die Weise segnenden
Betens. Gleichwohl ist auch von diesem
„Handbuch“ nicht zu erwarten, dass es alle
Belange und Bezüge der Thematik abdeckt.
Man sollte das Buch von Zeit zu Zeit
zur Hand nehmen und darin lesen, doch
in der Hand behalten sollte man es nicht.
Das würde ja daran hindern, wirklich zu
beherzigen, was Karl Barth ja so eindringlich
und nachdrücklich empfiehlt: eben
beten und dazu die „Hände von Zeit zu
Zeit falten!“ Bücher haben ihre Schicksale.
Das Schicksal, das diesem „Handbuch“ zu
wünschen ist, wäre, dass es von Hand zu
Hand geht und so eine große Leserschaft
findet.
Prof. Dr. Bernhard Sill,
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt