Sieglinde Sparre: Bestatten in Kirchen. Eine praktisch-theologische Interpretation gegenwärtiger Kirchenkolumbarien und Urnenkirchen (Praktische Theologie heute 145), Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2018; 323 S.; 60,00 €; ISBN 978-3-17-031153-4
Kirchenraumbestattungen sind seit der
Zeit der Alten Kirche ein traditioneller Bestandteil
christlicher Begräbniskultur. Erst
zum Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu
einem flächendeckenden Erliegen dieser
Tradition. In Form einer
Beisetzung von Urnen sind
sie im bundesdeutschen
Raum seit 2004 wieder offiziell
möglich. Seitdem ist
eine ganze Reihe von katholischen,
evangelischen und
alt-katholischen Kirchenkolumbarien
entstanden.
Dazu werden Nischenwände,
Stelen oder Podeste für
die oberirdische Urnenbeisetzung
eingebaut, d. h. bislang
immer nachträglich in
die bestehende Bausubstanz integriert. Ein
jüngster Entwurf geht bereits darüber hinaus:
Eine 2015 eingeweihte, kreuzförmige
Taufkapelle mit Kolumbarium in Wolfsburg-
Ehmen dient als Erweiterung der
neogotischen Ludgeri-Kirche. Das Memento
mori gewinnt auf diese Weise wieder einen
stärkeren Öffentlichkeitscharakter.
Die Vorteile von Kirchenkolumbarien
liegen auf der Hand: Die teure und aufwändige
Grabgestaltung und -pflege entfallen
für die Angehörigen weitgehend. Für Pfarrgemeinden,
Bistümer und Landeskirchen
stellen die Kolumbarien eine der Würde
des Raumes entsprechende Finanzierungsund
Umnutzungsmöglichkeit dar.
Sieglinde Sparre, Vikarin der Evangelisch-
Lutherischen Kirche in Norddeutschland,
hat sich in ihrer Studie „Bestatten in
Kirchen“ dem Phänomen der Kirchenkolumbarien
aus verschiedenen Blickwinkeln
genähert: Die Autorin zeichnet zunächst die
Entwicklung der Feuer- und Kirchenraumbestattung
(depositio ad sanctos) von der
Antike bis zur Gegenwart nach und arbeitet
Unterschiede heraus. So waren z. B. die antiken
Kolumbarien exklusiv dem Familienkreis
vorbehalten, während moderne Kirchenkolumbarien
– zumindest mehrheitlich
– den öffentlichen Räumen
zuzuordnen sind.
Im Hauptteil der Studie
erstellt Sparre eine Typologie
spätmoderner Kirchenkolumbarien,
wobei sie sich
hauptsächlich eines phänomenologischen
Zugangs
bedient: Die Literatur- und
Internetrecherche wurde
ergänzt um Experteninterviews
mit Vertreter/innen
der Gemeinden vor Ort und
der Bistümer/Landeskirchen.
Darauf aufbauend lassen sich Kirchenkolumbarien
laut Sparre jeweils einem
depositären (Primärfunktion: Friedhof),
liturgischen (Primärfunktion: liturgischer
Raum), poimenischen (Primärfunktion: Ort
für die Trauerpastoral/Trauerbegleitung)
und parochialen Typus (Primärfunktion:
Ort gelebter Gemeinde) zuordnen. Eine Verortung
der Kirchenkolumbarien in der von
Vielfalt gekennzeichneten Begräbniskultur
der Gegenwart schließt die Untersuchung ab.
Wer sich mit dem relativ jungen Phänomen
der Kirchenkolumbarien umfassend
vertraut machen möchte, dem sei diese
Studie wärmstens empfohlen.
Manuel Uder