Aufsichtspflicht bei AusflügenKnackpunkt aus der Praxis

Bei der Planung unserer Ferienausflüge sind wir uns oft unsicher, was die Aufsichtspflicht betrifft. Welche Mindestanforderungen sind notwendig und was ist, wenn doch einmal etwas passiert? (Zoe Kolbe, pädagogische Fachkraft im offenen Ganztag)

Aufsichtspflicht bei Ausflügen
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Nele Trenner gibt folgenden Rat

Die Schulkindbetreuung in der Ferienzeit ist oftmals mit Ausflügen in die engere und weitere Umgebung der Schule verbunden. Dabei stellt in erster Linie das abwesende Schulpersonal eine Besonderheit dar. Denn dadurch liegt die gesamte Verantwortung auf den Schultern der Leitung und den pädagogischen Fachkräften der Ferienbetreuung. Egal, ob gemeinsame oder alleinige Verantwortung: Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufsichtspflicht während der Ausflüge unterscheiden sich nicht wesentlich. Denn als Grundsatz gilt nach wie vor das, was Gerichte in jahrelanger Rechtsprechung allen Beteiligten vorgeben: Es ist sinngemäß das zu tun, was verständige pädagogische Fachkräfte unter vernünftigen Erwägungen im konkreten Einzelfall machen würden, um Gefahren vom Kind oder durch ein Kind gegenüber Dritten (z.B. anderen Kindern) im konkreten Einzelfall abzuwehren. D.h., dass es immer den konkreten Einzelfall zu betrachten gilt:

  • Wohin geht der Ausflug?
  • Wie ist der Weg dorthin zu meistern?
  • Was erwartet Sie und die Kinder am Zielort?
  • Welche Kinder mit welchen Bedürfnissen nehmen an dem Ausflug teil?
  • Wie lange dauert es im Ernstfall, Hilfe herbeizuholen?
  • Wie fit ist das pädagogische Team?

Ist dies alles erkannt, gilt es für Sie sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung des Ausflugs mit Verstand (Ist das schlau?) und Vernunft (Ergibt das Sinn? Fühlt sich das gut an?) zu handeln.

Veränderte Gruppendynamik berücksichtigen

Soweit die abstrakte Vorgabe der Rechtsprechung. Was genau bedeutet dies für die konkrete Umsetzung? Wie eingangs bereits beschrieben, kann das abwesende Schulpersonal eine Besonderheit darstellen. Dann nämlich, wenn deren Anwesenheit ansonsten für eine andere Autorität gesorgt hat und nun geänderte Gruppendynamiken zu befürchten sind. Gleiches gilt für die von regulären Ausflügen abweichende Situation, dass während der Ferienzeit Kinder aus verschiedenen Klassenstufen an einem solchen Ausflug teilnehmen. Ebenso sind nicht alle pädagogischen Fachkräfte gleichermaßen mit den Kindern und all ihren besonderen Bedürfnissen vertraut. Das kann dazu führen, dass diese eine evtl. gefährliche Situation nicht hinreichend schnell deuten können.

Rechtzeitig Informationen einholen

Vor diesem Hintergrund können Sie nicht immer davon ausgehen, dass der lückenlose Informationsfluss von der Schule zur (Ferien-)Betreuung ausreichend gewährleistet ist. Gehen Sie eher zur eigenen Absicherung immer vom Gegenteil aus und fragen Sie insbesondere vor einem Ausflug noch einmal ausdrücklich bei den Eltern und sonstigen Sorgeberechtigten die Allergien oder (Diabetes-)Erkrankungen der Kinder ab (s. Download). Denn gerade die (Informations-)Schnittstelle zwischen Schule und Nachmittags- oder Ferienbetreuung hat sich in jüngster Zeit leider vielerorts fehlerträchtig gezeigt. Dann nämlich, wenn Eltern im Vertrauen auf eine Informationsweitergabe der Schule es versäumt haben, noch einmal selbst die pädagogischen Fachkräfte der Ferienbetreuung gesondert zu informieren. Daher ist eine erneute, eigene Abfrage im konkreten Einzelfall nicht nur schlau, sondern auch sehr sinnvoll!

Besondere Verantwortung der Leitung

Überdies ist jede Leitung gut beraten, mit dem gesamten Team die Vorgaben und Empfehlungen der gesetzlichen Unfallversicherung für das konkrete Angebot jeweils neu zu besprechen. Dies ist schon zur eigenen Absicherung erforderlich, da eine Leitung auch für ein Fehlverhalten anderer haften kann. Selbst, wenn diese gar nicht am Ausflug teilnimmt. Dann nämlich, wenn sie im Rahmen ihrer Organisationsverantwortung die entsprechenden Informationen über die Kinder nicht weitergibt und/oder nicht dafür sorgt, dass das Team die Empfehlungen der gesetzlichen Unfallversicherung verinnerlicht. Ebenfalls dann, wenn sie die Fachkräfte nicht mit hinreichender Sorgfalt, bspw. im Hinblick auf Erfahrung, Zuverlässigkeit oder Belastbarkeit, ausgesucht hat.
Erfahrungsgemäß kann ich mitteilen, dass die Merkblätter und Broschüren der gesetzlichen Unfallversicherung auch vor Gericht zumeist der „Goldstandard“ für die Beurteilung eines etwaigen Fehlverhaltens sind. Wurden bspw. ausdrückliche Vorgaben der Unfallversicherung missachtet oder die Empfehlung komplett ignoriert – ohne sofort wirksame Alternativen umgesetzt zu haben –, kann es schwierig werden, ein Gericht dennoch von der Fehlerfreiheit des eigenen Verhaltens zu überzeugen. Daher kann ich nur mit Nachdruck anraten, sich mit den Broschüren der gesetzlichen Unfallversicherung im Team auseinanderzusetzen (s. Link-Tipp). Darüber hinaus gibt es bei den jeweiligen Unfallkassen der Bundesländer wertvolles Zusatzmaterial – vollkommen kostenlos.

Was passiert, wenn doch mal etwas passiert?

Es kann immer etwas passieren, egal wie sehr man sich anstrengt. Der Maßstab für eine Haftung ist dann die Frage, ob vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln einer pädagogischen Fachkraft als Ursache gilt. Angenommen, dass Vorsatz hoffentlich und keinesfalls gegeben ist, verbleibt als Anknüpfungspunkt ein möglicherweise fahrlässiges Handeln. Ein solches liegt – stark vereinfacht – vor, wenn Sie als Fachkraft nicht das getan (oder unterlassen) haben, was die Vorsicht objektiv geboten hätte und Sie dadurch die erforderliche Sorgfalt außer Acht ließen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Ist ein Verhalten im Rahmen eines Ausflugs nicht als fahrlässig einzustufen, haben pädagogische Fachkräfte auch im „Fall eines Falles“ rechtlich wenig zu befürchten. Für körperliche Schäden (und medizinische Hilfsmittel wie Brillen, Zahnspangen o.Ä.) eines Kindes infolge eines Unfalls steht überdies die gesetzliche Unfallversicherung ein.

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