Nicht Kirche von oben oder von unten – vielmehr Kirche miteinanderSo lassen sich Bischofsamt und Synodalität integrieren

Nach der jüngsten Eskalation des Kirchenstreits zwischen Deutschland und Rom braucht es realistische Auswege. Es gibt ein Modell von Synodalität, das eine effektive Mitwirkung der Laien im Leben der Kirche ermöglicht und gleichzeitig die Autorität des Bischofs nicht einschränkt.

Synodaler Weg
© Synodaler Weg/Max von Lachner

Der Synodale Rat ist in der vom Synodalen Weg vorgesehenen Weise definitiv gescheitert. Frustration und Resignation waren vorherzusehen. "Ent-täuschungen" haben auch ihr Gutes, sie sagen, dass man Täuschungen hinter sich lassen und nach realistischen Auswegen Ausschau halten soll. Solche Auswege gibt es. Hingewiesen wurde mehrfach auf den Weg, den die Diözese Rottenburg-Stuttgart seit weit mehr als einem halben Jahrhundert beschritten hat. Deren Modell und das des Synodalen Rates stimmen darin überein, dass sie eine effektive Mitwirkung der Laien im Leben der Kirche wollen. Daran führt kein Weg vorbei.

Dennoch gibt es zwischen beiden Modellen einen wesentlichen Unterschied. Der Diözesanrat in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der Laien, Priester und Ordensleute umfasst, berät nicht nur, er stimmt auch ab. Doch anders als der Synodale Rat: Der Bischof stimmt nicht ab. Er steht nicht über der Synode, und die Synode steht nicht über ihm. Beide brauchen einander. Denn der Beschluss des Gremiums wird nur wirksam, wenn der Bischof dem Mehrheitsbeschluss zustimmt. Genauso ist es beim weltkirchlichen synodalen Prozess. Die Mehrheitsbeschlüsse der jetzt durch Laien erweiterten Bischofssynode werden nur mit der Zustimmung des Papstes verbindlich und wirksam.

Das hat bei maßgebenden Mitgliedern des Synodalen Wegs heftige Kritik gefunden, Rom habe noch immer nicht verstanden, was Demokratie wirklich bedeutet. Darum wollte der Synodale Weg einen Synodalen Rat etablieren, in dem beide, Bischöfe und Laien, gleichberechtigt abstimmen dürfen. Die beim Synodalen Weg geltende Regelung, dass Abstimmungen nur dann gültig und wirksam sind, wenn zwei Drittel der Bischöfe zustimmen, sollte nicht mehr angewandt werden. Dagegen erhob Rom Einspruch.

Über Konflikte könnten Verwaltungsgerichte entscheiden

Um diesen Einspruch verständlich zu machen, sei mir eine politologische Zwischenbemerkung gestattet. Nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland (ähnlich in anderen rechtsstaatlichen demokratischen Staaten) wird ein vom Parlament mehrheitlich gebilligtes Gesetz erst durch die Unterschrift des Bundespräsidenten rechtlich wirksam. Falls der Bundespräsident verfassungsmäßige Bedenken hat, kann er seine Unterschrift verweigern. Ist eine Einigung nicht möglich, muss am Ende das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Das bedeutet: Die Verfassung und noch mehr die Menschenrechte sind eine jeder parlamentarischen Abstimmung vor- und übergeordnete Norm. Absolute Autonomie, adieu!

Entgegen allem wenig sachkundigen Gerede über Demokratie gilt Analoges in der Kirche. Die oberste, allen Entscheidungen von Gremien vor- und übergeordnete Norm ist das Evangelium und dessen verbindliche Auslegung in der Kirche. Darüber hat der Ortsbischof aufgrund des ihm bei der Bischofsweihe übertragenen Hirtenamtes zu wachen. Er kann, ja muss gegen Beschlüsse Einspruch erheben, welche der Lehre der Kirche oder dem universalen Kirchenrecht widersprechen. Gelingt es nicht, den Konflikt gütlich zu lösen, steht jedem Christen die Berufung an den Papst beziehungsweise an das Dikasterium für die Glaubenslehre, bei grundsätzlichen Verfahrensproblemen an das oberste Verwaltungsgericht, die Apostolische Signatur, offen.

Das Problem ist, dass es bis jetzt leider keine Zwischeninstanzen gibt, an die man sich wenden kann, bevor man den komplizierten Weg nach Rom antritt. Offenkundig besteht an dieser Stelle im Kirchenrecht eine spürbare Lücke.

Zweifellos ein schwieriger Weg. Das Problem ist, dass es bis jetzt leider keine Zwischeninstanzen gibt, an die man sich wenden kann, bevor man den komplizierten Weg nach Rom antritt. Offenkundig besteht an dieser Stelle im Kirchenrecht eine spürbare Lücke. Die Dringlichkeit einer Art gestufter kirchlicher Verwaltungsgerichtsbarkeit ist schon bei der Würzburger Synode angemahnt und bei der Kodifizierung des CIC/1983 leider zurückgestellt worden. Hier – und nicht bei auch rechtsstaatlich abwegigen Berufungen auf demokratische Verfahren – sollte der Synodale Weg ansetzen. Man muss sich auch in der Kirche bei offensichtlichem Missbrauch wehren können.

Von den orthodoxen Kirchen lernen

Doch lassen wir die kirchen- und staatsrechtlichen Überlegungen beiseite und kehren zur Frage zurück, was denn eine Synode theologisch bedeutet. Was Synodalität und Synode bedeutet, habe ich erst in den Dialogen mit den orthodoxen Kirchen und vor allem in den Gesprächen mit dem bedeutendsten griechisch-orthodoxen Theologen des 20. Jahrhunderts, John D. Zizioulas richtig gelernt. In dem ökumenischen Dokument von Ravenna (2007) haben wir die Grundlagen für eine synodale Kirche gelegt und dabei nicht nur das Bischofsamt, sondern auch das Petrusamt, ohne beide in irgendeiner Weise zu beschädigen, synodal zu integrieren versucht. Papst Benedikt XVI. hat mir damals gesagt: "Ich hätte nie gedacht, dass wir so weit kommen können."

Grundlage waren die Apostolischen Konstitutionen aus dem 4. Jahrhundert, welche die frühkirchliche Praxis in Syrien widerspiegeln. Dort heißt, es müsse in jeder Region einen Protos, also einen Primas geben, der Synoden einberuft und sie leitet. Der Primas kann nichts ohne die Synode, und die Synode nichts ohne oder gar gegen den Primas. Die Synode hat also wie eine Ellipse zwei Brennpunkte. Sie stehen in Spannung zueinander und sind doch gegenseitig aufeinander angewiesen.

So gilt, was Ignatius von Antiochien, Kirchenvater des 2. Jahrhunderts, gesagt hat: "Nichts ohne den Bischof!" Ebenso gilt, was Bischof Cyprian von Karthago im 3. Jahrhundert sagte: Ich möchte nichts ohne den Rat der Priester und der Gemeinden tun. Das Zweite Vatikanische Konzil hat von einem einzigartigen Einklang der Vorsteher und der Gläubigen gesprochen (vgl. Dei Verbum 10). Nicht um einen Dauerkonflikt zwischen Bischof und Gemeinde, Papst und Bischöfen, Rom und Deutschland kann es gehen, sondern um einen vom Heiligen Geist beseelten Einklang, den wir auf dem Weg der Synodalität immer wieder suchen, um ihn bei der Synode, wenngleich nach manchem harten Ringen, am Ende mit neuer Freude an der Kirche zum Ausdruck zu bringen.

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