In seiner ersten Generalaudienz deutet Papst Leo XIV. das Gemälde "Sämann bei Sonnenuntergang" als Bild der christlichen Hoffnung.

Bilder können ein Ausdrucksmittel sein, wenn Worte an Grenzen kommen oder abgenutzt erscheinen. So hat Papst Leo XIV. in seiner ersten Generalaudienz die Aufmerksamkeit auf ein Bild gelenkt, das an der Schwelle zur Moderne steht und eine ländliche Szene aufruft: den "Sämann bei Sonnenuntergang" von Vincent van Gogh (1853-1890). Das Bild sei ein "Bild der Hoffnung", hat Leo gesagt – und damit das leuchtende Gelb der untergehenden Sonne als Symbol ins Spiel gebracht.

Das Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-17) sei ein Lehrstück über die Kommunikation Jesu. Davon könne die heutige Verkündigung des Evangeliums lernen. Ein Gleichnis knüpfe an die menschliche Erfahrungswelt an und weise zugleich darüber hinaus, der Begriff "Gleichnis" (Parabel) komme vom griechischen Wort paraballein, was so viel wie "vorwerfen" bedeute. Gleichnisse seien so Provokationen, die uns befragen.

Die Liebe Gottes kennt keine Berechnungen

Als ob er seinem Aufruf an die Kardinäle, "den Primat Christi in der Verkündigung" zurückzugewinnen, Kontur verleihen wolle, erinnerte Leo daran, dass Christus der Sämann ist, sein Wort der Same, der Ackerboden aber unser Herz, die Welt, die Gemeinschaft und die Kirche. Das Wort Gottes wolle die Wirklichkeit befruchten, um sie zu verändern. Gewiss: Es gibt Rezeptionsblockaden, die das Ankommen des Wortes erschweren. Im Gleichnis sind es der felsige Boden, der das Wurzelschlagen verhindert, die Disteln und Dornen, die die Saat ersticken, oder die Vögel, die die Saat vom Weg wegpicken …

Leo verweist auf den verschwenderischen Sämann, der sich in seiner Arbeit durch die bestehenden Hindernisse nicht ausbremsen lässt. Er streut das Wort überall aus, auch da, wo es wahrscheinlich keine Frucht bringen wird. Damit durchkreuzt er das Kalkül. Die verschwenderische Liebe Gottes kenne keine Berechnungen, sie ist als Angebot überall da, wird als Saat in den unterschiedlichsten Situationen immer wieder ausgestreut – in der Hoffnung anzukommen. Das ist ein Anstoß, die Kommunikation des Evangeliums auch dann aufrechtzuerhalten, wenn es scheinbar vergeblich ist. Es gibt das Unberechenbare, dass jenseits von Pastoralplänen und Strukturoptimierungsprogrammen etwas von der Saat des Wortes aufgeht.

Am Ende seiner Ansprache spielt Leo die Kunst ein, als bräuchten seine Worte ein surplus. Er weckt ein Bild, das im kollektiven Bewusstsein fast überall präsent ist: Vincent van Goghs Bild "Sämann bei Sonnenuntergang". Es setzt mit dem Licht der Sonne einen sichtbaren Kontrapunkt gegen die Dämmerung. "Wer nicht an die Sonne glaubt, der ist gottlos", hat van Gogh selbst einmal geschrieben, der als Hilfsprediger gescheitert ist und auch als Künstler zu Lebzeiten kaum Erfolg hatte. Um das strahlende Licht der Sonne besser erfassen zu können, ist van Gogh, der "Gottsucher" (Julius Meier-Graefe), in den Süden nach Marseille gegangen. Ohne Licht kein Leben, keine Wärme, kein Wachstum. Die ästhetische Wirkung des Bildes setzt hier eine religiöse Deutung frei, die auf die verborgene Präsenz Gottes verweist, der seine Sonne aufgehen lässt über Guten und Bösen – die Sonne als Symbol für eine wohlwollende Hintergrundstrahlung, auf die wir alle angewiesen sind, ohne sie machen oder gar kaufen zu können.

Van Gogh selbst hat gesagt, der Sämann verkörpere für ihn "Sehnsüchte nach jenem Unendlichen", das er in seinen Bildern gesucht und umkreist hat.

Nicht minder wichtig im Bild ist der Bauer, der mit der einen Hand die kostbare Saat vor der Brust hält, damit sie nicht verloren geht, und mit der anderen den Samen auf das Feld streut. Van Gogh selbst hat gesagt, der Sämann verkörpere für ihn "Sehnsüchte nach jenem Unendlichen", das er in seinen Bildern gesucht und umkreist hat. Der bibelkundige Künstler hat die Figur des Sämanns auf Christus bezogen, den er nicht direkt malen wollte, da ihm das Sujet zu groß erschien. Aber als Sämann, der das Wort auf den Feldern der Welt ausstreut, auf dass es in den Herzen der Menschen ankomme, wachse und durch die Hände Frucht bringe, konnte er Jesus malen. Das war ein Bild, das an die ländliche Erfahrungswelt seiner Kindheit anschloss und zugleich darüber hinauswies.

Papst Leo weist mit wachem Blick darauf hin, dass van Gogh hinter dem Sämann das bereits reife Korn gemalt hat. Das ist ein sichtbares Hoffnungszeichen gegen die scheinbare Vergeblichkeit von Arbeit und Mühe. "Auf die ein oder andere Weise hat die Saat Früchte getragen. Wir wissen nicht genau, wie …" Und um auf die Erfahrungen der Abwesenheit Gottes und der transzendentalen Obdachlosigkeit der Menschen in den Lebenswelten der Moderne einzugehen, endet Leo: "Im Mittelpunkt der Szene steht nicht der Sämann, der an der Seite steht, sondern das ganze Bild wird von der Sonne beherrscht, vielleicht um uns daran zu erinnern, dass es Gott ist, der die Geschichte bewegt, auch wenn er manchmal abwesend oder weit weg zu sein scheint. Es ist die Sonne, die die Erdschollen erwärmt und den Samen reifen lässt."

Das ist eine Erfahrung, die jeder machen kann, und die eine Brücke in die Wirklichkeit des ganzen Anderen schlagen kann, eine Wirklichkeit, die die Kommunikation des Evangeliums mit dem Namen Christi in Verbindung bringt – ein Gleichnis eben.

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