Über neue Situationen, Trampeltiere und eine gläubige FrauDie Fußreliquie der heiligen Maria Magdalena in San Giovanni Battista dei Fiorentini

In der Aufregung rund um die Papstwahl verdichtet sich die Unsicherheit über den richtigen Kurs der Kirche in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt. Eine besondere Reliquie in Rom verweist auf das Leben der heiligen Maria Magdalena, von der wir in dieser Lage etwas Wichtiges lernen können.

Fußreliquie der heiligen Maria Magdalena in San Giovanni Battista dei Fiorentini
Fußreliquie der heiligen Maria Magdalena in San Giovanni Battista dei Fiorentini© Sailko/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Es sind vielleicht drei Kilometer Luftlinie, wenn ich von meinem Büro aus Richtung Petersdom schaue und sich in der Ferne oder Nähe – je nachdem, wie man eben drei Kilometer Distanz empfindet – die Umrisse des Vatikanstaats und seiner Gebäude sowie Gärten abzeichnen. Dort sitzen sie gerade, die Herren Kardinäle, nachdem sie im Vorkonklave über die Zukunft der Kirche und den zukünftigen Nachfolger des Apostels Petrus diskutiert haben und jetzt in diesem Moment, in dem diese Zeilen geschrieben werden, zum Konklave versammelt sind. Ich frage mich, wie ihre Wahl wohl ausgefallen sein wird, wenn dieser Text veröffentlicht wird. Vielleicht ist dann die in der Luft liegende und fast überall in Rom und darüber hinaus spürbare Spannung schon etwas abgefallen. Vielleicht ist dann schon klar, woher der neue Papst stammt, was er bisher gemacht hat, wie er sich nennen wird, womit im zukünftigen Pontifikat wahrscheinlich zu rechnen ist.

Je nach Zugehörigkeit zum entsprechenden Lager wird dem "neuen" Papst früher oder später das "alte" Lied gesungen. Es wird ihm vorgeworfen werden, dass er entweder zu konservativ oder zu progressiv ist. Das Ringen wird weitergehen.

Aber machen wir uns nichts vor. Die eigentliche Spannung im Blick auf die Zukunft der Kirche wird auch nach der Wahl des neuen Papstes weiter bestehen. Die Aufregung im Umfeld der Papstwahl ist wahrscheinlich  in erheblichem Maße das ausdrucksstarke Kondensat einer tieferliegenden, gefühlten Unsicherheit bezüglich des angemessenen Kurses einer Kirche in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt. Die einen, die die Rückbesinnung auf Bewährtes verlangen, wie die anderen, die nach weiteren Reformen rufen, werden auch nach der Wahl aktiv sein. Je nach Zugehörigkeit zum entsprechenden Lager wird dem "neuen" Papst früher oder später das "alte" Lied gesungen. Es wird ihm vorgeworfen werden, dass er entweder zu konservativ oder zu progressiv ist. Das Ringen wird weitergehen. Ob das so gut ist?

Auf der einen Seite ja, denn niemand ist in diesem Leben allwissend, kann mit Sicherheit voraussagen, was kommen wird und wie darauf zu reagieren ist. Eine gewisse Unsicherheit, Unklarheit und damit auch die Notwendigkeit, um das Richtige zu ringen, gehört zum Leben dazu und sollte nicht verdrängt oder verleugnet werden. Auf der anderen Seite kann dieses Ringen negative Ausdrucksformen haben und schlechte Folgen zeitigen. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Ringen nicht dem gemeinsamen Anliegen dient, einen guten Weg in die Zukunft zu finden, sondern dazu, sich gegenseitig zu verurteilen, abschätzig übereinander zu reden und den jeweils anderen schlechte Absichten zu unterstellen, kurzum, um auf den anderen herumzutrampeln. Und eines dürfte klar sein: zum aufeinander herumtrampeln, dafür gibt es auf dieser Welt schon genug der Trampeltiere, bildlich gesprochen. Dazu braucht es keine Verstärkung von kirchlicher Seite.

Eine besondere Reliquie und ihre Botschaft

Gläubige Katholikinnen und Katholiken haben da andere Rollenmodelle, um mit unsicheren Zeiten und dem damit verbundenen Ringen umzugehen. Und wo sind diese Modelle, wo kann man ihnen begegnen? Ganz einfach. Eines davon ist in ziemlicher Nähe zum Vatikan in der Kirche San Giovanni Battista dei Fiorentini anzutreffen. In dieser Kirche, die zu den zwölf Kirchen des Heiligen Jahres gehört und die mit diesen als Treffpunkt für Pilger dient, befindet sich links vom Hauptaltar eine kleine Nische mit dem Fußreliquiar der Heiligen Maria Magdalena. Dieses in Form eines Fußes in Silber getriebene Reliquiar, das Teile des Fußknochens von Maria Magdalena enthalten soll, macht auf den ersten Blick einen etwas verlorenen Eindruck. Manche stehen davor und bleiben bei der Frage nach der Echtheit der Reliquie hängen. Manche zweifeln den Sinn von Reliquien grundsätzlich an. Sollen sie es von mir aus ruhig tun, solange sie eines nicht vergessen:

Dieses Reliquiar verweist über sich hinaus auf das Leben einer gläubigen Frau. Einer Frau, die sich durch die zunächst als völlig ausweglos und unbeherrschbar erscheinende Situation des Todes Jesu weder von der Treue zu Jesus abbringen, noch sich in ein Haus, in die völlige Depression und Untätigkeit, hat einsperren lassen; einer Frau, die nicht erstarrt ist, sondern die schwierige Situation angenommen und sich auf den Weg gemacht hat, um sich bei der Pflege der Grablege Jesu der Situation zu stellen; einer Frau, die offen war für neue Erfahrungen, so das leere Grab entdeckt und die Gemeinschaft mit den anderen Jüngern gesucht hat, um die neu eingetretene Situation des leeren Grabes zu berichten und verstehen zu lernen. So ist sie Teil des Zeugnisses für die Auferstehung Jesu und seiner Frohen Botschaft geworden.

Für all das steht – zumindest für mich – dieses Reliquiar. Es ist die sinnliche Kurzfassung einer Betriebsanleitung für neue, unübersichtliche Situationen:

  • Halte die Treue zu Jesus.
  • Mach Dich auf den Weg und stelle Dich dem Neuen.
  • Tu es in Gemeinschaft mit den anderen.
  • Entdecke neue Perspektiven für ein neues Leben.

Oder noch kürzer: Sei kein Trampeltier, mach es wie Maria Magdalena.

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