Zu Besuch im Chiostro del Bramante nahe der Piazza Navona: ein besonderes Erlebnis zwischen Renaissance und Pop.

Wer guten Kaffee liebt und interessante Orte zu sehen wünscht, ist im Chiostro del Bramante genau richtig. Der Chiostro ist kein Touristen-Hotspot – und trotzdem ein kleines Juwel römischer Renaissance-Architektur. Mitten im Stadtzentrum und in unmittelbarer Nähe zur Piazza Navona gelegen, befindet sich der Eingang, ein wenig versteckt, gleich neben der Kirche Santa Maria della Pace.

Ursprünglich gehörte der um 1500 von Kardinal Oliviero Carafa in Auftrag gegebene Bau Donato Bramantes zu einem Augustinerkloster. Die Lünettenfresken, die den offenen Kreuzgang mit Szenen aus dem Marienleben rahmen, zeugen noch von der einst religiösen Bestimmung des Hauses. Heute dient der Bau jedoch anderen Zwecken. Wer sich in die Galerie im ersten Stock hinaufbegibt, wird überrascht: Kein gregorianischer Gesang wird da angestimmt. Vielmehr sind es zeitgenössische Klänge, die von den Pilastern widerhallen. Vorbei an den in die Mauern eingelassenen Sitznischen der einstigen Mönche wird der Grund für die in diesem Ambiente unerwarteten Töne auch sogleich ersichtlich: Die ehrwürdigen Räumlichkeiten beherbergen heute ein alternatives Bistro, inklusive begleitender Musikkulisse.

Es ist ein überwältigender Mix von Klassisch und Modern, der sich dem Auge darbietet. Sicher nicht jedermanns Geschmack, doch für auch am gegenwärtigen Rom Interessierte ein absolutes Muss!

Besonders ent-rückt, ver-rückt oder faszinierend gestaltet sich sodann jedoch die in schrillsten Regenbogenfarben ausgemalte Gaststube mit ebenso schrill gehaltenem Wohnzimmermobiliar: Unmengen an barocken Engeln zieren die Wände und Deckengewölbe der sogenannten Sala delle Sibille. Ein wie Gott-Vater aussehender alter Mann mit weißem Bart, doch mit Tentakeln und Fischrumpf als unterer Körperhälfte, lässt sich da entdecken; Blumen, Früchte, Tiere und einzelne Gliedmaße fliegen wild durch die Gegend – es ist ein überwältigender Mix von Klassisch und Modern, der sich dem Auge darbietet. Sicher nicht jedermanns Geschmack, doch für auch am gegenwärtigen Rom Interessierte ein absolutes Muss!

Zudem: Die Grotesken-Malerei, an welcher die Gestaltung Anleihe zu nehmen scheint, hat schon immer für Aufsehen gesorgt. Entdeckt wurde diese Ornamentik, die keinen Regeln der Kunst oder Natur zu gehorchen scheint, ursprünglich in der Domus Aurea (Goldenes Haus) Kaiser Neros auf dem Palatin. Nach seinem Sturz zerstört, dann über Jahrhunderte verschüttet, wurde der Prunkpalast erst durch Zufall Ende des 15. Jahrhunderts wiederentdeckt – und dabei ebenso in den Grotten des Palatins (von daher der Name der Stilrichtung; grottesco wird vom italienischen grotta, Höhle, abgeleitet) bzw. in den Überresten der Kaiservilla der Schatz der schrägen Fresken, der fortan zu einem Charakteristikum italienischer Renaissancekunst werden sollte. Zeugnisse hiervon finden sich unter anderem in der nur wenige Gehminuten vom Chiostro entfernten Engelsburg oder – das wohl bedeutendste Beispiel – in den Loggien Raffaels.

Sibyllen und Engel

Ein Werk des letztgenannten war es auch, auf welches die Bezeichnung Sala delle Sibille wohl zurückgeht: Im hinteren Bereich des Gästeraums bietet ein Fenster den Besuchern einen direkten Blick in die angrenzende Kirche Santa Maria della Pace, sowie konkreter auf das darin sich befindliche Fresko Sibille e Angeli des großen Renaissancekünstlers. Um 1515 entstanden, verbindet es im Zusammenspiel der Engelsfiguren als Überbringern des göttlichen Wortes und der Sibyllen, die als antik-mythische Figuren der Weissagung gelten, christliche und pagane Kultur.

Nebst dem Bistro ist es jedoch allen voran ein Museum, das in den früheren Klostermauern seinen Platz gefunden hat. Nicht die klassischen Überreste antiker Vergangenheit werden hier zur Schau gestellt. Es sind erneut gegenwärtige Künstler und Fragen, die hier seit Ende der Neunzigerjahre mittels verschiedenster Kunstformen – von Bildkunst über Video zu Installation – thematisiert werden. Die aktuelle Ausstellung FLOWERS. Dal Rinascimento all'intelligenza artificiale (Blumen. Von der Renaissance zur Künstlichen Intelligenz) widmet sich der Begegnung von Kunst und Natur. Ein Rausch von Farben (und Düften!) flutet deshalb für ein Jahr lang nicht nur die Sala delle Sibille, sondern auch die Ausstellungsräume sowie den Innenhof und Chiostro selbst.

Blumen waren von je her ein Symbol für Schönheit, Vergänglichkeit, aber auch für Transformation, wie die Beschreibung der Ausstellung ausführt. Vielleicht ist es sogar genau diese Kombination, die den faszinierenden Anachronismus des Chiostro del Bramante ausmacht; der, indem er die vergänglichen Schönheiten verschiedenster Zeiten in sich birgt, den (römischen) Geist in seiner kulturellen Wandelbarkeit bezeugt.

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