Alle tappen im DunkelnDas Konklave hat begonnen

Wer wird Franziskus' Nachfolger? In Rom überschlagen sich Gerüchte, Spekulationen – und mystische Visionen. Das zwölfte "Rauchzeichen" aus Rom.

Die Kleidung für den nächsten Papst
© Vatican Media

I.

An dem Abend, an dem das Konklave beginnt, bin ich bei einem Empfang im Salon eines prächtigen römischen Hotels zu Gast. Das Stimmungsbild ist disparat: Während ein Diplomat bekundet, er sei sich sicher, dass der bisherige Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin rasch zum Papst gewählt wird, zeigt sich ein italienischer Professor und Publizist gewiss, dass Parolin keine Chancen auf das Amt habe. Mein Fazit nach zwei Stunden: Alle tappen im Dunkeln.

II. 

Wenn Erzbischof Mario Delpini gewählt wird, werde ich berühmt.

III.

Ein Bekannter tippt auf Protase Rugambwa. Was, den kennen Sie nicht? Nun, er vereint zwei wichtige Qualitäten: Er stammt aus den "Peripherien", nämlich Tansansia – und er hat Kurienerfahrung: Er war früher Sekretär der mächtigen Kongregation für die Evangelisierung der Völker "Propaganda Fide", und ist seit 2023 Erzbischof von Tabora in seinem Heimatland.

IV.

Der schwarze Rauch steigt an diesem Abend erst um 21:00 Uhr auf, drei Stunden, nachdem die Tür der Sixtinischen Kapelle sich geschlossen hat. Wofür brauchen die Kardinäle so lange?

V.

Am Mittwoch veröffentlicht die Sala Stampa, die vatikanische Pressestelle, Bilder aus der Stanza delle Lacrime, dem "Zimmer der Tränen". Auf einer Kleiderstange hängen drei weiße Soutanen in unterschiedlichen Größen, eine rote Mozzetta, eine rote Stola sowie verschiedene Rochetts. Papst Franziskus weigerte sich 2013, die traditionellen Insignien anzulegen, und erschien nur in der weißen Soutane auf dem Balkon des Petersdom. Damit wird jede Entscheidung des nächsten Papstes zu einer Aussage. Es ist ähnlich wie mit der geschlechtergerechten Sprache: Wer heute so schreibt, wie vor zehn Jahren, gibt damit eine Stellungnahme ab – ob er will oder nicht.

VI.

Am Vormittag sitze ich neben Lucas Wiegelmann im Petersdom. Lucas war mein Kollege bei der "Herder Korrespondenz", danach war er bei "Welt", nun ist er Redakteur bei der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Kardinal Re, der Dekan des Kardinalskollegiums, zelebriert die Messe zur Eröffnung des Konklaves. Als die Kardinäle nach der Messe ausziehen, entrollt ein Mann, der in der Reihe vor uns sitzt, ein Plakat, auf dem die Jungfrau Maria zu sehen ist, und hebt es in die Höhe. Lucas ist ein richtiger Journalist und fragt ihn darum, was er mit seinem Plakat zum Ausdruck bringen will. Der Mann berichtet, es sei ihm um die Prophezeiungen eines französischen Mystikers namens Henri zu tun. Dieser habe genaue Vorhersagen zum nächsten Papst gemacht. Er hat laminierte Informationsblätter dabei, aus denen hervorgeht, dass der zukünftige Pontifex Brillenträger ist und gerne tanzt und singt. Außerdem stehe der dritte Weltkrieg bevor.

VII.

In der Predigt von Kardinal Re fällt mir eine Nuance auf. Der 91-jährige Italiener greift in seiner Predigt ein Thema auf, das die katholische Kirche seit Langem beschäftigt: Wie viele Unterschiede darf es in einer Kirche geben, die sich über alle Teile der Welt ausgebreitet hat, die in den verschiedensten Gesellschaften und Kulturen zu Hause ist? Oft ist dann von der "Einheit in der Vielfalt" die Rede. Aber wie weit darf diese Vielfalt gehen? Kann die katholische Kirche beispielsweise in Deutschland homosexuelle Paare segnen, in Afrika aber nicht? Der Kardinal sagt in seiner Predigt:

"Die Einheit der Kirche ist von Christus gewollt; eine Einheit, die nicht Gleichförmigkeit bedeutet, sondern eine feste und tiefe Gemeinschaft in der Verschiedenheit, solange man dem Evangelium ganz treu bleibt."

Dieser letzte Halbsatz – "solange man dem Evangelium ganz treu bleibt" – lässt aufhorchen. Re zieht damit eine Grenze: Es kommt nicht einfach darauf an, bei allen größer werdenden Unterschieden noch irgendwie zusammenzubleiben – vielmehr müssen alle immer wieder Maß nehmen an den Ursprüngen: am Evangelium, an dem, was Jesus Christus vor 2000 Jahren in Palästina gesagt und getan hat.

 

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