Sterben wir aus?Wer spirituell sein will, ohne Christ zu sein, verpasst so viel!

Wenn mir andere sagen, sie sind "spirituell" und bitten das Universum um einen Parkplatz (ja wirklich!) lache ich verlegen. Als wäre "Gott" ein Automat, der liefert.

Alina Oehler
© Carsten Schütz

Ich bin Exotin. Zumindest in meiner Generation. Praktizierende Katholikinnen haben zunehmend Seltenheitswert in einem Land der Taufscheinchristen, von denen weit unter 10 Prozent am Sonntag den Weg in die Kirche finden. Wann werden wir eine Randgruppe sein? Ausgerechnet in Deutschland, dem Land vieler prunkvoller Kirchenbauten - die bald allein Touristen begeistern? Ruinen in voller Pracht, nur noch Museen. Einst wurde im Land der Reformation so erbittert um Religion gestritten, heute bringen die innerkirchlichen Grabenkämpfe die junge Generation nur noch zum Gähnen. Und natürlich ist da noch der riesen Image-Schaden durch den verheerenden Umgang mit Missbrauchstätern. Schade!

Denn hinter den Problemstellen steckt ein so kraftgebender Glaube und so viel Weisheit, wie sie kein Yoga- oder Meditationskurs je vermitteln kann. Diese Kurse sind aktuell sehr beliebt. Das Bedürfnis nach Spiritualität ist greifbar. Überall springt einem der Erfolg der Esoterik ins Auge, wie die Engel-Inflation, der globale Erfolg von Geschichten wie „Eat, Pray, Love“ oder prominente Gestalten wie Bestseller-Autorin und Podcasterin Laura Malina Seiler, der „Superstar der spirituellen Szene in Deutschland“ (Deutschlandfunk). In Achtsamkeit, Meditation und dem Vertrauen auf ein „Higher Self“ liegt heute das Heilsversprechen.

Entspannend ist das alles ja schon. Ich habe es getestet. Doch am Ende habe ich gefühlt doch nur mit mir gesprochen. War mit mir allein. Als Mutter von zwei Kleinkindrebellen ist jede Form von Alleinsein höchst willkommen, aber stillt das den spirituellen Hunger? So interessante Dinge habe ich mir dann auch nicht zu erzählen. Es fehlte etwas.

Spiritualität ist für mich ohne personalen Gott nicht möglich. Denn wenn, wie im Spiritualismus, alles Seiende nur vom Geist her verstanden wird – wer spricht denn dann? Woher bezieht der „Geist“ sein Reden und wo findet er Inspiration?

In der Ausbildung für Priester gibt es heute noch den „Spiritual“ – also jemanden der genau dafür zuständig ist. Alte Job-Beschreibungen sehen ihn für die „Seelenführung“ der Kandidaten verantwortlich. Das klingt für heutige Ohren befremdlich, und „Führer“ ist überhaupt kein gutes Wort, aber letztlich verstehe ich dadurch mein Gefühl besser.

Wahre Spiritualität und der Weg zur Mystik benötigen Fundament und Anleitung. Moderne Spiritualität fühlt sich vielleicht frei an, ist unabhängig von Institutionen und dogmatisch nicht festgelegt – doch ist das wirklich Freiheit oder eher Beliebigkeit? 

Wenn mir andere sagen, sie sind „spirituell“ und bitten das Universum um einen Parkplatz (ja wirklich!) lache ich verlegen. Als wäre „Gott“ ein Automat, der liefert.

Christliche Spiritualität dagegen hat ein anderes Gegenüber, es ist ein Austausch. Ich lese die Bibel, staune über das, was Jesus getan hat – und erkenne immer mehr und immer wieder etwas neu. Ja, ist es nicht einfach unglaublich, dass Gottes Sohn tatsächlich hier bei den Menschen war und uns gezeigt hat, wie Gott ist? „Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes“, sagt Johannes der Täufer, die spirituelle Größe der biblischen Zeit (1 Joh 1, 34).

Beim Beten bin ich nicht mit mir allein. Und diese Erfahrung mache nicht nur ich. Seit Jahrhunderten führt die Sehnsucht nach der direkten Begegnung mit Gott Menschen in die katholische Kirche. Worte, die das ein wenig beschreiben, finde ich bei Teresa von Avila, einer Mystikerin, Meisterin des tiefen Gebets: „Die Seele fühlt es genau. Gott weilt in ihrem Innersten, in der aller innersten Mitte, in einer Tiefe, die man nicht beschreiben kann.“ Für diese spirituellen Momente bietet die Kirche ein reiches Repertoire: Gebet, Meditation, Schweigen, Exerzitien – alles auch mit Anleitung. Die traditionellen Elemente geistlichen Lebens. Über Jahrhunderte erprobt, ja, ich würde sogar sagen mit Erfolgsgarantie. Und nicht zu vergessen die Liturgie. Der Gottesdienst am Sonntag ist eine wesentliche Kraftquelle für den Alltag. Ein fester Spiritualitätstermin im Kalender. Die Worte der Bibel hören, Zeit der Stille haben, Gott in den Sakramenten wirklich begegnen. Und dadurch Heilung und Orientierung finden. Das habe ich hundertfach erlebt. Das schafft so kein Wohlfühl-Kurs auf Youtube. Ein Glück, wer den Weg ins Exotentum findet. Trotz aller Anfeindungen dieser Zeit.

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