Mein kleines TherapeutikumGeistliche Gesundheit findet, wer an die Beichte glaubt

Jahrelang war das Sakrament der Versöhnung mir unangenehm – eine Erfahrung in Rom änderte alles.

Alina Oehler
© Carsten Schütz

Zum Katholisch sein gehört die Beichte. Im Idealfall regelmäßig. Ganz ehrlich: davon war ich jahrelang weit entfernt. Die vom Heimatpfarrer zwar gut eingeübte Praxis hatte immer etwas Unangenehmes und wenig Erlösendes. Oft hatte ich mir als Kind Sünden einfach ausgedacht, um irgendetwas zu sagen. In ein Gespräch darüber kamen wir nicht. Später führten die vielen Kirchenskandale zu einer trotzigen Beicht-Verweigerung. Warum sollte ich ausgerechnet einem Vertreter dieser Institution erzählen, was ich falsch gemacht habe – und dann am besten noch dort nach Antworten suchen, wie es besser geht. Soll die Kirche doch selbst erst einmal zu ihren Sünden stehen und wirklich Reue und Wiedergutmachung zeigen!

Versöhnung mit Gott und mit sich selbst

Dann kam Rom. Einige Monate lebte ich während meines Studiums fußläufig zum Vatikan und was ich dort erlebte, hat mich tatsächlich ermutigt, regelmäßiger beichten zu gehen. Was habe ich gesehen? Ich sah den Papst, wie er vor einem offenen Beichtstuhl kniete und vorlebte, was er empfiehlt. Alle 14 Tage geht Franziskus beichten. "Wenn ich zur Beichte gehe, dann um Heilung für mich zu erlangen, Heilung für meine Seele. Um dann mit mehr geistlicher Gesundheit weiterzugehen", sagt der Pontifex. Auch die vielen Priester auf Plastikstühlen vor dem Petersdom haben mich im "Jahr der Barmherzigkeit" beeindruckt. Dort gab es die Möglichkeit zur Freiluftbeichte – auch der Papst hat damals spontan 16 Jugendlichen sein Ohr geschenkt. Viele lachende Gesichter. Nach Zwang und einem Kleinhalten der Menschen sah das nicht aus.

Es ist eine Versöhnung mit Gott, aber auch mit sich selbst und es fühlt sich tatsächlich wie eine Neujustierung des eigenen Seelenlebens an.

Doch dafür muss man nicht nach Rom reisen. Wer ein guter Beichtvater ist, das spricht sich schnell herum. Heute gehe ich ohne vorab einen Blick in den "Beichtspiegel" zu werfen, sondern einfach mit dem, was ich auf dem Herzen habe. Den Priester erlebe ich dabei als hörendes, emphatisches Gegenüber. Kein "Wann war die letzte Beichte?", kein bohrendes Nachfragen oder strafendes Ermahnen. Stattdessen gute Ratschläge – und wohltuende Vergebung. Quälende Selbstvorwürfe und Gedanken können endlich gesagt und losgelassen werden. Es ist eine Versöhnung mit Gott, aber auch mit sich selbst und es fühlt sich tatsächlich wie eine Neujustierung des eigenen Seelenlebens an.

Beichte statt Therapie

Die Beichte wurde für mich zum wirkungsvollen Tool, ja vielleicht erspart sie mir sogar den Therapeuten. Wo kann man sonst belastende Dinge in einem geschützten Raum aussprechen, konkrete Sorgen teilen, seine eigenen Schattenseiten mit jemandem reflektieren, Rat erhalten – und den Blick anschließend gemeinsam auf das Positive lenken, neu anfangen. Ist das nicht eine kleine Gesprächstherapie?

Kommt der Glaube dazu, ist da natürlich noch viel mehr. Die Beichte heilt ja tatsächlich, sie ist ein Sakrament. Doch das ist unverständlich geworden. Die breite Masse der Menschen hat vielleicht noch ein Gefühl, aber längst kein Wissen mehr, was das ist. Dass Gott und seine Barmherzigkeit darin den Menschen tatsächlich begegnet, das ist unglaublich und muss einfach selbst erlebt werden. Jesus sagte zu seinen engsten Schülern (das Wort "Jünger" versteht heute auch keiner mehr): "Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben." An ihrer Stelle stehen die Priester. Sie sprechen die mächtigen Worte: "So spreche ich dich los von deinen Sünden. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Ich bekomme dabei tatsächlich Gänsehaut. Wer das glauben kann, der findet Heilung und neue Kraft. Nicht nur in Rom, sondern überall auf der Welt.

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