Im Wettbewerb um junge MenschenEin bisschen Konkurrenz darf sein

Die Studierendenzahlen in der Theologie gehen dramatisch zurück. Jörg Kohr wünscht sich inspirierende Orte, die einander ergänzen.

Die Zahl der jungen Menschen, die sich für ein Theologiestudium oder für einen kirchlichen Beruf entscheiden, nimmt dramatisch ab. Es gibt nicht nur den Priestermangel. Der Mangel an Nachwuchs hat längst auch die anderen pastoralen Berufe erfasst. Ich bin mir sicher, dass diese Fakten – neben einem veränderten Berufungsverständnis – mit dazu beitragen, dass gegenwärtig wieder aktiver und auf neue Art und Weise nach Berufung gefragt wird.

Eine konkrete Folge ist zudem: Berufungspastorale Angebote, theologische Ausbildungsstätten und Diözesen als Arbeitgeberinnen stehen längst in einem Wettbewerb um junge Menschen. Jeder wünscht sich, junge Menschen und kluge Köpfe für seine Orientierungs- und Lehrangebote und in der Folge auch als mögliche pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen.

Doch wie nun umgehen mit Wettbewerb und Konkurrenz? Wie bei allen unangenehmen Wahrheiten scheint mir ein notwendiger erster Schritt zu sein, diese Realität wahrzunehmen und nicht davor zurückzuschrecken, sie ins Wort zu bringen. Ja, die Zahlen gehen überall zurück. Ja, es gibt nach wie vor ein sehr umfangreiches Angebot an Orientierungs- und Ausbildungsmöglichkeiten innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Und ja, es würde auch uns extrem schmerzen, wenn wir unsere Ausbildungsstätte oder unser Orientierungsangebot nicht mehr weiterführen könnten.

Zweitens würde ich vorschlagen, Wettbewerb nicht ausschließlich negativ, sondern auch positiv oder zumindest sportlich zu sehen. Wettbewerb belebt, er trägt zur Schärfung des eigenen Profils bei, er fördert Neuerungen und verbessert die Qualität der Angebote. All das wäre aus der Sicht der jungen Menschen, die sich für berufungspastorale Angebote und kirchliche Berufe interessieren, ein überaus wünschenswerter Effekt. Hier könnten der Mangel und die daraus resultierende Konkurrenz zum Motor überfälliger Innovationen und Verbesserungen werden. Fachkräftemangel verbessert die Position der Fachkräfte – kirchliche Angebote und Berufe werden nur dann gewählt, wenn sie im Wettbewerb bestehen und überzeugen können. Die Kirche wird es sich nicht mehr leisten können, unattraktive Formen vorzugeben, in die sich junge Menschen dann hineinzwängen müssen.

Dennoch sollten wir als Christinnen und Christen nicht in dieselbe Wettbewerbslogik verfallen, die unser ökonomisches System kennzeichnet. Das scheint mir ein wichtiger dritter Punkt: Es geht nicht darum, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Schließlich sind wir zu Recht nicht (ganz) von dieser Welt, sondern beseelt von dem Gedanken, dass „Leben in Fülle“ (vgl. Joh 10,10) aus Integration, Solidarität und Zusammenarbeit entsteht. Insofern lautet die Zukunftsfrage für mich: Wie stellt sich die Berufungspastoral bundesweit so auf, dass es möglichst viele inspirierende Orte gibt, an denen junge Menschen mit ihren Charismen gefördert und bei der Suche nach ihrer Berufung unterstützt werden und dabei noch eine ausreichend große Gemeinschaft mit Gleichaltrigen erleben können. Ein bisschen Konkurrenz darf sein – aus den oben genannten Gründen! Darüber hinaus wäre für mich ein sich gegenseitig ergänzender und inspirierender „Berufungscampus Deutschland“ wünschenswert, verteilt auf viele Standorte mit geschärftem Profil.

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