Bachmann-Preis 2025Schatten über dem Literaturfest

Über einen gelungenen Bachmann-Wettbewerb, der gegen Tod und Krieg anschreibt, aber vor den Herausforderungen der Technik scheinbar resigniert hat.

Juryvorsitzender Klaus Kastberger brachte die Stimmung am ersten Lesungstag in Klagenfurt auf den Punkt: „In Österreich beginnt prinzipiell alles mit der Hölle.“ Die Themen waren düster wie immer: Krieg, Krankheit, Tod – literarisch zu kunstvollen Miniaturen verarbeitet. Und im Vergleich zu den Vorjahren, in denen zumindest ab und an ein lustiger oder gar alberner Text eingestreut war, schien der einzige Weg aus der Misere in diesem Jahr oft genug über Medikamente zu führen. Über Drogen, wie sie die Hauptfigur in Daughter Issues kauft, nachdem sie versucht hat, ein menschenverachtendes Show- Konzept ans Fernsehen zu verkaufen („Was geschieht, wenn wir einem Vater eine Million anbieten, wenn er den Kontakt zu seiner Tochter abbricht?“). Über Schmerzmittel, wie sie der Vater bekommt, der in Zentaur palliativ behandelt wird und Seite um Seite nicht sterben will. Oder über eine Todespille, wie im preisgekrönten Text Kindheitsbenzin des deutsch-russischen Schriftstellers Boris Schumatsky. Der Protagonist denkt darüber nach, noch ein letztes Mal die Mutter in Russland zu besuchen, in der Hosentasche jene Pille, „die ich nehmen werde, wenn sie mich verhaften“.

Russland war auch in diesem dritten Jahr des Angriffskriegs immer wieder ein Thema, mal sehr offen, mal eher zwischen den Zeilen. Verena Stauffer verglich in ihrem eindrucksvollen Beitrag Die Jäger von Chitwan menschliche Gesellschaften mit dem Jagdverhalten bei Tieren. „Es gibt auch Einzelgänger unter den Herdentieren, meist männlich…“ Wenig später ist sie bei Cyberterroristen, die online Fakenews streuen und mit digitalen Anschlägen die Infrastruktur lahmlegen. Und bei jenem Mann im Hintergrund: „Während er mit seiner Agenda unsere Gebiete destabilisiert, lacht er sich ins Fäustchen.“ Es war auch der Text, der zur hitzigsten Debatte in der Jury führte. Darf man solche Parallelen ziehen, dem Kriegsgegner unter der Hand die Menschlichkeit absprechen, ihn zum wilden Tier machen? „Putin hat mir irgendwann leidgetan in dem Text“, so Jurorin Mithu Sanyal. „Das wird sogar ihm nicht gerecht.“ Kastberger widersprach deutlich und erntete dafür Applaus aus dem Publikum: „Putin darf einem nicht als Mitleidsfigur vorkommen. Er ist ein Verbrecher.“ Es sind solche scharf geführten Diskussionen, für die es sich lohnt, den Wettbewerb zu verfolgen.

Was die Zukunft des Bachmann-Preises angeht, wurde allerdings ein recht düsteres Bild gezeichnet. Noch vor wenigen Jahren waren Textabschnitte, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurden, nicht mehr als eine Spielerei. Dann wurden die KIs leistungsstärker, ihre Texte immer schwerer von denen echter Menschen zu unterscheiden. Als dieses Jahr der Beitrag LAMBADA TUTTO GAS eingereicht wurde, der damit spielt, zu Teilen vom Programm ChatGPT geschrieben zu sein, waren die Juroren auffällig kleinlaut. „Im Moment sind unsere Texte noch besser“, meinte Mithu Sanyal. „Wer weiß, wie lange noch.“ Ihr Jurykollege Thomas Strässle gab offen zu, dass ihm die ChatGPT-Passagen am besten gefallen hätten. „Dort wird es lebendig.“ Und Brigitte Schwens-Harrant fragte sich vielleicht nur halb im Scherz, wie lange es noch Menschen braucht, die Beiträge besprechen, wenn das die Programme in Zukunft direkt selbst übernehmen können: „Es ist wohl eine Frage der Zeit.“ Hier würde man sich doch ein bisschen mehr Kampfgeist in der Kulturszene wünschen … Maschinen, die Texte ausspucken, damit andere Maschinen sie besprechen können – das wäre literarisch vermutlich wirklich die Hölle. Nicht nur in Österreich.

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