Wie Kino ankommtWaren wir im selben Film?

Ist es nicht spannend und bereichernd zu sehen, dass jeder - trotz aller "Objektivität" - seinen eigenen Film sieht?

Beginnen wir mit einem Nachtrag zu gestern: „The Kindness of Strangers“ von Lone Scherfig ist ein wunderschöner, hoffnungsvoll stimmender Berlinale-Auftakt, hatte ich da geschrieben (https://bit.ly/2BrtiBc). Heute dann, im Gespräch mit einem Kollegen, die Frage, ob ich den Eröffnungsfilm auch so furchtbar gefunden habe … Wieso furchtbar? „Na, den haben doch alle zerrissen!“ Tatsächlich: Beim schnellen Durchklicken durch die Online-Berichterstattung fällt viel Negatives auf. Vom „Fehlstart mit einer Sozialschmonzette“ schreibt „Spiegel online“. Der Film habe für „Entsetzen“ gesorgt. Von „süßsaurem Gefühlskino“ spricht die „Frankfurter Allgemeine“.

Haben die Kollegen denselben Film gesehen? Gut, geschenkt: Jeder sieht natürlich immer ein Stück weit seinen eigenen Film. Es liegt eben nicht einfach nur am Absender, ob und wie eine Botschaft – in diesem Fall: ein Kinofilm – ankommt. Auch die Verfassung des Empfängers spielt hinein. Was bringe ich mit, welche Erwartungen, welche persönliche „Geschichte“, wenn ich jetzt diesen Film sehe? Das beeinflusst meine Wahrnehmung gewaltig! In Anlehnung an das Gleichnis vom Sämann ließe sich fragen: Wie sieht aktuell mein „Boden“ aus, den ich dem cineastischen Samen biete? Ist er felsig, von Dornen überwuchert? Oder ist es guter Boden, bin ich aufnahmebereit, so dass der Film bei mir Frucht bringen kann – dreißigfach, sechzigfach oder womöglich hundertfach?

Die professionelle, journalistische Filmkritik versucht, diese weichen Faktoren möglichst herauszurechnen. Sie legt, so gut das bei Kunst geht, objektive Kriterien an. Trotzdem können am Ende unterschiedliche Bewertungen stehen. Und deshalb bleibe ich auch bei meiner positiven Würdigung des Eröffnungsfilms – selbst nachdem ich die anderslautenden Kritiken gelesen habe. Ich kann manches nachvollziehen, dennoch urteile ich anders. Was für den einen Kitsch ist, ist für den anderen eben noch haarscharf am Kitsch vorbei und damit überzeugend, souverän. Aber vielleicht bin ich ja auch befangen. Ich gestehe: Ich sehe positive, lebensbejahende Filme lieber als wütende, destruktive oder zynische Werke.

Über all das kann man reden, miteinander diskutieren. Und ein internationales Filmfestival wie die Berlinale ist vielleicht der beste Platz dafür. Denn hier man kann mit Menschen aus aller Welt sprechen. Justin Chang, Filmkritiker der „Los Angeles Times“ und Jury-Mitglied, erzählte, wie sehr ihn die Amerika-Zentriertheit im Kino seiner Heimat anödet. Er fahre auch deshalb zur Berlinale, um aus dieser Denkweise – America first! – herauszukommen. „Ich will mir die ganze Welt eröffnen, Geschichten aus der ganzen Welt erleben.“

Ja, das kann man hier tatsächlich. Ich habe bereits Filme aus Europa gesehen, aus Indien, aus Guatemala – mit ihren jeweiligen besonderen Themen und Erzählweisen. Regelmäßig tausche ich mich mit einem Kollegen aus Dänemark darüber aus. Ich habe ihn kennengelernt, weil er auch immer in derselben „Ecke“ im „Berlinale Palast“ sitzt … Morgen geht es weiter.

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