Religionssoziologische Beobachtungen zum Status von Religion in Deutschland und EuropaSäkularisierung, Individualisierung oder Markt?

Missionarische Pastoral hat die Aufgabe, den Glauben in der gegenwärtigen, sich mit zunehmender Beschleunigung verändernden Gesellschaft anzubieten und vorzuschlagen. Dies setzt voraus, aufmerksam zu sein für die Prozesse, in denen die Gesellschaft sich wandelt, und vor allem, wie sich das Verhältnis von Religion, Glaube und Kirche zur gegenwärtigen Gesellschaft entwickelt.

Über das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft besteht keine fraglose Übereinkunft; es gibt ganz unterschiedliche Auffassungen darüber, wie Kirche sich in oder gegenüber der Gesellschaft, deren Teil sie ist, positionieren soll. Klar ist: Es kann nicht Ziel sein, sich von der Gesellschaft abzuschotten und eine Gegenwelt aufzubauen; dies würde dem Auftrag Jesu, die Botschaft des Evangeliums allen Völkern zu verkünden, verfehlen. Genauso wenig entspräche es dem Auftrag der Kirche, wenn sie sich der Gesellschaft in einer Weise anpasste, die sie ununterscheidbar von anderen gesellschaftlichen Akteuren machte und ihr das kritische und widerständige Potenzial nähme. Ein Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen ist immer wieder neu zu entwickeln, der auf die aktuelle Situation adäquat reagiert, ohne sich ihr naiv auszuliefern. 

Der religionssoziologische Blick

Einen hilfreichen Blick für die Entwicklung eines solchen Weges der Kirche in der Gesellschaft bietet die Religionssoziologie. Sie hat zur Aufgabe, religiöse Phänomene aller Art in der Gesellschaft systematisch zu beobachten und theoretisch zu durchdringen. Die soziologische ist nicht die einzige sinnvolle Perspektive auf Religion und Kirche, aber sie ist deswegen hilfreich, weil sie die Phänomene, Gruppen und Prozesse nüchtern und distanziert betrachtet. Die Religionssoziologie bietet dezidiert keinen theologischen Blick, sondern ist einem methodischen Atheismus oder Agnostizismus verpflichtet - ihr geht es also ausdrücklich nicht um die Wahrheit der Glaubensvorstellungen und -überzeugungen, die sie untersucht. Gerade dies erlaubt einen gewissermaßen unbestechlichen Blick auf Phänomene von Religion, der realistisch ist und nicht von (religiösen, kirchlichen oder theologischen) Interessen geleitet sein sollte. Die Soziologin oder der Soziologe muss sich als prinzipiell neutraler, unbeteiligter Beobachter nichts vormachen und wird nicht durch eigene Bedürfnisse oder Anliegen abgelenkt. Vielleicht wird er oder sie auch auf blinde Flecken aufmerksam, die aus der Binnenperspektive nur schwer wahrnehmbar sind.

Säkularisierung oder Wiederkehr der Religion?

Schaut man auf die religionssoziologische Diskussion der letzten Jahre, so bietet sich allerdings ein verwirrendes, weil widersprüchliches Bild: Zum einen wird unter dem klassischen Stichwort der Säkularisierung darauf hingewiesen, dass zwischen Religion und Moderne ein gespanntes Verhältnis besteht. Insbesondere die christlichen Kirchen sind spätestens seit den 60er Jahren von deutlichen und kontinuierlichen Abbruchprozessen erfasst: Sie verlieren beständig an Mitgliedern; bei den verbliebenen Mitgliedern nimmt die kirchliche Bindung immer mehr ab, erkennbar z.B. an sinkenden Besucherzahlen der Sonntagsgottesdienste; und auch traditionelle christliche Glaubensinhalte scheinen massiven Erosionsprozessen zu unterliegen. (Zumindest gelten diese Beobachtungen für den europäischen Bereich, vor allem für Westeuropa; in anderen Regionen der Welt sind durchaus auch religiöse Wachstumsprozesse zu verzeichnen.) Auf der anderen Seite wird behauptet, dass Religion gar nicht in ihrem Kern im Verschwinden begriffen ist, sondern nur in ihrer institutionellen, kirchlich verfassten Form; der Mensch sei eben „unheilbar religiös", was sich z.B. an dem zunehmenden Zuspruch zu Formen alternativer Religiosität oder Spiritualität zeige. Religion verschwindet in dieser Perspektive also nicht, sondern wandelt nur ihre Formen; es wird bisweilen von einer Rückkehr des Religiösen, der Religionen oder gar der Götter gesprochen (z.B. bei Friedrich Wilhelm Graf oder Martin Riesebrodt). 

Welche dieser beiden Diagnosen trifft denn nun zu? Und welche Konsequenzen haben diese Beobachtungen für die Pastoral? Im Folgenden werde ich in aller Kürze die drei großen Theorieströmungen der Religionssoziologie betrachten und danach fragen, welche empirische Unterstützung sie für sich beanspruchen können und welche Impulse für pastorales Handeln sie bieten. Überblicksartig lassen sich nun in der aktuellen religionssoziologischen Diskussion drei theoretische Muster erkennen: die Säkularisierungsthese, die Individualisierungsthese und das Modell des religiösen Marktes.

Drei religionssoziologische Erklärungsansätze

Die These der Säkularisierung (vertreten z.B. vom frühen Peter L. Berger oder im deutschsprachigen Raum prominent durch Detlef Pollack) geht aus von einer grundsätzlichen Spannung zwischen Religion und Moderne, oder genauer: zwischen Religion und der Moderne innewohnenden Prozessen wie z.B. funktionaler Differenzierung (damit gemeint ist die Herausbildung einzelner voneinander relativ unabhängiger Teilsysteme innerhalb der Gesellschaft wie Politik, Wirtschaft, Recht, Bildung und eben auch Religion), Rationalisierung, Individualisierung, Pluralisierung, Wohlstandsanhebung oder steigender Mobilität. Diese Prozesse haben nach der Säkularisierungsthese einen letztlich negativen Einfluss auf die soziale Integrationskraft und die Vitalität von Religionsgemeinschaften, aber auch auf die Verbreitung und Stabilität von religiösen Praktiken und Überzeugungen. Damit ist nicht gemeint, dass Säkularisierung ein notwendiger, deterministisch ablaufender und unumkehrbarer Prozess sei, der zudem von den Vertretern der Säkularisierungsthese als wünschenswert angesehen werde. Wohl aber wird angenommen, dass die Prozesse der Modernisierung mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die - für den mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Menschen noch selbstverständliche - Integrationskraft der Religionsgemeinschaften schwächen. Die Folge ist also, dass Religion in den modernen Gesellschaften in sozialer und individueller Hinsicht insgesamt an Bedeutung verliert. 

Die Individualisierungsthese (vertreten z.B. von Thomas Luckmann oder Grace Davie) geht ebenso von dem Phänomen einer Entkirchlichung aus, also dem sozialen Bedeutungsverlust von Religion. Dem muss aber kein individueller Bedeutungsverlust entsprechen, da die Individualisierungsthese streng unterscheidet zwischen der individuell- subjektiven und der sozialinstitutionellen Seite von Religion. Dem Prozess der Entkirchlichung korrespondiere nicht notwendigerweise auch ein Niedergang von Religiosität, vielmehr vollziehe sich ein Formenwandel der persönlichen Religiosität. Man geht dabei aus von einem religiösen Apriori des Menschen: Danach besitze jeder Mensch eine individuelle religiöse Orientierung, die sich allerdings nicht unbedingt öffentlich manifestieren müsse; eine „unsichtbare Religion" könne entstehen, die nur nach außen hin als Verlust des Glaubens erscheint. 

Ein dritter Erklärungsansatz, das religiöse Marktmodell, kommt aus dem US-amerikanischen Raum und geht von der dortigen pluralen Situation von religiösen Angeboten als dem Normalfall aus; die stärker staatlich regulierte Lage der Religion in Europa wird demgegenüber als Sonderfall angesehen. Anders als die beiden anderen Modelle geht das Marktmodell nicht von dem Phänomen der Entkirchlichung aus; es legt auch keinen Wert auf die Unterscheidung zwischen Kirchlichkeit und Religiosität. Ähnlich wie die Individualisierungsthese nimmt es aber an, dass Religion eine Art anthropologischer Konstante darstellt, so dass von einem grundsätzlichen und gleichbleibenden Bedürfnis des Einzelnen nach Religion auszugehen ist. Das gesellschaftliche Ausmaß an Religiosität und Kirchlichkeit, so die zentrale Annahme, werde durch das Angebot auf dem religiösen Markt und auf dem Grad der Regulation des Marktes durch den Staat bestimmt. Die religiösen Bedürfnisse der Einzelnen werden immer vielfältiger und individueller und können in einer monopolartigen Situation auf dem religiösen Markt von den wenigen Anbietern nicht mehr angemessen befriedigt werden; dies hat dann eine Abnahme von religiöser Vitalität zur Folge. Wenn der Markt jedoch nicht nur auf wenige etablierte Anbieter beschränkt bleibt, sondern neue Anbieter zugelassen werden, die die vervielfältigten religiösen Bedürfnisse befriedigen, entsteht Konkurrenz und Wettbewerb und damit eine Belebung der religiösen Vitalität. Anders als die Säkularisierungsthese hält das Marktmodell also die Pluralisierung religiöser Angebote der religiösen Vitalität nicht für ab-, sondern zuträglich und sieht in der Modernisierung keinen notwendigen sozialen Bedeutungsverlust von Religion impliziert.

Empirische Vergewisserungen

Die drei verschiedenen Modelle tragen allesamt nachvollziehbare Elemente in sich, zu denen jeder aus seiner eigenen Erfahrung Bestätigungsbausteine finden kann. Jedoch können die drei Modelle nicht einfach nebeneinander harmonisiert werden, denn sie enthalten sich zum Teil widersprechende Annahmen. Außerdem ist zu fragen, welches Modell empirisch gesehen die stärkste Erklärungskraft bietet. 

Schaut man dazu auf den europäischen und vor allem deutschen Raum, so findet man oft einen negativen Zusammenhang zwischen dem Grad der Modernisierung und religiösen Indikatoren wie Kirchenmitgliedschaft, Gottesdienstbesuch, Gebetshäufigkeit oder der Bedeutung, die der Religion für das eigene Leben zugemessen wird. Im langfristigen Vergleich seit Beginn der 90er Jahre zeigen sich insbesondere für Westeuropa rückläufige (oder allenfalls stagnierende) Raten der Konfessionszugehörigkeit. Ein gutes Beispiel hierfür ist Deutschland, wo in Westdeutschland der Anteil der Konfessionslosen von 1991 bis 2008 von 11% auf 16,5% und in Ostdeutschland von 65% auf 74% angestiegen ist - mit steigender Tendenz in den jüngeren Altersgruppen. Zugewinne haben die Kirchen allerdings in vielen osteuropäischen Ländern nach dem Zusammenbruch des Kommunismus erfahren - wiederum mit den Ausnahmen der Tschechischen Republik sowie dem schon genannten Ostdeutschland, wo die Entkirchlichung möglicherweise bereits eine kritische Schwelle unterschritten hat, so dass eine Rückkehr zu den Kirchen nicht mehr stattfindet. Dies, aber auch die Auswirkungen unterschiedlicher konfessioneller Prägungen in den verschiedenen europäischen Ländern belegt beispielhaft, dass die Säkularisierung nicht als einliniger und unumkehrbarer Prozess zu verstehen ist, sondern historische Einbettungen zu beachten sind.

Blickt man auf den Gottesdienstbesuch als einen vielleicht noch valideren Indikator für religiöse Vitalität, so werden die Annahmen der Säkularisierungstheorie wiederum bestätigt: In Westeuropa zeigt sich ein langfristiger kontinuierlicher Rückgang, in Osteuropa ist nach einem zeitlich begrenzten Aufschwung direkt nach dem Umbruch wieder ein Nachlassen oder allenfalls Stagnation im Gottesdienstbesuch zu beobachten; die positiven Entwicklungen in der Kirchenmitgliedschaft scheinen also einen eher formellen Charakter zu haben und drücken sich nicht unbedingt auch in einer verstärkten kirchlichen Praxis aus.

Nun bietet die Individualisierungsthese die alternative Erklärung an, dass religiöse Bedürfnisse nach wie vor in hohem Maße bestehen, nur dass ihre Befriedigung eben in verstärktem Maße außerhalb der etablierten Kirchen gesucht wird. Dagegen sprechen jedoch folgende empirische Befunde: Die Zustimmung zu alternativen, außerchristlichen Formen von Religiosität (z.B. Magie, Okkultismus, Astrologie) fällt im europäischen Vergleich insgesamt gering aus; es sind (oft geringe) Minderheiten, die hier ihren Zuspruch äußern. Zudem lässt sich gerade in Ländern mit starker christlich- kirchlicher Religiosität (z.B. Irland oder Portugal) eine z.T. höhere Zustimmung zu diesen alternativen religiösen Formen beobachten. Diese Länder bieten auch insofern keine Bestätigung der Individualisierungsthese, als in ihnen gerade eine hohe Mitgliedschafts- und Kirchgangsrate mit einem hohen Maß an individueller Religiosität korreliert (Glaube an Gott als Indikator subjektiver Religiosität und die Selbsteinschätzung subjektiver Religiosität). Für die Säkularisierungsthese spricht wiederum, dass in Osteuropa nach dem Umbruch zwar auch Revitalisierungsprozesse hinsichtlich der subjektiven Religiosität zu beobachten waren, dass diese sich jedoch in ökonomisch erfolgreicheren Staaten am schnellsten abgeschwächt haben. 

All diese Befunde sprechen insgesamt zwar nicht dafür, die Existenz religiöser Individualisierung generell abzulehnen; das zentrale Problem ist jedoch, dass die behauptete apriorische Religiosität in ihren privaten oder „unsichtbaren" Formen empirisch nur schwer erfassbar ist. Statt religiöse Individualisierung als eine Alternativerklärung anzunehmen, lässt sie sich auch konform zur Säkularisierung interpretieren, nämlich als ein Vor- oder Übergangsstadium auf dem Weg hin zu Säkularisierung und Religionslosigkeit.

Auch das religiöse Marktmodell bietet für den europäischen Raum nach Sichtung der empirischen Daten keinen hilfreichen Erklärungsansatz: Denn Konfessionszugehörigkeit, Glaube an Gott und subjektive Religiosität sind in Ländern mit höherem Grad religiöser Regulierung (v.a. in katholisch geprägten Staaten) tendenziell auch höher ausgeprägt. Dass der Wunsch nach größerer Variationsbreite auf dem religiösen Feld am stärksten gerade in katholischen Ländern mit ihrer kirchlichen Monopolstruktur geäußert wird, spricht gerade gegen die Annahme des Marktmodells, dass besonders religiöse Pluralität zu höherer religiöser Vitalität führe.

Konsequenzen

Was bedeuten diese religionssoziologischen Modelle und die empirischen Daten für die Ausrichtung einer missionarischen Pastoral, die ja nicht an den gesellschaftlichen Entwicklungen ihrer Zeit vorbeischauen kann? Wenn die hier vertretene Argumentation stimmt, ist die Säkularisierungsthese unter den aktuellen religionssoziologischen Modellen dasjenige, das die breiteste Erklärungskraft und die stärkste empirische Unterstützung für sich beanspruchen kann (zumindest bezogen auf Deutschland und Europa). Dies heißt für den kirchlichen Kontext, dass der kontinuierliche Traditionsabbruch christlicher Religiosität ehrlich zur Kenntnis zu nehmen ist. Es ist wohl trügerisch, etwa aus der Individualisierungsthese Hoffnungen auf größere Mengen religiös Suchender abzuleiten, die nach kirchlicher Beheimatung suchen. Ebenso sollte man sich davor hüten, ein verstärktes (insbesondere medial vermitteltes) Interesse an Religion mit Religion selbst zu verwechseln. Das soll aber nicht heißen, dass alternative Formen von Religiosität kirchlicherseits nicht aufmerksam wahrgenommen und mit der christlichen Glaubenstradition kontrastiert werden sollten. 

Die Orientierung am religiösen Marktmodell könnte z.B. eine Pluralisierung und Variation kirchlicher Angebote für unterschiedliche Nachfragegruppen bedeuten. In diesem Zusammenhang ist das Potenzial einer milieusensiblen Pastoral zu nennen, die sich bemüht, Milieuverengungen etwa in der kirchlichen Verkündigung aufzubrechen und Milieus, in denen Kirche und Religion nur eine geringe Rolle spielen, zumindest eine Chance zu geben, die Botschaft des Evangeliums wahrzunehmen. Allerdings wird auch hier eine umfassend differenzierte Milieuorientierung nur begrenzt möglich und vielleicht auch nur begrenzt gewünscht sein; zumindest wird man nicht ohne weiteres von einer konstanten religiösen Nachfrage ausgehen können. Immerhin weist das Marktmodell darauf hin, dass auch die Pastoral unter dem Gesichtspunkt des Markts und der Kundenorientierung betrachtet werden kann; nicht als die einzig sinnvolle und mögliche, aber wohl als eine - ergänzungsbedürftige - sinnvolle und mögliche Perspektive. 
Sofern es also richtig ist, dass die Säkularisierungsthese eine realistische Einschätzung der aktuellen Situation von Religion und Kirche bietet, bleibt dann nur noch Frustration oder Resignation? Dies wäre schon allein deshalb nicht die angemessene Reaktion, weil der Prozess der Säkularisierung nicht mit dem Zustand der Säkularität gleichzusetzen ist: Trotz der nicht zu leugnenden Verlustprozesse ist in Deutschland und Europa immer noch ein hoher Bestand an Religiosität zu konstatieren, der sich auch nicht in einer rein kulturellen Bedeutung erschöpft. Um diesen Verlusten - nach Möglichkeit - entgegenzuwirken, ist es wichtig, die Bedeutung religiöser Sozialisation und damit Felder wie Familie, Schule, Kinder- und Jugendarbeit nicht aus dem Blick verlieren. Hinzuweisen ist auch auf die sozialen Leistungen der Kirchen, die durchgehend hohe Anerkennung finden und den kirchlichen Institutionen besondere Glaubwürdigkeit verleihen (abgesehen von der theologischen Bedeutung diakonischen Handelns).

Die Säkularisierungsthese kann zudem auch eine entlastende Funktion haben: Denn Abbruchsphänomene resultieren oft weniger aus Fehlern der Institution oder einzelner ihrer Mitglieder, sondern aus kaum zu beeinflussenden gesamtgesellschaftlichen Prozessen (womit nicht gesagt ist, dass man sich in der Pastoral keine Mühe geben müsste und nicht auf Qualität Wert zu legen bräuchte). Wo die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ungünstig sind, braucht man sich nicht durch eigene Schuldzuweisungen selbst zu blockieren oder zu frustrieren.

Zum Abschluss ein letzter Hinweis: Die Moderne und die mit ihr einhergehenden Säkularisierungsprozesse sind nicht einfach nur als feindlicher Gegenpart zu Religion und Christentum anzusehen, sondern beide Seiten können auch als komplementär verstanden werden. Die Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft, die der Religion nicht mehr einen übergeordneten Platz einräumt, sondern sie als ein gesellschaftliches Teilsystem unter anderen (wie Politik, Kultur, Wirtschaft etc.) einordnet, befreit das Christentum somit von Aufgaben und Funktionen, die gar nicht seinem eigentlichen Auftrag entsprechen. Somit kann der Prozess der Säkularisierung auch gelesen werden als Befreiungsgeschichte des Christentums zu seinem Eigentlichen: der Verkündigung des Evangeliums und dem Anbieten des Glaubens in der Gesellschaft der Gegenwart - einer Herausforderung, der kreativ und beherzt zu begegnen ist. 

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