Familienkatechese und GemeindeentwicklungWie Gemeinde Zukunft hat

Katechese kann sich als entschiedene Ermutigung zur religiösen Kommunikation verstehen. Als Angebot mit niederschwelligem Einstieg ist die Familienkatechese ein Ansatz zur Erwachsenenkatechese, die sich an die Eltern der 271 000 Erstkommunionkinder (2003) wendet.

Fazit

Statt so mancher derzeitiger Klagen und Tendenzen zur Resignation, „es ist eh alles umsonst", plädieren wir für realistischen Optimismus. Dass sich die kirchliche Verkündigung in einem radikalen Umbau befindet, ist redundant, der Paradigmenwechsel weg von der Gewohnheitskirche hin zur Freiwilligkeitskirche - erst auf den Weg. Weiterhin halten wir für eine kontraproduktive These, dass es gar keine lebendigen Gemeinden mehr gebe, die so etwas wie Familiengottesdienste und -katechese ermöglichten. Es ist schlichtweg der falsche Ansatz, Henne oder Ei. Die Option ist vielmehr: Lebendige Gemeinden fallen nicht vom Himmel, sie können neu entstehen. Katechese als Initiation hinein in die Gottesbeziehung bleibt Kernkompetenz und Aufgabe der christlichen Gemeinde, allerdings vielerorts in anderen Kommunikationsqualitäten. 

Erstkommunion als Familienkatechese" kommt aus sehr großen Seelsorgebezirken in Lateinamerika. Ein Priester ist z. B. in Bolivien für 36.000 Katholikinnen und Katholiken in weit verzweigten Gebieten zuständig. Sie haben sich längst darauf eingestellt, Multiplikatoren, also Begleiter und Begleiterinnen von Elterngruppen und Multiplikatoren für die Kommunionkinder-Gruppen auszubilden. Dort sind dies ältere Jugendliche, die die Kommunionkinder- Gruppen meist sehr kompetent leiten. Sie werden entschieden gefördert, und in ihrer Leitung der Kommunionkinder-Gruppen begleitet. 

Gerade wer merkt, dass wir uns in unseren Seelsorgekonzeptionen radikal umzustellen haben, kann durch die Konzeption „Erstkommunion als Familienkatechese" einerseits in die Breite wirken und andererseits den Familien den ihnen zustehenden Ort in der Glaubenskommunikation als Gabe und Aufgabe aufweisen. Grund für einen unreflektierten Optimismus haben wir auch nicht, sehr wohl aber Anlass für einen realistischen Optimismus. Zum einen sehen wir, dass man in manchen Gemeinden in zehn Jahren die Kirche am Sonntag nicht mehr aufschließen wird, weil diese Gemeinden die Glaubenskommunikation mit den jungen Familien vernachlässigt haben und die noch vorhandenen alten Menschen die Gemeinde aufgrund von Krankheit und Tod nicht mehr weiter tragen können. Auf der anderen Seite sehen wie Gemeinden, die das, was schon seit Jahrzehnten in Deutschland hätte kompetenter gemacht werden sollen, umsetzen: 

Bündnispartnerschaft Familien - Gemeinden - Schulen 

Wer Familien in ihrer Würde achtet und ihnen zutraut, die ihnen möglichen Schritte der Glaubenskommunikation im Sinne von Suchen, Zweifeln, Sichdistanzieren, Sichannähern, Sichidentifizieren zu realisieren, bringt in fast allen Gemeinden Bewegung in die Szene. 

Es ist wie ein „Pilgerweg des Vertrauens" - Roger Schutz, der Prior von Taizé hat dies mit Blick auf die Jugendlichen der Welt realistisch und mit großer Vision formuliert. Viele Hauptamtliche in unseren Gemeinden müssten den Stress hinter sich lassen: Erstkommunion als Familienkatechese bringt mehr Kommunikation. Die Qualitätssteigerung, mit Eltern in Dialoge zu geraten, die deren Zweifel und Glaubensprobleme plötzlich in den Blick nehmen, ist eine auch für uns jedes Jahr neue Herausforderung, die aber eher Freude als Stress macht. 

Wenn ich einmal im Monat in der Gemeinde das Elterntreffen für 16 Erstkommunioneltern leite, dann ist dies ein Abend gegenseitigen Gebens und Nehmens. Meist komme ich entspannter nach Hause, als ich nach einem oft langen Arbeitstag an der Universität hingegangen bin. 

Die Bausteine für das Familiengespräch Zuhause Eltern vertrauensvoll in die Hand zu geben und ihnen diese Qualität der Glaubenskommunikation mit dem eigenen Kind ans Herz zu legen, wurde für mich der eigentliche Paradigmenwechsel der letzten Jahre. Viele - selbstverständlich nicht alle - Eltern lassen sich darauf ein, aber: ausnahmslos alle Eltern sind eingeladen, mit ihren Kindern einen solchen Weg zu gehen. 

Aus manchen Gemeinden hören wir, dass sich Eltern fast vollzählig darauf einlassen und aus anderen Gemeinden niedrigere Prozentzahlen. Im Schnitt schätze ich realistisch, dass ungefähr 50 % der Eltern sich auf diesen Weg einlassen. Allzu gern würde ich dazu in den nächsten Jahren eine wissenschaftliche Befragung machen, weil ich selbst präzisere Klarheit suche und auch gemeinsam mit unserem Team die Materialien weiterentwickeln möchte. Es gibt ganz offensichtlich einen inneren Zusammenhang zwischen Familienkatechese und Kommunikationsbereitschaft und -qualität der Gemeindeleitung. Einen Einblick in die Praxis bietet Clemens Bieber: 

Familienkatechese konkret 

Als Pfarrer der Gemeinde St. Laurentius in Kleinostheim (Diözese Würzburg) kann ich nicht von Resignation, sondern über erfreuliche Entwicklungen berichten: Seit fünf Jahren gehen wir in unserer großen Gemeinde den Weg „Erstkommunion als Familienkatechese". Die Begeisterung der Kinder war von Beginn an groß. Das Interesse der Eltern an diesem Weg wird immer stärker deutlich. Die Auswirkungen auch für die Gemeinde lassen sich immer klarer erkennen. 

Über ein Jahr erstreckt sich der Weg der Familienkatechese. Zunächst laden wir die Eltern zu einem Gespräch ein. Wir sprechen die Bedeutung der religiösen Erziehung an und die Notwendigkeit der Begleitung durch die eigenen Eltern, bieten den Eltern unsere Unterstützung an und zeigen die Chancen des intensiveren Weges auf: Elterntreffen - Familiengespräche - Kindergruppen - Einbindung in die Gemeinde. Nach einer Bedenkzeit sind die Eltern eingeladen zum persönlichen Gespräch mit dem Pfarrer. Dabei können sie sich und ihr Kind zur Familienkatechese anmelden. In unserer Gemeinde leitet eine ehrenamtliche Mitarbeiterin, Mutter von drei Kindern, die Familienkatechese in enger Zusammenarbeit mit dem Pfarrer. Ein Team von Mitarbeiterinnen begleitet die Elterntreffen, ein anderes Team die Kindergruppen. 

In unserer großen Gemeinde sind in der Regel zwischen 60 und 75 Kinder und ihre Familien in den Weg eingebunden. Bei ca. fünf Familien werden die Einladungen zum ersten Elterngespräch nicht angenommen, ca. fünf Familien entschließen sich nach dem Elterntreffen, den Weg nicht mitzugehen. Das Gespräch in der Familie und die inhaltliche Arbeit in der Kindergruppe ergänzt der Pfarrer mit dem schulischen Religionsunterricht, bei dem er u.a. die Themenbereiche „Versöhnung" und „Eucharistie" mit den Kindern bearbeitet. 

Nach dem Kommunionfest reflektieren sowohl Kinder wie auch Eltern den Weg. Die folgenden Zahlen beziehen sich auf den Weg, der im Sommer 2003 begonnen hat und zum Kommunionfest 2004 hinführte: 

  • Bei 60 % der Familien fand regelmäßig jede Woche das Familiengespräch statt, bei 40 % manchmal.
  • Für 90 % der Kinder war das Familiengespräch die gute Vorbereitung auf die Gruppenstunde.
  • Auf die Frage, was den Kindern besonders wichtig am Familiengespräch war, stand an erster Stelle,
    - „dass wir alle zusammen waren", an zweiter Stelle,
    - „dass wir über Gott und Jesus gesprochen haben", an dritter Stelle, 
    - „dass die Familie mir zugehört hat", an vierter Stelle, 
    - „dass wir Zeit für uns hatten".

Als ein starkes Zeichen sehe ich die spontane Reaktion der Kinder, wenn ich mit ihnen nach dem Kommunionfest während einer meditativen Stille in Gedanken den ganzen Weg der Familienkatechese bis zum Kommunionfest nachgehe, und ihnen dann den Auftrag gebe, den für sie schönsten und wichtigsten Augenblick im Bild festzuhalten. 70 % der Kinder stellen tatsächlich den Empfang der Kommunion dar, 20 % ihren jeweiligen aktiven Beitrag zur Gottesdienstgestaltung und nur 10 % ein konkretes Geschenk. 

Unsere Erfahrungen im Detail: 

  • Von den Eltern gaben 70 % den Reflexionsbogen wieder ab. Davon gaben 50 % an, regelmäßig am Gemeindeleben und an den Gottesdiensten teilzunehmen. Das entspricht etwa einem Drittel der Familien insgesamt. 50 % antworteten „selten".
  • Bei 40 % nahm die ganze Familie am Familiengespräch zu Hause teil, bei 10 % beide Eltern mit dem Kommunionkind, bei 30 % ein Elternteil und das Kommunionkind, bei 20 % ein Elternteil und alle Kinder.
  • 60 % der Familien trafen sich an einem festen Termin zum Gespräch, 30 % zu unterschiedlichen Terminen, 10 % kurz vor dem Termin der Kindergruppe.
  • 60 % der Eltern fanden die Themen und die Bausteine für die Familienkatechese „immer ansprechend und gut umsetzbar", 40 % „in der Regel", 10 % „nicht immer".
  • Für alle (100 %) der Eltern waren das Thema „Versöhnung" und die Hinführung der Kinder zur Beichte ein wichtiger und sinnvoller Teil der Kommunionvorbereitung. 
  • 90 % der Eltern waren die Kindergruppen sehr wichtig, 60 % der Eltern sprachen regelmäßig mit den Kindern über den Verlauf und die Inhalte der Kindergruppen.
  • Für 80 % der Eltern war die Anzahl der Familiengespräche in Ordnung, und 100 % der Eltern empfanden die besonderen Gottesdienstangebote (Familiensegnung, Vorstellungsgottesdienst, Rorate, Tauffeier, Versöhnungsgottesdienst vor der persönlichen Beichte, gestaltete Betstunde am Tag der ewigen Anbetung, Segnung der Hände am Gründonnerstag, Kreuzweg der Kinder am Karfreitag zu wichtigen Gebäuden und Plätzen in der Gemeinde usw.) als sehr hilfreich.
  • 90 % der Eltern bestätigten, dass durch die Familienkatechese zu Hause mehr über Gott, Religion und Kirche gesprochen wurde und 100 % kreuzten an „Ja, der Weg der Familienkatechese hat sich gelohnt". Ebenso haben 100 % geantwortet „Ja, die Zeit, die wir uns für die Elterntreffen genommen haben, hat sich gelohnt".

Bei den individuellen Antworten kamen Äußerungen wie: 

  • „durch die Familienkatechese entstand ein engerer Kontakt zum eigenen Kind",
  • „wir konnten selber die Fragen des Kindes zum Glauben beantworten", „unsere Familie ist enger zusammengewachsen",
  • „wir sprechen seither bewusster und häufiger miteinander",
  • „wir haben die Spuren zu Gott neu erfahren",
  • „ich habe wieder neu den Weg zur Kirche gefunden", 
  • „Kommunion war ein Familienunternehmen",
  • „unsere Familie ist in die Gemeinde eingewachsen".

Auffallend ist, dass die Fragen zur äußerlichen Gestaltung des Festes immer weniger gestellt werden. So gibt es z.B. keinerlei Diskussionen mehr um die Kleidung. Alle Kinder tragen das Communio-Gewand, ebenso wie der Priester, der darüber die Stola legt. 

Genau besehen beginnt der gemeinsame Weg der Hinführung auf die Communio der Christen in unserer Gemeinde mit Jesus mit dem Angebot der 1-2-3 Kirche. Eingeladen sind die Kinder der 1., 2. und 3. Grundschulklassen. In einem Zweijahreszyklus entdecken die Kinder das Kirchenjahr und lernen es verstehen und feiern. Darauf können wir bei der Familienkatechese aufbauen. 

Der ganze Weg ist als Einladung gestaltet. Die Eltern können sich darauf einlassen. Viele beginnen vorsichtig tastend und werden im Laufe des Weges immer interessierter und offener. Erfreulich ist, dass die Zahl derer, die über das Kommunionfest hinaus immer wieder, immer häufiger kommen - zu Gottesdiensten, zu Einladungen und Angeboten der Gemeinde, sogar bereit sind, sich zu engagieren - immer größer wird. 

Eine der vielen Formen, die das Interesse und die Begleitung der Gemeinde deutlich machen, ist die Gebetspatenschaft. Beim Vorstellungsgottesdienst ziehen Gemeindemitglieder spontan vorbereitete Karten, auf denen der Name eines Kindes steht, das von ihnen begleitet werden soll. Aus den Gebetspatenschaften entstehen teilweise neue und intensive Kontakte. 

Im Jahr 2002 haben wir in unserer Laurentiusgemeinde einen sehr breit angelegten Leitbildprozess mit überwältigend starker Resonanz durchgeführt. Bemerkenswert war, dass, durch die Familienkatechese motiviert, viele junge Familien sich mit einer Vielzahl von Äußerungen eingebracht und zu dem klaren Ergebnis beigetragen haben, das - auf den knappen Nenner gebracht - sich widerspiegelt in den Worten „einander zum Nächsten werden". 

Der Aufwand für den Weg der Familienkatechese lohnt, weil er das Leben und den Glauben in vielen Familien intensiviert und unsere Gemeinde belebt. Dass nach dem Kommunionfest eine überwältigend große Zahl von Kindern etwa Ministrant/ innen werden wollen, dass viele Eltern nach weiterführenden Angeboten fragen, macht deutlich, dass wirklich entscheidende Dinge angestoßen wurden; ebenso wie der Weg überschrieben ist, „Gott mit neuen Augen sehen". 

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