Perspektivwechsel in der KatecheseErwachsene neu im Blick

Immer wieder hört man von Erstkommunion- und Firmkatecheten: „Ob es den Kindern/Jugendlichen viel gebracht hat, weiß ich nicht. Für mich selbst war die Vorbereitung auf jeden Fall ein Gewinn." Mit Blick auf die Kinder und Jugendlichen machen solche Worte nachdenklich. Umso erfreulicher ist, dass den erwachsenen Katecheten die gemeinsame Beschäftigung mit Grundfragen des Glaubens persönlich „etwas gebracht" hat. Ein Tatbestand, der für die Zukunft der Katechese vielleicht wegweisend ist.

Fazit

Die über Jahrhunderte bewährten Wege der Glaubensweitergabe erreichen immer weniger ihr Ziel. - Neben Kindern und Jugendlichen sind Erwachsene immer mehr ins Blickfeld der Katechese gerückt. Dabei wird Erwachsenenkatechese und ein erwachsenes JA zur Taufe zunehmend als Orientierungsmarke und Zielpunkt jeglicher Katechese erkannt - damit Menschen im Glauben tatsächlich erwachsen werden und nicht in den Kinderschuhen stecken bleiben. 

Landauf, landab kann man erleben, dass die Sakramentenkatechese als traditioneller Weg kirchlicher Sozialisation und Glaubensweitergabe kaum noch zu einer nachhaltigen Beheimatung in der Kirche führt. Sie „scheint eher etwas von Sympathiewerbung zu haben oder von dem, was gelegentlich als ‚biografische Ritendiakonie' bezeichnet wird", diagnostizierten die deutschen Bischöfe 2004 in „Katechese in veränderter Zeit" (KvZ, S. 12). Als Grund für diese veränderte Situation wird ausdrücklich der weitgehende Verlust des volkskirchlichen Milieus benannt: „Zahlreiche gesellschaftliche Stützen, die früher eine selbstverständlich vererbte christliche Lebenspraxis sicherten und darin beheimateten, haben sich verändert oder sind weggefallen. So sind die Bedingungen für eine kontinuierliche religiöse Sozialisation - in Familie, Schule und Gemeinde - in der gegenwärtigen Situation nur noch eingeschränkt gegeben." (S. 11f.) 

Abschied von ehemals bewährten Wegen 

Die traditionellen Wege des Hineinwachsens in den Glauben, die bisher neben der Schule vor allem mit der Sakramenten-Vorbereitung verbunden waren, haben über Jahr hunderte viele gute Früchte gebracht. Begünstigt wurde dies durch die vielfältigen Verflechtungen von Kirche und Gesellschaft. Es war lange Zeit selbstverständlich, Christ zu sein. Das aber ist heute nicht mehr der Fall. Und ähnlich wie der Deutschunterricht überfordert ist, wenn er den Kindern, die eigentlich lesen und schreiben lernen sollen, erst die deutsche Sprache beibringen muss, ist es auch bei der Sakramentenkatechese. Durch den Ausfall des familiär getragenen Glaubens und der anderen gesellschaftlichen Stützen fehlen der Kommunion- und Firmkatechese meist jene religiösen Grundlagen, welche die Sakramentenvorbereitung eigentlich voraussetzt. Bei allem Schmerz öffnet diese Entwicklung aber neu die Augen für das, was in der langen Phase „christentümlicher Gesellschaft" aus dem Blick geraten war: dass man Christ nicht von Geburt an ist, sondern wird (s. KvZ, S. 14). Der Glaube ist kein Erbe, das automatisch weitergegeben wird. 

Vom Erbe zum Angebot 

Ja, der christliche Glaube besitzt heute keine weltanschaulich-religiöse Meinungsführerschaft (mehr). Bereits deshalb mutierte er vom Erbe zum Angebot. Doch sind wir kirchlicherseits auf diese Situation kaum vorbereitet. Manche versuchen, die eingetretene Entwicklung mit aller Macht aufzuhalten. Ein nicht nur fragwürdiges, sondern meist auch vergebliches Unterfangen. Druck bewirkt eher das Gegenteil. Aber es gibt auch ermutigende Erfahrungen. Neben der Reaktion der Katecheten bei der Kinderkatechese zeigen zum Beispiel „Exerzitien im Alltag", dass es im Kreis der regelmäßigen Kirchgänger durchaus theologisch-spirituellen Bedarf gibt. Nicht wenige in der Kirche suchen „mehr", und nicht wenige am Rand der Kirche suchen und fragen neu nach den Antworten des Glaubens. Die Kontakt- und Berührungspunkte zwischen diesem Suchen der Menschen und dem Angebot des Glaubens haben sich freilich gewandelt: „Wenn der Glaube kaum noch durch gesellschaftliche Sozialisationsträger vermittelt wird, wird das missionarische Zeugnis glaubwürdiger Christen um so bedeutender" (KvZ, S. 13). 

Erwachsene neu im Blick 

So kamen Erwachsene als „Adressaten" kirchlicher Katechese vermehrt ins Blickfeld. Und an die Seite der Katechese für Kinder und Jugendliche traten zunehmend auch grundlegende katechetische Angebote für Erwachsene. Die Gründe dafür sind vielfältig: 

  • Wenn die Sakramentenvorbereitung eher nicht zu einer nachhaltigen geistlichen Beheimatung in der Kirche führt, brauchen auch jene, die sich der Kirche verbunden wissen, Unterstützung, damit ihr Glaube den Kinderschuhen entwachsen kann. Auch Erwachsene benötigen eine - natürlich ihnen gemäße - Hinführung zum persönlichen Gebet, zu einer lebendigen Feier der Sakramente, zu einem persönlichen und gemeinschaftlichen Umgang mit der Bibel und zu einem ihrem Leben und ihren Erfahrungen entsprechenden Vertrauen auf Gott.
  • Erwachsene ausdrücklich anzusprechen ist all dem voraus auch ein anthropologisches Gebot. Wenn zum Menschen wesentlich die Freiheit gehört, können Tradition und Sozialisation allein nie genügen, um die persönliche Aneignung des Glaubens zu initiieren. Freiheit bedeutet ja nicht nur und nicht zuerst Wahlfreiheit, sondern dem voraus Stellungnahme zu den Grundgegebenheiten des Lebens und damit auch zur Frage nach Gott. Für den religiösen Vollzug beinhaltet dies unter anderem, sich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich auf Gottes Heilsangebot einzulassen. Freiheit bleibt nicht in unverbindlicher Schwebe, sondern ist ausgerichtet auf persönliche Entscheidung. Um sich aber wirklich entscheiden zu können, muss der Mensch zunächst Den kennen lernen, auf den er sich im Glauben vertrauend einlassen will beziehungsweise soll. Er braucht Erfahrungsräume, die ihn als Erwachsenen ansprechen und ihm Inspiration, Information, Einübung und Vertrautheit mit dem Gott Jesu Christi vermitteln. Natürlich ist es gut, wenn es solche Erfahrungen bereits in der Kindheit gibt. Sie können manches erleichtern, aber sie genügen nicht. Auch Jesus hat Seine Botschaft vornehmlich an Erwachsene gerichtet, sie in ihrer Freiheit angesprochen und ihre eigene Glaubensentscheidung gefördert und gefordert. Er nahm die Kinder ernst, aber es ist von ihm keine Kinderkatechese überliefert.
  • Das entspricht ganz der pädagogischen Erfahrung, dass für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen vor allem erwachsene Vorbilder wichtig sind. Erwachsene führen die Kinder in das Leben ein und nicht umgekehrt. Die Fragen der Kinder oder deren Vorbereitung auf die Sakramente können für Erwachsene ein Anstoß sein, sich neu und intensiver mit dem eigenen Glauben zu befassen. Die dazu notwendige Hilfe erhalten Erwachsene aber nicht durch Kinder, sondern durch andere Erwachsene. Und diese Hilfe darf auch nicht auf die Eltern-Rolle der Erwachsenen ausgerichtet sein. Nicht nur im Blick auf die vielen kinderlos Gebliebenen ist es wichtig, Erwachsene in puncto Glaube als sie selbst und nicht primär als Eltern anzusprechen. Eltern können nur in dem Maß Vorbild und Wegbegleiter sein, wie sie sich selbst auf den Glauben einlassen. Kinder spüren, ob die Eltern selbst beten oder nur ihretwegen mit ihnen ein Gebet sprechen.
  • Die steigende Zahl erwachsener Taufbewerber, die große Zahl Ungetaufter und die beachtliche Menge kirchlich nicht Sozialisierter lässt vermuten, dass in Zukunft vermehrt Menschen nach dem Glauben fragen werden. Bischof Wanke schrieb dazu in „Zeit zur Aussaat": „Ich habe die Vision einer Kirche in Deutschland, die sich darauf einstellt, wieder neue Christen willkommen zu heißen. ... Es wird in Zukunft Frauen und Männer geben, die - obwohl getauft, aber später nicht voll in die Kirche eingegliedert - das Verlangen haben, als Erwachsene diese ‚Einführung in das Christ-Sein' nachzuholen. Es gibt nicht nur Menschen, die die Kirche ... verlassen. Es gibt zunehmend auch Zeitgenossen, die nach dem ‚Eingang' fragen ... Es wird wichtiger werden als bisher, wie sie dort empfangen werden." (S. 36)
  • Bereits das Konzil hatte mit der Neuordnung der Kindertaufe und der Wiederentdeckung des Katechumenats wichtige Weichenstellungen vorgenommen. So werden die Täuflinge nicht mehr in einem fiktiven Gespräch nach ihrem Glauben gefragt und dieser dann von den Paten stellvertretend für das noch unmündige Kind bekannt. Seit längerem bekennen die Erwachsenen ihren eigenen Glauben - und die Taufe erfolgt dann aufgrund der bekundeten Bereitschaft, die Kinder in den zuvor bekannten Glauben einzuführen. Das ist nicht nur eine Neuformulierung der liturgischen Texte, sondern ein Perspektivwechsel: Ebenso wie bei der Wiederbelebung des Erwachsenenkatechumenats kommt auch bei der Kindertaufe deutlicher zum Ausdruck, dass man nicht automatisch Christ ist, sondern sich je persönlich für den Glauben entscheidet.

Das erwachsene JA zur Taufe 

Wenn der mit der Taufe untrennbar verbundene Glaube von den Kindern noch nicht bekannt werden kann, dann ist das Taufbekenntnis später einzubringen. Benedikt XVI. sagte dazu im Januar 2006 anlässlich einer Kindertaufe: „Die Taufe von Kindern ist Ausdruck und Verwirklichung des Geheimnisses der Wiedergeburt zum göttlichen Leben in Christus: ... Das Geschenk, das die Neugeborenen empfangen haben, soll von ihnen, wenn sie erwachsen geworden sind, auf freie und verantwortliche Weise angenommen werden: Dieser Reifungsprozess wird sie dann dazu führen, das Sakrament der Firmung zu empfangen, das ihre Taufe festigt und jedem von ihnen das ‚Siegel' des Heiligen Geistes aufprägt." 

Zweifellos kann ein Kind aus vollem Herzen sein JA zum Glauben sprechen - aber dies ist und bleibt das JA eines Kindes. Aussagen wie „ich heirate mal den Peter" oder „ich werde Pfarrer" bekommen ein ganz anderes Gewicht, wenn sie nicht von Kindern, sondern von Erwachsenen gemacht werden. Und ebenso wie das JA der Ehepartner basiert auch das JA des Glaubens auf einer persönlichen Beziehung. Es ist Antwort auf Gottes persönliches JA zu jedem Menschen. Für einen in christlicher Umgebung aufgewachsenen Menschen genügt es deshalb auch nicht, in Sachen Glauben aus den Konserven der Kindheit zu leben. Auch christlich aufgewachsene Erwachsene brauchen Unterstützung und Hilfe, brauchen Räume und Zeiten, die den Boden dafür bereiten, dass sie die Botschaft des Glaubens und Gottes persönliche Zuwendung mitten ins Herz trifft - so wie dies einst die Vielen an Pfingsten erlebten. 

Christliche Initiation - Konversion - Mission 

Auch heute machen Erwachsene diese lebensverändernde („Umkehr"-) Erfahrung, zum Beispiel im Katechumenat, bei Glaubenskursen und in vielen anderen Situationen. In einer durch und durch christlich geprägten Gesellschaft ist man in Gefahr, zu vergessen, dass diese Initiations-Erfahrung keineswegs eine exotische Randerscheinung oder Ausnahme darstellt, sondern die christliche Grund-Erfahrung ist. Das allgemeine Direktorium für Katechese sagt deshalb: „Der christliche Glaube ist vor allem Konversion zu Jesus Christus, volle, aufrichtige Bindung an seine Person und die Entscheidung, in seiner Nachfolge zu leben. Der Glaube ist eine persönliche Begegnung mit Jesus Christus, in der man sein Jünger wird." (AKD 53) 

Und wenn im Schreiben der Bischöfe das Erwachsenenkatechumenat als Inspiration und Richtschnur für die Katechese aller Lebensalter bezeichnet wird, heißt dies doch, dass die im Katechumenat erfolgende Einführung Erwachsener in einen lebendigen christlichen Glauben eigentlich das (Mindest-)Anforderungsprofil für das Christsein benennt. - Menschen, die in der „normalen" Gemeinde leben und dieses „Mehr" suchen, sollten nicht leichtfertig als „elitär" etikettiert werden. 

Dies hat Folgen: Wer den Schatz des Glaubens (neu) entdeckt hat, möchte diese Erfahrung auch anderen zuteil werden lassen. Missionarisch sein lässt sich nicht verordnen. Wer aber ins Herz getroffen wurde und daraus Konsequenzen zieht, wird auch zum Zeugen. 

Natürlich kann man diese Erfahrung nicht „machen". Von Gott her kann sie auf vielerlei Weise geschehen. Doch entbindet uns dies nicht von der Frage, ob und wie sehr unsere Pastoral darauf ausgerichtet ist, Erwachsene „ins Herz zu treffen". Und wenn man sich bewusst macht, wie stark der Glaube von Kindern und Jugendlichen davon abhängt, ob sie erwachsene Vorbilder und Lebensbegleiter in ihrer Nähe hatten, wird schnell klar, dass auch im Blick auf die jungen Menschen Erwachsenenkatechese Not tut. 

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