Rezensionen: Geschichte & Biografie

Bähr, Andreas: Athanasius Kircher. Ein Leben für die Entzifferung der Welt.
Berlin: Klaus Wagenbach 2023. 224 S. Kt. 24,–.

Im Epilog des lesenswerten Buches über Athanasius Kircher (1602-1680) wird anschaulich, wie schwer es ist, sich ein Bild von dem Jesuiten zu machen, der zeitlebens als Universalgelehrter galt. Was anhand zweier Bildportraits konkret wird, ist in den vorausgegangenen Kapiteln grundgelegt worden. Man kann sich Kircher und seiner Zeit zwar nähern, nicht aber ohne sich umso stärker der Distanz zu unserer Gegenwart bewusst zu werden. Gerade hierin liegt eine wichtige Pointe, auf die Andreas Bähr schon durch den Aufbau der Kapitel zielt. Der Autor will nämlich keine klassische Biografie schreiben, sondern vielmehr erzählt er von „Lebens-Geschichten, die nach zentralen Begrifflichkeiten geordnet und durch Querverweise miteinander verknüpft sind – ähnlich einer Enzyklopädie.“ (18)

So gelingt es, punktuelle Einblicke in das breitgefächerte Werk Kirchers zu erhalten. Dieser ließ in seinen 36 zu Lebzeiten publizierten Büchern kaum eines der zeitgenössischen Wissensfelder aus: „Optik und Akustik, Musiktheorie und Magnetismus, Astronomie und Geokosmologie sowie Kulturen des ‚Orients‘, vor allem Ägyptens und Chinas, stellten dabei nur Schwerpunkte dar. Schriften zur politischen Theorie, zur Natur und Geschichte Latiums, zu den Erzählungen des Alten Testaments (Arche Noah, Turmbau zu Babel) und sogar zur Medizin kamen hinzu“ (10). Auch aufgrund dieser Vielschichtigkeit war Kircher einflussreich.

Hinzu kam ein großes Netzwerk, das Kircher auch über Konfessionsgrenzen hinweg unterhielt. Diese Kontakte trugen entscheidend zur Möglichkeit des Aufbaus eines eigenen Museums bei, das, im Collegio Romano untergebracht, zu einer Sehenswürdigkeit ganz eigener Art wurde und zur Berühmtheit des Paters beitrug. Wie sein gesamtes Œuvre kann auch das Museum zunächst wie eine Ansammlung von Kuriositäten erscheinen, doch Bähr gelingt es gerade durch die punktuelle Schwerpunktsetzung, Verbindungen aufzuzeigen und deutlich zu machen, wie Kircher „Wissenschaft und jesuitische Religiosität unauflöslich verband“ (10).

Wie die Frömmigkeit das Selbstverständnis Kirchers, aber auch seine Weltsicht prägte, ist ein Leitmotiv, das in nahezu allen seinen Interessensgebieten einen Niederschlag findet. Zum Verständnis von „Waffen“ kann daher ebenso eine „geistliche Armierung“ (24) zählen wie Überlegungen zu „pyrotechnisch aufgerüstete[n] Flugdrachen“ (32). Und selbst anhand von „Schokolade“ ist die Vielschichtigkeit des jesuitischen Vorgehens abzulesen. Auch die Jesuiten waren, obwohl sie an anderen Stellen Indigene vor Kolonialmächten in Schutz nahmen, in die Sklaverei verstrickt und unterhielten mit der Schokolade aus Mexiko ein komplexes „Tauschgeschäft mit produktiver Dynamik, einen transatlantischen Kreislauf von körperlichem und geistigem Genuss“ (140).

Kircher war in seine Zeit eingebunden und durch deren religiösen Logik geprägt. Dazu gehörte auch, dass er auf „Masken“ zurückgriff und diese für seine Zwecke nutzte. Dieser Umstand führt dazu, dass Kircher zwar als Akteur deutlicher wird, seine Persönlichkeit zugleich aber vage bleibt. Weder Kircher noch seine Zeit sind uns heute unmittelbar zugänglich, doch diese Differenz zu heben und sie besser verständlich zu machen, ist ein entscheidender Verdienst Bährs.

Jörg Nies SJ

Nerdinger, Winfried: Architektur in Deutschland im 20. Jahrhundert. Geschichte, Gesellschaft, Funktionen (Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung).
München: C.H.Beck 2023. 816 S. Gb. 49,90.

Wer unter „Architektur“ eine Kunstgattung versteht und also in diesem Buch kunsthistorische Erörterungen erwartet, die künstlerisch wegweisende Gebäude darstellen und würdigen, wird enttäuscht sein. Winfried Nerdinger erzählt vielmehr eine Geschichte des Bauens, vor allem unter soziologischer und politischer, auch wirtschaftlicher und ideengeschichtlicher Perspektive. Der Jugendstil etwa habe sich gegen den vor allem wilhelminischen Historismus gewandt – als grandiose künstlerische Innovation kommt er kaum vor. Das Bauhaus war von den Niederlanden beeinflusst und wollte vor allem „modern“ sein, es war als soziales Modell und als Werkstätte innovativ – aber seine künstlerisch prägende Kraft wird nicht weiter dargestellt. Überhaupt scheint der Autor des monumentalen Werkes solche Strömungen nicht besonders zu mögen, aber ebenso wenig mag er alles historistische und traditionelle Bauen. Kritisch ist er gegen fast alles, was seine Kollegen in 100 Jahren Baugeschichte – die dargestellte Epoche reicht von 1890 bis 1990 – gemacht haben; auch architekturgeschichtlich profilierte Professorenkollegen werden gerne mal abgebürstet. Die kleinen, dunkelgrauen Abbildungen des Buches tragen ebenfalls kaum dazu bei, die Leserschaft für architektonische Kunst zu begeistern.

Nun aber das Positive: Als Sozial- und Kulturgeschichte des Bauens und der Bauwirtschaft enthält das Buch eine umfassende Materialfülle, und es liest sich spannend und ist äußerst lehrreich: im Kaiserreich die Verstrickung der Architektenschaft in die Preußenherrschaft und in nationale Ideologie; im Ersten Weltkrieg die Einbindung in die Kriegswirtschaft; in der Weimarer Republik dann gegen die „internationale Vaterlandslosigkeit“ der „modernen“ Architektur eine solche in „deutscher Gesinnung“, durchaus mit antisemitischen Tönen. Stark die Darstellung der NS-Zeit: „Dem von Hitler vorgezeichneten Ziel einer ‚Wehrhaftmachung der Nation‘ und einer kriegsbereiten ‚Volksgemeinschaft‘ wurde in der Folge mit Terror und einer Serie brachial umgesetzter Verordnungen und Gesetze der Weg gebahnt. In diesen Prozess einer totalen Umgestaltung Deutschlands waren Bauwirtschaft und Bauwesen vollständig eingebunden und spielten eine zentrale Rolle im Rahmen einer auf Rüstung, Krieg und Germanisierung ausgerichteten ‚Kriegswirtschaft im Frieden‘“. „Architektur und Städtebau… dienten auch… dazu, als ‚Identifikationsobjekte‘ die ‚rassistische Volksgemeinschaft‘ und deren Nationalstolz und somit das NS-System zu stabilisieren“ (280). Die NS-Ideologie sollte Ausdruck finden in repräsentativen Bauten – die Architektenschaft ließ sich in alles willig einspannen. Hitler gab als „Baumeister des Reiches“ direkte detaillierte Anweisungen zu Bauplänen, die minutiös und unterwürfig umgesetzt wurden.

Für die Nachkriegszeit zeigt Nerdinger viele NS-Architekten als Wendehälse, und er geißelt die brutale Zerstörung historischer Bausubstanz zugunsten der „autogerechten“ Stadt. Der Brutalismus wird kritisch gesehen, nur einige knapp erwähnte Sakralbauten hätten ästhetisch Gutes hervorgebracht. Gegen den Formalismus der Moderne bringt die Postmoderne wieder Dekoration und Zeichen ein. Der sozialistische Bau der DDR wird deutlich gegen den individuell-kapitalistischen Bau der BRD abgesetzt. Seit den 1970er-Jahren gewann der Denkmalschutz Einfluss gegen die Zerstörungen, aber getragen vor allem von Bürgerbewegungen, oft gegen die Architektenzunft. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands und einem kurzen Ausblick auf die Zeit danach endet das Buch.

Stefan Kiechle SJ

Frie, Ewald: Ein Hof und elf Geschwister. Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben.
München: C.H. Beck 2023. 191 S. Gb. 23,–.

Der Autor, Professor für neuere Geschichte an der Universität Tübingen, ist das neunte Kind einer Bauernfamilie mit elf Kindern aus dem Münsterland. Er hat mit seinen zehn Geschwistern, die zwischen 1944 und 1969 geboren wurden, Interviews geführt. Auf dieser Basis, angereichert durch seine sozialgeschichtliche Fachexpertise, beschreibt er den exemplarischen Kultur- und Wertewandel der bäuerlich-katholischen Welt in der Nachkriegszeit bis in die jüngere Gegenwart hinein. Beginnend mit der „verschwiegenen Zeit“ (162) des Nationalsozialismus blickt er zunächst zurück in die Welt der Rinderzüchter der 1950er-Jahre, zu der sein Vater und auch noch seine vier älteren Geschwister gehörten, trotz des allmählichen Wechsels des ältesten Sohnes zur industriellen Schweinezucht.

Es folgt die Welt des Reformkatholizismus in den 1960er-Jahren: „Meine Mutter schuf sich hier ihren Raum. Er war der bäuerlichen Welt noch verbunden, richtete sich aber auf die Gemeinde und das Dorf aus. Über den Reformkatholizismus und die Sichtbarkeit unserer Mutter integrierten sich die mittleren und jüngeren Kinder in die Welt des Dorfes und der Kleinstadt“ (164). Die Entwicklung hängt eng mit dem Zweiten Vatikanum zusammen: „Für die Bistumsstrategen war die Veränderung der Familienreligiosität nur Teil der Umgestaltung der christlichen Gemeinschaft im Ganzen … Christen sollten befähigt werden, sich in eigener Verantwortung der Christengemeinschaft anzuschließen und hier eine Aufgabe zu übernehmen“ (104). In den 1980er-Jahren zeichnete sich dann die Welt der Jugendkulturen ab. Die Universitätsstadt Münster rückt immer näher. Der Bildungswunsch der Mutter sowie das Bafög – es beendet die Zeit der Knappheit, schafft die Grundlage für die freie Berufswahl und es diszipliniert, vgl. 153 ff. – öffnen den Jüngeren Wege in den boomenden Dienstleistungssektor und in die Lehrberufe.

Während die vier älteren Geschwister zu einer „Last Generation“ des bäuerlichen Lebens gehören, bilden die Jüngeren unter soziologischer Rücksicht eine „First Generation“. In den einzelnen Interviews wird deutlich, dass die Geschwister ihre Welt, die sie ja doch irgendwie gemeinsam bewohnten, im Rückblick bereits untereinander sehr unterschiedlich wahrgenommen haben – ein Symptom für die Schnelligkeit des Wandels. Aber auch diese „First Generation“ ist inzwischen ergraut. Mit dem Autor sitzt man am Ende des Buches im katholischen Gottesdienst der Universitätsstadt Tübingen – wo man inzwischen zu den „Jüngeren“ gehört – und schaut staunend auf den zurückliegenden Wandel. Er verlief rasant und still zugleich. Der Autor schildert ihn ohne Nostalgie, zugleich mit Sympathie, und nicht zuletzt mit souveräner Fachexpertise, die das Buch weit über ein privates Familienportrait erhebt. Man ahnt am Ende der Lektüre, dass der Wandel ebenso schnell weitergeht – und ebenso still. Und eines Tages wird dann der nächste staunende Blick zurück dran sein. „Wir alle reisen in neue Zukünfte. Aber die Vergangenheit wird uns begleiten“ (169).

Klaus Mertes SJ

Petuchowski, Elizabeth: Where From and Where To. One of the Last Self-Told German Jewish Life Stories.
Bloomington, IN: Archway Publishing 2022. Gb. 576 S.

Die promovierte Germanistin Elizabeth Petuchowski ist eine der letzten Zeitzeuginnen des Holocausts. Heute lebt sie im amerikanischen Ohio, geboren wurde sie vor fast 100 Jahren im November 1924 in Bochum. Petuchowski ist eine ausgewiesene Expertin im Bereich jüdisch-deutscher Literatur und hat kürzlich dieses umfangreiche Buch auf Englisch vorgelegt, das leider noch nicht übersetzt ist. Es ist autobiografisches Zeitdokument einer selbstbewusst reflektierten und emanzipierten jüdischen Frau an der Seite eines Gelehrten (ihres Mannes Jakob J. Petuchowski) und ein Buch, das auch ein authentisches Bild jüdischen Lebens in der Vor- und Nach-Holocaust-Zeit zeichnet.

Die Autorin revidiert das Klischee eines singulär völlig assimilierten deutschen Judentums. Sie erzählt von ihrer eigenen – ebenso selbstverständlich deutschen wie selbstverständlich jüdischen – Familie im Ruhrgebietsmilieu Bochums oder vom eher ländlichen hessischen Bad Camberg, wo die Verwandtschaft der Mutter ein sehr orthodoxes Leben in einer christlich geprägten Umgebung führte. Sie berichtet auch davon, wie diese Herkunft, wie die Erfahrungen im Nazideutschland, in England während des Zweiten Weltkriegs und später in den USA ihr Leben und ihr Jüdischsein bestimmt und geformt haben. Bei und neben all dem ist es auch ein Buch über eine letztlich spirituelle existentielle Erfahrung – schon der Titel mit seiner Frage nach dem „Woher und Wohin“ eines jüdischen Lebens deutet das an. Über unvorstellbar glückliche Umstände in Zeiten, in denen es um Leben und Tod ging, spricht sie ebenso wie über unglaublich gute Erfahrungen auch in Zeiten, die von Gefahren und unsäglichem Leid geprägt waren.

Elizabeth Petuchowskis Buch gibt auch Zeugnis vom Überleben dieses Judentums im genauen und empathischen Blick auf Überlebende: dargestellt auch an Biografien geflüchteter Zeitgenossen v.a. aus dem theologischen und intellektuellen Milieu, aber auch durch den Einblick in das eigene Schicksal und Erleben. Der erzählte Lebensweg führt von Bochum zur Flucht und zum Studium nach England und schließlich nach Amerika, wo das HUC (Hebrew Union College) Ort eines verheißungsvollen Neuaufbruchs und zum Lebensmittelpunkt wird – und von dort aus in die Welt, nach Jerusalem etwa, aber auch immer wieder zurück nach Deutschland. „Unwirklich und doch real“: Subkutan ist die Realität, die die junge Elizabeth erlebte, für die Autorin von „Where from and where to“ immer präsent, etwa in den 1970er-Jahren, als das ehemalige Wohnhaus ihrer Großmutter mütterlicherseits in Camberg abgerissen wird, um einem Neubau zu weichen – und die auswärtigen Bauarbeiter im Keller nach von den früheren jüdischen Bewohnern versteckten vermuteten jüdischen Geldschätzen buddeln.

Jakob Petuchowski, mit einem Kindertransport nach England gerettet, dessen Mutter im KZ ermordet wurde, hat später an das „andere Deutschland“ geglaubt. Zahlreiche Freundschaften haben ihn in diesem Glauben gestärkt, auch wenn er davon überzeugt war, dass seine Art des Judeseins in diesem Land keine Zukunft hatte und nur noch in der Erinnerung existierte. Der Dialog und eine auf religiöser Basis beruhende Versöhnung waren ihm aber Motiv des Theologietreibens mit Christen auch hierzulande. Seine Frau ist skeptischer. Als sie in den 1980er-Jahren eine touristische Visite an den Schaffhausener Rheinfall machen und sie lauthals hinter ihrem Rücken in bayerischem Dialekt Antisemitisches heraushört: „so was hoam mer ja long nit geseng“ – flüchtet sie Hals über Kopf (532 f.).

Elizabeth konnte sich mit ihren Eltern nach England retten. Der Großteil ihrer Familie kommt in den Lagern um. In England beschäftigt sie sich im Studium mit deutscher Literatur, deutscher Kultur. Hier im Exil, berührenderweise beim „innigen Singen“ deutscher Weihnachtslieder (221), trifft sie einen aus ihrer Sicht liberalen Juden aus Berlin, den Theologiestudenten Jakob. Er unterrichtet sie in Hebräisch. Sie bringt ihm Tanzen bei. Gemeinsam lernen sie, aufgeschlossen für und neugierig auf andere Formen jüdischer Frömmigkeit, schon in London eine vielfältige und reiche Welt jüdischer Denominationen kennen, oft genug geprägt von Rabbinergestalten, die aus Deutschland stammen: der bekannteste von ihnen Leo Baeck (255). Beeindruckend auch die Profile hochkarätiger meist theologischer Intellektueller deutscher Herkunft, von dem in Südhessen geborenen Religionsphilosophen Fritz Rothschild bis zu dem aus Rheda stammenden Sprachwissenschaftler Werner Weinberg.

Ein sehr kultiviertes und detailgenaues Buch, das, so gelassen es erzählt ist, beim deutschen Leser nicht nur eine Erinnerung wachhält, sondern auch Trauer hinterlässt:

Auch und gerade in der religiösen Situation unseres Landes fehlen diese hellen, gebildeten theologischen Geister der so vielfältigen, lebendigen jüdischen Tradition. In Amerika ist das deutsche Judentum („Wie guter Wein reist es nicht gerne“, sagt J. Petuchowski, vgl. 415) nicht dauerhaft angekommen, hierzulande fehlt es schmerzlich.

                Rudolf Walter

Sobel, Alfred: Konvertiten: Katholisch geworden. 13 Portraits.
Ostfildern: Patmos 2024. 201 S. Gb. 24,–.

Konvertiten faszinieren. Immer wieder liest man gerne und fast mit etwas Grusel, auf welch spannenden und bisweilen bizarren Wegen sie zum katholischen Glauben fanden und diesen dann eifrig lebten. Vielleicht sind sie gerufen, andere brave Katholiken, die schon immer und ein wenig fade katholisch waren, aufzuwecken. Konvertiten haben auch etwas Widerständiges, weil sie ihren Weg meist gegen den Mainstream, manchmal auch gegen den Widerstand der Kirche, erkämpften. Oft erscheinen sie für die Immer-schon-Katholiken ein wenig arg überzeugt, auch theologisch eng, zu sehr auf Rituale und Sakramente, auf das Mystische oder Mysteriöse fixiert – aber wer darf das beurteilen? Die blasseren und oft zweifelnden, eher rationalen und liberalen Katholiken haben zu lernen von den oft farbigen Konvertiten. Beide Zugänge sollte sich in der Weite der katholischen Kirche ergänzen und befruchten.

Sobels Buch, eines von zahlreichen zur Thematik, stellt dreizehn sehr unterschiedliche Konvertiten vor. Um einige zu nennen: Das Ehepaar Hugo Ball und Emmy Hennings waren die Begründer des Dadaismus; Hennings fand aus einem anrüchigen Lebenswandel zum Katholizismus und zog langsam auch ihren freigeistigen Mann zum Glauben. Katharina Kasper kam aus der bitteren Armut des Westerwalds und wurde zur charismatischen Ordensgründerin. Max Thurian war reformierter Pfarrer, dann ein gleichsam bi-konfessioneller Mönch in Taizé, der sich später zum katholischen Priester weihen ließ. Elisabeth Gnauck-Kühne war Sozialpolitikerin und Mitgründerin der katholischen Frauenbewegung. Justo Gallego Martínez, ein Arbeiter bei Madrid, baute sechzig Jahre lang in Handarbeit eine Kirche zur Ehre Gottes. Ernst Jünger, umstrittener Schriftsteller, konvertierte zur großen Überraschung seiner Umgebung mit 101 Jahren. Antoni Gaudí, liberaler Architekt in Barcelona, kam über den Bau der Kathedrale Sagrada Familia zum katholischen Glauben. Die Schwedin Karin Öberg ist in Harvard Professorin für Astronomie und verbindet Naturwissenschaft und Glaube in besonderer Weise.

Sobels Buch ist für ein breites Publikum geschrieben und leicht lesbar. In der knappen Form kann es der Komplexität der biografischen und geistigen Welten der derizehn Persönlichkeiten selbstverständlich nur bedingt gerecht werden. Eine gewisse Sympathie des Autors gegenüber den eher traditionellen Ausprägungen des Konvertiten-Katholizismus bleibt nicht verborgen. Als erste Einführung in eine spannende und faszinierende katholische Kultur ist das Buch empfehlenswert.

                Stefan Kiechle SJ

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