Die Wochensprüche im Juni 2024

2. Juni 2024
1. Sonntag nach Trinitatis

Christus spricht: Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.

Lukas 10,16

In Zeiten von Hass und Häme kann ich diese Zusage nicht lesen, ohne an den Worten „verachtet“ hängen zu bleiben. Verachtung ist nicht einfach Kritik, oder die Äußerung einer gegenteiligen Meinung. Verachtung wendet sich gegen eine Person. Sie versagt dem Gegenüber jede Art von Respekt. Sie stellt in Abrede, dass es etwas Verbindendes zu der Person gibt, die man angreift. Wo Verachtung im Spiel ist, steht die Menschlichkeit in Frage. Sie vergiftet das Miteinander, zerstört Vertrauen und beschädigt die Gemeinschaft. Wo Respektlosigkeit um sich greift, die dem anderen seine Würde nimmt, ist der Schritt zu Gewalt nicht weit. Der Evangelist Lukas rechnet mit der Möglichkeit, dass man auch Menschen der Nachfolge mit Verachtung begegnet. Dies scheint unmittelbar mit dem Auftrag verbunden zu sein, zu dem Christus die Jünger beruft. Es wäre unzutreffend, zu meinen, dass der Widerstand, den sie dabei erleben im Sinne von Christenverfolgung, sich nur auf Glaubensthemen im engeren Sinn bezieht. Vielmehr steht das auf dem Spiel, was Christus in seiner Verkündigung und durch seine Botschaft verkörpert. Es deckt auch das ab, was sich gerade im politischen Diskurs in unserer Gesellschaft ereignet. Es meint die Dissidenten in den totalitären Staaten, wie Nawalny und die unzähligen anderen. Doch die andere Seite gilt genauso. Wer euch hört, hört mich. Es ist der Auftrag der Nachfolgerinnen und Nachfolger, für Humanität, Freiheit und Versöhnung in der Welt einzutreten. Christus ist seinen Weg gegangen und er hat ihn in die Passion geführt und ans Kreuz gebracht. Er geht diesen Weg mit allen, die Anfeindung und Verfolgung aufgrund ihrer Überzeugungen ausgesetzt sind. Gerade deshalb sind wir dazu ermutigt, gerade dann im Bemühen um Respekt und Mitmenschlichkeit nicht nachzulassen, wenn Hetze und Häme den Umgangston bestimmen.

9. Juni 2024
2. Sonntag nach Trinitatis

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig beladen seid; ich will euch erquicken.

Matthäus 11,28

Es vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht irgendwo zu lesen bekommt, was man für das eigenen Wohlbefinden tun kann, wie man leistungsfähiger, belastbarer, glücklicher wird. Man wird angeleitet und aufgefordert, wie man beruflich erfolgreich sein und gleichzeitig dafür sorgen kann, dass der Spaß am Leben nicht zu kurz kommt. Doch all diese durchaus angestrengten Bemühungen bewirken meist nicht das, was sie versprechen. Nicht wenigen wird dies alles zu viel. Trotz aller wunderbaren Ratschläge und Empfehlungen brennen sie aus oder fallen in eine Depression. Da tut es gut, wenn jemand einen anderen Ton anschlägt. Nicht die strahlenden Menschen werden hier angesprochen, sondern genau die, denen es zu viel geworden ist. Der Kabarettist Thorsten Sträter ist ein Meister darin, von den Misslichkeiten des Lebens so zu erzählen, dass es einem ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Eine seiner Empfehlungen lautet: „Sieh es ein, manches Mal ist das Leben einfach Sch …“ Das klingt drastisch, ist aber in jedem Fall entlastender, als zu meinen, sich mit irgendwelcher Seelengymnastik ein Wohlgefühl erzeugen zu können. Wenn Jesus die Mühseligen und Beladenen einlädt, ist das keine Wellnessstrategie. Vielmehr erzählt es davon, dass ich für mich einen Platz gibt, an den ich hingehen kann, wenn mir die Puste ausgeht ich nicht mehr weiter weiß. . Da darf ich mich platt fühlen und wenn es mir danach zu Mute ist, darf ich mich auch ausheulen. (Interessante Beobachtungen: Mein Rechtschreibprogramm kennt das Wort nicht. Die Onlinedefinition charakterisiert „ausheulen“ als „umgangssprachlich, abwertend“.) Der Heilandsruf, mit dem wir es hier zu tun haben, bietet also ein echtes Kontrastprogramm zu gängigen Vorstellungen. Ich stelle mir vor, dass unsere ehrwürdigen Kirchengebäude offene Räume sind, die man aufsuchen kann, wenn man verzweifelt ist.

16. Juni 2024
3. Sonntag nach Trinitatis

Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, verloren ist.

Lukas 19,10

Jeden Sonntag treffen sich an vielen Orten auf der Welt Menschen zu einer besonderen Form von Gemeinschaft. Diese Menschen haben sonst wenig oder nichts miteinander zu tun. Nur manche kennen sich persönlich aus dem Alltag. Sie vollziehen miteinander eine Symbolhandlung. Sie feiern Eucharistie bzw. Abendmahl. In dem Augenblick, in dem sie die Hostie oder im anderen Fall Brot und Wein empfangen gehören sie dazu. Sie gehören zu einer Gemeinschaft mit anderen, aber in dieser Feier symbolisiert sich auch ihre Zugehörigkeit zu Christus selbst. „Er lädt uns an seinen Tisch.“ So heißt es in mancher Gottesdienstordnung. Es ist eine Feier des Dazugehörens. Auch wenn dies nicht immer bewusst ist, es ist ein dauerhaftest Statement gegen jede Form von Ausgrenzung und Zurückweisung. Zur Zeit Jesu gab es offensichtlich eine Debatte, wer einmal dazugehören wird und wer nicht. Die „Verlorenen“ waren die, von denen klar war, dass sie nicht dabei sein würden. Und weil man sich darin recht sicher war, mied man diese Menschengruppen, wo man nur konnte. Dagegen begehrt Jesus in seiner Verkündigung mit seinem Verhalten auf. An den Tisch kommen die, mit denen keiner gerechnet hat, und die es selbst nicht glauben können. Draußen aber bleiben solche, die sich sicher waren dabei zu sein. Soweit so schön. Das ist wohl für bibeltreue Menschen nichts Neues. Aber was bedeutet dies in der Konsequenz für das Selbstverständnis der christlichen Gemeinde? Das sonntägliche Miteinander erscheint mit einem Mal in einem völlig anderen Licht. Die Gemeinschaft der Gäste am Tisch des Herrn, meint die Ausgegrenzten und Abgeschriebenen. Wer zum Abendmahl kommt reiht sich sein in diese Art der Gemeinschaft und wird selbst ein Teil von ihr. Anders würde die Sache mit Jesus wohl keinen Sinn machen.

23. Juni 2024
4. Sonntag nach Trinitatis

Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.

Galater 6,2

Der Galaterbrief ist eine Kampfschrift des Apostels Paulus und eine Proklamation christlicher Freiheit. Umso erstaunlicher ist es, dass er an dieser Stelle von einem „Gesetz“ spricht. Betont er doch sonst mit großem Nachdruck, dass das Gesetz seine Macht über die Glaubenden verloren hat. Wovon redet er also hier? Er redet von einer besonderen Art des Miteinanders. Dieses Miteinander ist getragen von einer bestimmten Haltung. Was hilft es denn, wenn zwei Menschen die Last, die sie tragen nur gegenseitig tauschen. Damit wäre niemandem geholfen. Es ist wohl etwas Anderes gemeint. Es geht um Situationen, in denen einer an die Grenze der Belastbarkeit kommt sagt: Ich kann nicht mehr. Das ist ein Eingeständnis. Das muss man sich erst einmal leisten können. Es erfordert Mut, weil man glaubt, sich damit eine Blöße zu geben. Wenn von Resilienz die Rede ist, habe ich oft den Verdacht, dass sich darin der Anspruch verbirgt, mit schwierigen Lebenslagen noch besser fertig zu werden. Dabei geht etwas verloren. Es fehlt die Vorstellung, dass mir einer sagt: „Ich bin für dich da. Ich stehe zu dir. Ich bin an deiner Seite. Bei mir kannst du es dir leisten, hilfsbedürftig zu sein.“ Bildlich gesprochen würde das heißen: „Stelle deinen Rucksack ab. Wir legen miteinander eine Pause ein. Du musst dir keine Mühe geben, dich nicht noch mehr anstrengen und verausgaben.“ Es mag sich besser anfühlen, die Ärmel hoch zu krempeln und zu sagen, wir packen das. Das ist aber nicht immer angebracht. Und vor allem gehört das Andere, die Bedürftigkeit, das Angewiesen sein auf jemanden genauso zu meinem Menschensein. Das „Gesetz Christi“, von dem Paulus hier redet, besteht genau darin. Vor ihm kann ich es mir leisten, schwach, verzagt und kraftlos zu sein. Ich muss gar nicht immer mithalten können. Und weil dies von ihm her möglich ist, können wir es uns, wo nötig gegenseitig immer wieder gönnen.

30. Juni 2024
5. Sonntag nach Trinitatis

Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.

Epheser 2,8

Angenommen, man würde eine Umfrage starten und mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung die Menschen befragen, wann sie sich zuletzt selig gefühlt haben? Womöglich würde man damit vor allem Verwunderung auslösen. Vielleicht müsste man fragen, ob es etwas gab, was sie beglückt hat. Beglückend ist nicht das, was mir in den Schoß fällt. Beglückende Erfahrungen sind dadurch gekennzeichnet, dass etwas, um was ich mich bemüht habe, gut gelungen ist. Darin liegt ein wertvolles Geheimnis. Es gibt einen wesentlichen Teil, über den ich nicht verfüge. Es macht einen Unterschied, ob ein Erzieher / eine Erzieherin im Kindergarten einem Kind sagt: „Das hast du gut gemacht – oder – das ist dir gut gelungen.“ Wenn mir etwas gelungen ist, gibt es immer einen Teil von dem ich sagen muss: „Das war ich nicht.“ Es hat sich ereignet. Es sind Erfahrungen bei denen man selber beschenkt ist. Die Neurobiologen sagen uns, dass dabei reichlich Endorphine, Glückshormone, in unserem Körper ausgeschüttet werden. Wenn das der Fall ist, fühlt man sich selig. Gnade meint all die Dinge, die förderlich auf mein Leben einwirken, mein eigenes Tun begleiten, die ich bei aller Mühe und Sachkenntnis, bei allen verfügbaren Fähigkeiten, nicht machen kann. Genau diese Dynamik wird mit Gnade, selig sein und der Gabe Gottes beschrieben. Das meint: „nicht aus euch“! Dieses Ineinander Tätigkeit und Gelingen ist eine echte Glaubenserfahrung. Es gibt ein Signal, das uns helfen kann, solche ganz alltäglichen aber wertvollen Erfahrungen nicht zu übersehen. Wenn wir für etwas von jemandem Anerkennung und Dank bekommen, wenn jemand sagt, es war großartig, dann möchten wir vielleicht sagen und sollten es auch tun: de nada, tipota, keine Ursache, nicht dafür! Es gelungen. Mein Beitrag war nur, dass ich es nicht verbockt habe. Das ist dann gelebte Seligkeit aus Gnaden.

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