"Einleuchtende Botschaft" – Gottesdienst zu Pfingsten über EG 126 (Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist; Martin Luther)

500 Jahre Reformation feiern wir in diesem Jahr. Hätte es diese Bewegung gegeben ohne die Lieder? Hätte sie sich durchgesetzt ohne das Singen? Durch seine Lieder brachte der Reformator Martin Luther das reformatorische Gedankengut unter die Leute. Für Martin Luther war klar: Die Menschen brauchen Lieder in ihrer Muttersprache. Die Botschaft soll den Verstand und die Herzen erreichen. Sie soll jedem einleuchten. In Wittenberg führte Luther selbst den deutschsprachigen Gemeindegesang in den Gottesdienst ein. Die Menschen bekamen eine Stimme. Gern bediente sich Luther dabei bereits bekannter Melodien, die er mit den Liedtexten verband. Für Luther war das Singen die Verkündigung der Frohen Botschaft. Er war der Überzeugung: „So predigt Gott das Evangelium auch durch die Musik.“ In einem Brief schreibt er: „Nach dem Heiligen Wort Gottes ist nichts so billig und so hoch, zu rühmen und zu loben, als eben die Musica.“ Der begeisterte Musiker Luther hat nicht nur selbst Kirchenlieder geschrieben; er hat für den Gottesdienstgebrauch auch liturgische Gesänge übersetzt. Dazu gehört unser Lied „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“, ein Hymnus, den er zu Pfingsten 1524 aus dem Lateinischen übertrug.

EG 126,1

Das Lied wurde ursprünglich Anfang des 9. Jh. im Streit um die Bedeutung des Heiligen Geistes geschrieben. Schon im Mittelalter war der Hymnus in ganz Europa verbreitet. Als Martin Luther ihn übersetzte, hatte er schon eine bewegte siebenhundertjährige Geschichte hinter sich. Das Stück wurde nicht nur zu Messen zu Pfingsten angestimmt; es war auch ein Liedtext, der in privaten Andachten verwendet wurde. Überliefert ist, dass allein für das einmalige Lesen des Liedes zu Pfingsten dreihundert Tage Ablass gewährt wurden. Die Kritik Martin Luthers am römischen Ablasshandel markiert den Beginn der Reformationszeit. Ein Vorläufer Martin Luthers, der Kirchenkritiker Jan Hus aus Prag, wurde 1415 als Ketzer verbrannt. Der Hymnus soll auf dem Konstanzer Konzil anlässlich seiner Verurteilung angestimmt worden sein.
Als Martin Luther das Lied 1524 übersetzte, musste er sich bereits mit verschiedenen Strömungen innerhalb der reformatorischen Bewegung auseinandersetzen. Manchen war die Position Luthers nicht radikal genug. Dabei ging es auch um den Heiligen Geist. Manche Ideen hielt Luther wiederum für falsch und gefährlich; dies war wohl Anlass, den bekannten Hymnus über den Heiligen Geist erneut zu übersetzen und auch melodisch zu bearbeiten.

EG 126,2

In der zweiten Strophe begegnet uns schon der wichtigste Gedanke über den Heiligen Geist: Er ist eine Gabe Gottes, die an Gottes Wort gebunden ist und damit nichts, über das der Mensch selbst verfügen könnte. „Tröster“ wird der Heilige Geist im Johannesevangelium von Luther übersetzt. Immer wieder wird dort über die Situation des Abschieds nachgedacht. Was wird aus den Jüngern, aus der Gemeinschaft um Jesus Christus, wenn dieser nicht mehr unter ihnen ist? Jesus spürt die Verunsicherung und Trauer der Jünger. Darum gibt er ihnen immer wieder Hinweise, wie sie nach seinem Abschied mit ihm in Verbindung bleiben können. „Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9), schärft er ihnen ein. „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“ (Joh 14,23). Gott selbst werde einen Beistand, einen Tröster schicken. Wie ein fürsorgender Vater verspricht er durch Jesus Christus: „Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen. Noch eine kleine Weile, dann sollt ihr mich sehen“ (Joh 14,18f). Gott selbst werde dafür sorgen, dass die Verbindung zu ihm nicht abbricht. Der Heilige Geist, „bleibt bei euch und wird in euch sein“ (Joh 14,17). Wie eine geistliche Salbe, so drückt es unser Lied aus, wirkt er im Menschen. Er will in die Tiefe einziehen, will bessern und heilen, will im Menschen zu einem lebendigen Brunnen werden, der nicht versiegt. Der Heilige Geist ist die Liebe Gottes, ausgegossen in unsere Herzen, wie Paulus schreibt (Röm 5,5). Er ist wie ein pfingstliches Feuer, das die Menschen erfüllt.

EG 126,3

Verstand und brennende Liebe stehen hier gleichberechtigt nebeneinander als Gaben des Heiligen Geistes. Wie wäre die reformatorische Entdeckung Luthers möglich gewesen, ohne dass ihm nach intensivem Studium der Heiligen Schrift ein Licht im Verstand aufgegangen wäre? Und wie hätte er die Anhörung auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1521 überstanden, wenn er nicht die Inbrunst, die brennende Liebe und leidenschaftlichen Mut aufgebracht hätte, seine Überzeugungen vor dem Kaiser zu vertreten und nichts, keinen einzigen Buchstaben, zu widerrufen? „Wir werden in Worms einziehen, sollten sich auch alle Pforten der Hölle ... dawider setzen“, so soll er gesagt haben. Luther riskierte nicht weniger als den Tod als Ketzer auf dem Scheiterhaufen. Ist er nicht selbst vom Heiligen Geist fest gehalten worden, als er sich dort in Worms allein auf die Heilige Schrift und auf sein Gewissen berief? „Hier stehe ich“, so wurde Luther später zitiert, „ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen.“

EG 126,4

Wir feiern heute Pfingsten. Das Versprechen, das Jesus Christus bei seinem Abschied gab, wurde wahr. Lukas erzählt in der Apostelgeschichte, wie die Gemeinschaft von Jüngern, die im Namen des Auferstandenen in Jerusalem beieinander war, vom Heiligen Geist erfüllt wurde. Plötzlich predigten alle voller Begeisterung in ihrer Muttersprache und erzählten inbrünstig von den großen Taten Gottes. Der Heilige Geist machte das möglich. Kritische Stimmen wurden laut: Sind diese Leute jetzt betrunken? Doch viele Menschen waren davon begeistert. Die Frohe Botschaft in ihrer eigenen Sprache leuchtete ihnen ein. Nach der Pfingstpredigt des Petrus, so erzählt Lukas, ließen sich dreitausend Menschen taufen.
Martin Luther beschreibt in seinem Kleinen Katechismus, wie der Heilige Geist mit seinen „siebenfaltigen Gaben“ wirkt: Er beruft, er erleuchtet, er heiligt, er erhält, er vergibt, er wird auferwecken und das ewige Leben schenken.

EG 126,5

Schutz zu haben vor den Gegnern und Feinden war für Martin Luther lebenswichtig. Auf dem Reichstag zu Worms wurde er vom Kaiser geächtet. Als verurteilter Ketzer war er nun vogelfrei. Anders als Jan Hus wurde Martin Luther kein Haar gekrümmt. Ein mächtiger Fürsprecher sorgte dafür, dass er auf der Wartburg Schutz für Leib und Leben bekam. Diese Zeit auf der Burg nutzte Luther eifrig für seine Sache. In Windeseile übersetzte er das Neue Testament ins Deutsche. Doch sein schlimmster Feind war ihm auch dort auf den Fersen. Ein Tintenfleck in seinem Studierzimmer zeugte noch jahrhundertelang davon. Beim Übersetzen der Heiligen Schrift fühlte sich Luther von Geräuschen in seiner Stube belästigt, die er mit dem Teufel in Verbindung brachte. Mag der Wurf mit dem Tintenfass an die Wand auch eine Legende sein; fest steht, dass Luther immer wieder um inneren Frieden ringen musste. Gegen den Teufel, gegen alle Niedergeschlagenheit und Traurigkeit hilft Beten und fröhliches Singen, davon war er überzeugt. So ist der Friede, nicht wie die Welt ihn gibt, sondern wie ihn Jesus Christus selbst versprochen hat, ein von Luther selbst immer wieder von Herzen erbetenes kostbares Gut.

EG 126,6

Gott, den Vater, richtig zu kennen, das war für Luther existenziell bedeutsam. Sein Leben lang hatte er sich mit einem strafenden Gottesbild gequält. Gott in seiner Größe und Majestät erlebte Luther als Feind. Er hatte Angst vor dem Jüngsten Gericht. Was konnte er Gott gegenüber vorweisen? Die Entdeckung eines gnädigen Gottes, wie er sich in Jesus Christus gezeigt hat, war für ihn, als hätte sich die Tür zum Paradies geöffnet. Wenn Gott Mensch wird, so überlegte Luther, wenn er sich mit unserer Schwachheit verbindet, am Kreuz unsere Sünden und Übel auf sich nimmt, dann kann er nicht unser Feind sein. Gott hat sich mit uns versöhnt! Das Vertrauen in diese Gnade Gottes ist ein Geschenk, so war Luther überzeugt. Der Glaube ist eine Gabe, die von Gott kommt. Der Heilige Geist spielt dabei eine wichtige Rolle. Er geht von beiden aus: von Gott und seinem Sohn Jesus Christus (Joh 15,26). Doch für Martin Luther war wichtig, dass der Heilige Geist nicht unmittelbar wirkt, sondern an Wort und Sakrament gebunden ist. In seinem Kleinen Katechismus erklärt er, dass „ich nicht aus eigener Kraft an Jesus Christus glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten“.

EG 126,7

Mit einem Lobpreis über Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist endet das Pfingstlied, das Gebet und Bekenntnis zugleich ist. An Pfingsten wurden Menschen einst begeistert. Das Wirken des Geistes Gottes hat nicht aufgehört. Vor fünfhundert Jahren begann es mit einem Donnern an die Kirchentür, mit Büchern, mit der Verbreitung von neuen Gedanken und nicht zuletzt mit dem Singen als unsichtbarem Motor, als einer Revolution von unten. Und heute? Immer noch und immer wieder neu gelten die Worte Jesu aus dem Johannesevangelium: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten“ (Joh 16,13).

Fürbittengebet:
Gott Schöpfer, Heiliger Geist!
Wir bitten dich für alle Menschen, die in unserer Welt Verantwortung tragen.
Erfülle sie mit deinem Geist, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind.
Gib ihnen Weisheit, lehre sie Demut, fülle ihre Herzen
mit Güte und Barmherzigkeit.
Wir bitten dich für alle Menschen, die sich einsetzen für eine gerechte Welt.
Erfülle sie mit deinem Geist, dass sie immer wieder den Mut und die Kraft aufbringen, ihren Weg für Frieden und Gerechtigkeit zu gehen. Lass sie an Widerständen nicht zerbrechen. Sei du ihnen eine lebendige Quelle an Hoffnung und Zuversicht, die nie versiegt.
Herr, erbarme dich (EG 178.11)

Gott Schöpfer, Heiliger Geist! Wir bitten dich besonders für die kleinen Gemeinschaften, die in deinem Namen versammelt sind.
Erfülle sie mit deinem Geist! Lass sie spüren, wie wichtig sie für diese Welt sind. Lass durch ihr stilles Gebet in der Welt wachsen, was deinem Willen entspricht.
Wir bitten dich für die Kirchen, für unsere Gemeinde.
Erfülle uns mit deinem Geist. Begeistere uns dafür, dass wir leben, so wie du es uns gesagt hast. Lass unser Singen und Tun auf andere Menschen ausstrahlen, dass sie entflammt werden von deiner Liebe. Gib uns die Gabe, deine Botschaft in einer Sprache weiterzugeben, die andere verstehen. Lass uns den richtigen Ton treffen, im Gespräch, in der Predigt, im Lied.
Herr, erbarme dich (EG 178.11)

Gott Schöpfer, Heiliger Geist! Mit unserem persönlichen Anliegen treten wir vor dich. Du weißt, wo wir stehen und wonach wir uns sehnen. Wir bitten dich: Erfülle uns mit deinem Geist Nimm du Wohnung bei uns. Zieh in unsere Herzen ein. Erfülle sie mit Freude, die vollkommen ist. Leite uns in alle Wahrheit.

Liedvorschläge: 124 (Nun bitten wir den Heiligen Geist)
134 (Komm, o komm,
du Geist des Lebens)
136 (O komm, du Geist der Wahrheit)
Anzeige:  Herzschlag. Etty Hillesum – Eine Begegnung. Von Heiner Wilmer

Die Pastoralblätter im Abo

Gottesdienste komplett und fundiert vorbereiten.

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen