Der Monatsspruch im Oktober 2011

Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott?
Hiob 4,17

So fragt Elifas Hiob.
Hiob ist umfangen von Schmerz und Trauer. Nicht genug, dass er seinen Besitz verloren hat und viele seiner Bediensteten gestorben sind. Nein, er hat auch noch seine Kinder bei einem schrecklichen Unglück verloren. Nun ist er selbst krank, über und über mit Geschwüren übersät. Anfangs konnte er noch tragen, was fast nicht zu ertragen ist.
Ich sehe ihn vor mir, weinend am Grab der Kinder. Wie soll er noch weiterleben? Er sucht Gott in seinem Leben - und findet ihn. „Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen", sagt er. Er trauert.
Viel Kraft hat ihn diese Antwort sicherlich gekostet. Aber es ist sein Glaube. Niemand anderer könnte ihm diese Worte als Zuspruch sagen. Nur er selbst kann diese Antwort für sich finden. Und das hilft ihm, weiterzuleben. Zaghaft, verletzlich mag er gewesen sein in der ersten Zeit nach dieser Katastrophe. Abgemagert, dünnhäutig.
Und nun wird er krank. Er hat keine Kraft mehr, will nicht mehr weiterleben, findet keine Erklärungen mehr, lässt sich nicht mehr trösten.
Er kann nicht mehr weiter. „Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren bin." Sein Freund Elifas hält ihm mitten in dieser Verzweiflung diesen Satz entgegen: „Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott?"
Und damit verbunden, meint er: „Siehe, selig ist der Mensch, den Gott zurechtweist."
Hiob soll sich selbst prüfen und entdecken, wo er etwas falsch gemacht hat, denn nach Elifas' Meinung ist Hiob selbst schuld an dem Unglück, das ihn getroffen hat. Krankheit, Verlust der Kinder, des Eigentums - eine Strafe oder Zeichen mangelnden Glaubens. Unglaublich finde ich das, zynisch. Im Moment des tiefsten Leides unterstellt Elifas Hiob, er habe es selbst verschuldet.
Doch wie oft habe ich das schon in der Seelsorge gehört: „Frau Pfarrerin, was habe ich getan, dass ich das jetzt erleiden muss?" Auch da schwingt die Überzeugung mit, dass man das, was man erleidet, auch irgendwie verdient haben muss.
Oder ich denke an die Menschen, die alle ihre Hoffnung auf das Gebet eines Geistlichen setzen, der von vielen Wunderheilungen erzählen kann. Doch sie selbst werden nicht gesund. „Wahrscheinlich habe ich nicht genug geglaubt", sagen sie sich häufig, „ist meine eigene Schuld, wenn ich immer noch krank bin."
Bin ich vor Gott schuldig oder gerecht? Vielleicht fragen wir heute anders nach der Zuneigung oder Anerkennung durch Gott. Doch hinter dem Versuch, eigenen Ansprüchen oder den Ansprüchen anderer gerecht zu werden, steckt genau die dringende Frage: „Wie kann ich vor Gott gerecht werden?"
Viele Menschen stellen sehr hohe Ansprüche an sich und leben dafür, diesen in möglichst perfekter Weise gerecht zu werden. Das führt oft zu einer heillosen Selbstüberforderung. Darauf reagieren Menschen unterschiedlich. Manchmal geben wir den Druck an unsere Kinder weiter, manchmal merken wir an ständigen Kopfschmerzen, dass etwas nicht stimmt, oder wir spüren eine andauernde Unzufriedenheit. Nicht wenige Menschen geraten so in den Burn-out.
Auch Martin Luther ist fast verrückt geworden bei dem Versuch, sich die Gerechtigkeit, die Anerkennung und die Liebe Gottes durch besondere Anstrengung zu verdienen.
Welche Erleichterung es war, als er entdeckt hat, dass in Jesus durch die Gnade Gottes dieser Wahnsinn und der Weg des Gesetzes zu Ende gekommen sind.
Zurück zu Hiob:
Manchmal ist es schwer, Gott zu begreifen. Wenn es uns schlecht geht, brauchen wir Menschen, die uns den Blick auf einen liebevollen Gott offen halten, die nicht beschuldigen und vorschnelle Antworten geben. Sie sollen zuhören, solidarisch sein, uns mit unserer Trauer annehmen. Wir sind Kinder Gottes, die nicht aus eigener Kraft gerecht sein müssen. Du bist ein Kind Gottes. Er ist dir jetzt nahe. Er weiß, was Leid ist. Vielleicht können wir gerade nicht verstehen, wieso und warum die Dinge so und nicht anders sind. Aber die Frage nach der Schuld dürfen wir getrost dem überlassen, der für unsere Schuld eingestanden ist, nämlich Jesus Christus, unserem Bruder.

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

Pastoralblätter-Newsletter

Ja, ich möchte den kostenlosen Pastoralblätter-Newsletter abonnieren und willige in die Verwendung meiner Kontaktdaten zum Zweck des E-Mail-Marketings durch den Verlag Herder ein. Den Newsletter oder die E-Mail-Werbung kann ich jederzeit abbestellen.
Ich bin einverstanden, dass mein personenbezogenes Nutzungsverhalten in Newsletter und E-Mail-Werbung erfasst und ausgewertet wird, um die Inhalte besser auf meine Interessen auszurichten. Über einen Link in Newsletter oder E-Mail kann ich diese Funktion jederzeit ausschalten.
Weiterführende Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.