Gottesdienst im Seniorenheim – Eine Einführung

Gottesdienst im Heim

Die Seelsorge in den Senioren- und Pflegeheimen hat zwar ihre Wurzeln in der Krankenhausseelsorge, doch unterscheidet sie sich von dieser mittlerweile beträchtlich. Dies betrifft auch die Feier der Gottesdienste. Während im Krankenhaus die Gottesdienstbesucher rasch wechseln, sind sie im Heim stabil. Im Unterschied zu einem Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Kurheim, das man nach dem Ende einer Heilbehandlung verlässt, lebt der Bewohner eines Heimes immer dort. Das Heim ist sein ständiger Wohnsitz, der »Mittelpunkt seiner Lebensinteressen«, den er oft nicht mehr verlassen kann. Insofern sind die Heimbewohner bzw. Gottesdienstbesucher ein typisches Beispiel einer Hausgemeinde. Im Unterschied zu den Gottesdiensten in einer Dorf- oder Stadtkirche können Gottesdienste im Heim nicht immer in einer Kirche oder Kapelle gefeiert werden, weil nicht jedes Heim darüber verfügt. Oft muss ein Aufenthaltsraum, ein Gangabschnitt, der Fest- oder Speisesaal für die Feier hergerichtet werden, oder es steht – eine neuere Entwicklung – ein überkonfessioneller oder multireligiöser Andachtsraum zur Verfügung. Dort sollte für die Zeit des Gottesdienstes möglichst »Kirchenatmosphäre« herrschen. Um diese zu erreichen, stehen oft nur einfache Mittel zur Verfügung, so dass ein zusätzlicher Zeitaufwand, Fantasie und Flexibilität gefordert sind – und natürlich auch eine ausreichende Schar von MithelferInnen. An den Gottesdiensten wird im Heim auch für Nichtgläubige Seelsorge sichtbar. Oft wird daher das Gottesdienst-Angebot mit Seelsorge gleichgesetzt, obwohl dazu auch weitere Angebote wie Aussprache, Gespräch, Sakramentenspendung,…zählen. Nichtkirchliche Heimträger schätzen durchaus ein regelmäßiges Gottesdienstangebot. Sie sehen darin einen Service, den sie im Sinne einer ganzheitlichen und bedürfnisgerechten Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner anbieten.

Vielschichtige Gottesdienstgemeinde

Heim ist nicht gleich Heim. Dies zeigt sich auch an den Gottesdienstbesuchern. Es ist ein Unterschied, ob es sich um eine Seniorenresidenz handelt oder um ein Heim, dem Formen des betreuten Wohnens oder eine Pflegestation angeschlossen sind, oder um ein reines Pflegeheim. Dass alle Menschen, die in einem Heim leben, unter einer Demenz leiden, wird zwar manchmal behauptet, entspricht aber nicht der Realität. Selbstverständlich gibt es Heime mit einer Demenzstation, deren Bewohnerinnen und Bewohner auch den für alle angebotenen Gottesdienst besuchen können. Für die Gestaltung von Gottesdiensten speziell für Demenzkranke gelten aber eigene Gesichtspunkte, auf die hier nicht ausführlich eingegangen werden kann. Sie sollten von guter Atmosphäre getragen sein, möglichst alle Sinne berühren, aus leicht wiedererkennbaren Teilen, wenigen Wort-, dafür aber mehr musikalischen Elementen bestehen. Die Gemeinde, die in einem Heim Gottesdienst feiert, ist – abgesehen davon, dass sie fast ausschließlich aus Frauen besteht – sehr heterogen. Bei manchen Gottesdiensten ist die vertraute Heim-Gemeinde unter sich. Bei besonderen Anlässen – wie dem Sommeroder dem Erntedankfest – kommen auch Gäste. Manche Gottesdienstbesucher bringen ihren zur Gottesdienstzeit gerade anwesenden Besuch mit. Ebenso zählen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Heimes zu den Gottesdienstbesuchern. Manche Menschen, die in der Umgebung wohnen, besuchen an Sonn- und Feiertagen den Gottesdienst in der näher gelegenen Heimkapelle, anstatt den weiteren Weg zur Pfarrkirche zu gehen. In den Konzepten zur Neugliederung der Seelsorgeräume gibt es Überlegungen, die Gemeinden, die sich um Kirchen oder Kapellen – dazu zählen auch die Kapellen von Pflegeheimen, Seniorenheimen oder Krankenhäusern – gebildet haben, als Teilgemeinden oder kleine christliche Gemeinschaften zu verstehen und zu werten. Dies wird sich wiederum auf seelsorgerliche Angebote im Heim, auf die Gottesdienstfeiern selbst, aber auch auf die Zahl und Gestaltung der Räumlichkeiten auswirken.

Vielfalt der Anlässe und Formen

Dass Gottesdienste im Seniorenheim anders sind als die in einer Pfarr- oder Klosterkirche, zeigt sich nicht nur an den Gottesdienstbesuchern, sondern auch an den Gottesdienstzeiten. Im Regelfall ist es nur dort, wo das Heim über einen ständigen Priester verfügt, möglich, eine Eucharistiefeier am gewohnten Sonntag- Vormittag anzusetzen. Abendgottesdienste sind vom Tagesablauf eines Heimes her nicht möglich. Manche Pfarrgemeinden feiern ihre Sonntag-Vorabend- Messe am Samstagnachmittag im Heim. Für die Mehrheit der Heime, die vom Seelsorgeteam der zuständigen Pfarrei betreut werden, ist der Gottesdienst an einem Werktag-Nachmittag der Normalfall. Nicht immer handelt es sich dabei um eine Eucharistiefeier, da die Heimseelsorge zunehmend in den Händen nichtpriesterlicher Seelsorgerinnen und Seelsorger liegt. Damit eröffnet sich gleichzeitig ein weites Feld für nichteucharistische Gottesdienstformen wie Wort-Gottes- Feiern, Rosenkranz oder Andachten. Ob Eucharistiefeier, Wort-Gottes-Feier oder Andacht – wichtig ist, dass sich in den Gottesdiensten die Lebenswelt des Heimes spiegelt. Eine zusätzliche Bereicherung ist es, wenn an Festen wie Martin oder Nikolaus, in der Weihnachtszeit oder zum Sternsingen Kinder- oder Jugendgruppen das Heim besuchen. Gottesdienste im Heim erweisen sich auch als praktizierte Ökumene. Evangelische Heimbewohner nutzen das Angebot an katholischen Gottesdiensten und umgekehrt. Ökumenische Gottesdienstfeiern zum Sommerfest, Erntedank, Advent oder zum Totengedenken und zu ähnlichen Anlässen sind oft schon Tradition. Auch gibt es die Möglichkeit, zu einer Gebetsstunde oder einem Glaubensgespräch einzuladen, bei dem die konfessionelle Zugehörigkeit sowieso keine Rolle spielt.

Gestaltung

Die Einstellung: »Für eine Messe im Seniorenheim braucht es keine lange Geschichte. Da nehmen wir eine bekannte Messreihe und am Schluss ein Marienlied. Das wollen die alten Leute. Mehr braucht es nicht. Damit sind doch alle zufrieden« – ist immer noch weit verbreitet. Doch selbst wenn vertraute Formen und Lieder bevorzugt werden, muss es nicht immer die Schubert-Messe »Wohin soll ich mich wenden« sein…Vielleicht bedarf es eines besonderen Geschickes, ein neues Lied einzuüben, doch sollte man hier die SeniorenInnen nicht unterschätzen. Immerhin sind die Ersten dieser »neuen« Gesänge gar nicht mehr so neu, denn sie sind bereits vor etwa 50 Jahren, zur Zeit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanums, entstanden, und von vielen der heutigen SeniorInnen in ihren Gemeinden eingeführt worden. Hilfreich für jede Art des Gesanges ist ein Musikinstrument: Orgel, Klavier, Keyboard, Gitarre, Querflöte u.Ä. Instrumentalbegleitung ist nicht nur wichtig zur Unterstützung des Gesanges, sondern auch um wenig gottesdienstlich gestalteten Räumen Gottesdienstatmosphäre zu geben. Manchmal übernimmt jemand aus der Reihe der Mitarbeiter oder der Bewohnerinnen gerne diesen Dienst. Wenn es an geeigneten Instrumenten fehlt, gibt es Tonträger mit Kirchenliedern, die unterstützend eingesetzt werden können. Auch wenn in manchen Heimen am Sonntagnachmittag eine Messe möglich ist, ist es unpassend, den Vormittagsgottesdienst aus der Pfarrkirche lediglich zu wiederholen. Zumindest ist zu bedenken, dass die Auslegung der Schrifttexte, die für die Sonntagsgemeinde der Pfarrkirche zugeschnitten ist, nicht unbedingt der Gottesdienstgemeinde im Heim etwas sagt. Dasselbe gilt für Fürbitten. Die Vorlagen aus Fürbittbüchern oder auch die Anliegen einer Pfarrgemeinde gehen oft an denen der Bewohnerinnen und Bewohner eines Heimes vorbei. Die Predigt soll nicht mehr als ein oder zwei Gedanken enthalten, die in einfachen, kurzen Sätzen entfaltet und – wenn möglich und sinnvoll – durch ein Symbol veranschaulicht werden. Ziel einer Predigt ist es nicht, komplizierte theologische Gedankengänge zu referieren, sondern die biblische Botschaft mit der Lebenswelt des Heimes zu verknüpfen. Heimbewohner sind offen für Symbole, Rituale oder Gesten, die sie mitvollziehen können. Sie schätzen eine sorgfältig vorbereitete und gestaltete Feier, die ihnen für die Tage dazwischen geistliche Nahrung gibt.

Beteiligung der Gemeinde

Gottesdienste im Heim müssen nicht als Ein-Mann-Betrieb gestaltet sein. Den Altar-, Lektoren- oder Kommunionspenderdienst können andere übernehmen. Manche Anwesende haben in ihren Heimatgemeinden solche Dienste ausgeübt und sind weiterhin gerne dazu bereit. Auch andere Gottesdienstbesucher, wie Angehörige oder Pflegekräfte, lassen sich dafür gewinnen. Darüber hinaus gibt es weitere Möglichkeiten, die Gemeinde einzubeziehen. In wohl allen Heimen gibt es Werk- oder Bastelkreise. Diese können die Gottesdienste mitgestalten, indem sie z.B. etwas für den Schmuck der Kapelle (Advent, Weihnachten, Ostern, Erntedank, …) oder kleine Erinnerungsstücke herstellen, die bei einem Gottesdienst verteilt werden. Ab und zu ein einfacher Meditationstanz mit der Seniorentanzgruppe des Hauses ist ebenso eine Bereicherung, wie die Einladung einer externen Musikgruppe. Auch der Seniorenkreis einer Pfarrei könnte einmal einen Gottesdienst im Heim mitgestalten.

Weitere Charakteristika eines Gottesdienstes im Heim

Für viele Heimbewohner ist der Gottesdienst und der Kontakt mit dem Priester oder den SeelsorgerInnen ein wichtiger Fixpunkt im Heimleben. Besondere Aufmerksamkeit ist daher auf den persönlichen Kontakt zu legen, z. B. vor und nach dem Gottesdienst die Besucher mit einem persönlichen Wort zu begrüßen bzw. zu verabschieden. Dass die Besucher ernst genommen werden, zeigt sich auch durch das Vermeiden von Gedankenlosigkeiten. Die Anrede »liebe Brüder und Schwestern« wirkt seltsam, wenn nur Frauen anwesend sind. Bei der Kommunion lange stehen zu müssen, kann vermieden werden, wenn der Kommunionspender möglichst zu den Leuten kommt. Bei Heimen, in denen die Möglichkeit besteht, den Gottesdienst auf die Stationen zu übertragen, gehört es dazu, die Mitfeiernden in den Zimmern eigens anzusprechen und ihnen zu erläutern, was gerade in der Kapelle geschieht. Im Laufe des Jahres gibt es im Leben des Heimes immer wieder besondere Ereignisse: ein Neueinzug, ein Geburtstag, die Nachricht von der Geburt eines Urenkels, ein Krankenhausaufenthalt, der Umzug in eine Pflegestation, der Tod eines Zimmernachbarn. Alle diese Ereignisse sollten in den Gottesdienst mit einbezogen werden, denn das Gebet ist für viele Menschen, die in einem Heim wohnen, oft die einzige Möglichkeit, für andere »etwas tun zu können«, und die Gottesdienstgemeinde des Heimes ist »ihre« Gemeinde, die Freud und Leid mitträgt.

Hanns Sauter

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