Das von Michael Triegel ergänzte dreiflügelige Cranach-Altarretabel für den Marienaltar verlässt den Naumburger Dom – zumindest temporär. Ab November soll es für zwei Jahre in der Kirche des Campo Santo Teutonico im Vatikan zu sehen sein. Im Auftrag der Vereinigten Domstifter hatte der deutsche Maler Triegel das zwischen 1517 und 1519 von Lukas Cranach dem Älteren geschaffene Triptychon um das verloren gegangene Mittelbild sowie eine Predella ergänzt. Seit Juli 2022 stand der so vollendete Altar wieder im Westchor des Doms.
Es entbrannte jedoch ein denkmalpflegerischer Streit um diesen Standort. Der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS), der die Unesco berät, forderte einen anderen Platz für den Altar. Im Westchor verdecke er die im Mittelalter geschaffenen Stifterfiguren und störe so das architektonische Zusammenspiel. Der 2018 verliehene Welterbestatus des Naumburger Doms schien in Gefahr. Nach langen Streitigkeiten gab die Unesco im Sommer ihre endgültige Entscheidung bekannt. Der Altar darf im Dom verbleiben, er braucht allerdings einen neuen Standort. Mit dem jetzt geplanten Umzug des Kunstwerks nach Rom wollen die Verantwortlichen Zeit gewinnen.
Der erst kürzlich in sein Amt eingeführte Rektor des Campo Santo, Peter Klasvogt, freute sich über diesen Coup: „Wir freuen uns sehr, dass wir dieses bedeutende Kunstwerk bald in unserer Bruderschaftskirche zeigen können.“ Es entstehe eine gelungene Achse zwischen Renaissance und Moderne, zwischen Tradition und Glaube in der heutigen Zeit, so der Paderborner Priester. Die Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Muttergottes ist Eigentümerin des Campo Santo.
Triegel selbst zeigte sich weniger zufrieden. Die Stadt Rom bedeute für ihn und seine Arbeit zwar viel, sodass es durchaus ein Grund zur Freude wäre, „wenn nun eines meiner wichtigsten Werke dort zu sehen sein wird“. Allerdings sei das Altarbild für den Westchor des Naumburger Doms geschaffen worden. Es „bezieht sich inhaltlich und formal auf genau diesen Ort und ist nur dort vollumfänglich ikonografisch lesbar und ästhetisch wirksam“ (vgl. HK, September 2022, 52).