Synodalität Die Segel anders setzen?

Auch unter Papst Leo XIV. wird die Weltsynode weitergehen. Für die Kirche sind mit dem Prinzip der Synodalität grundlegende Fragen und Entscheidungen verbunden.

Porträt Ursula Nothelle-Wildfeuer
© Flo Huber

Synodalität – eine Leitidee, mit der sich im Blick auf den Franziskus-Nachfolger Papst Leo XIV. viele Hoffnungen verbinden: Für die einen die auf ein baldiges Ende dieser „unkatholischen“ Entwicklung und einer Rückkehr zum ausschließlich hierarchischen Prinzip, für die anderen die auf Fortsetzung dieses großen Reformprozesses. Vor kurzem nun gab es einen ersten deutlichen Hinweis von Papst Leo selbst: Er hat eine synodale Richtungsentscheidung gefällt; er wird den Weg seines Vorgängers fortsetzen. Auch der ursprünglich angedachte Zeitplan bleibt bestehen: Bis Ende des nächsten Jahres sollen die vorliegenden Ergebnisse der Weltsynode in den einzelnen Ortskirchen realisiert, erprobt und implementiert werden. Die Ergebnisse dieser Vor-Ort-Phase werden dann auf den nächsthöheren Ebenen miteinander ins Gespräch gebracht bis zum Abschluss eine „allgemeine kirchliche Versammlung“ im Oktober 2028 stattfindet.

Doch was ist Synodalität? Auch nach inzwischen mehreren Jahren der Thematisierung und Erprobung ist das beileibe noch nicht klar. Ist sie bloß ein neuer Name für Altbewährtes, ein spiritueller Feinschliff für kirchliche Gremienarbeit? Oder der viel beschworene Paradigmenwechsel? Erst jüngst betonte Kardinal Rainer Maria Woelki, Synodalität gemäß dem römischen Verständnis heiße, jede Sitzung mit einer viertelstündigen geistlichen Einheit zu beginnen, idealerweise mit eucharistischer Anbetung. So weit, so fromm. Doch Synodalität auf liturgische Rituale zu reduzieren, verengt ihren Sinn – und stellt Form über Inhalt.

Für Papst Franziskus hingegen ist Synodalität ein „gemeinsames Gehen“ des ganzen Volkes Gottes. Eine synodale Kirche sei eine Kirche des Zuhörens, in der jeder etwas lernen kann – das Volk, die Bischöfe, der Papst. Es geht also nicht primär um spirituelle Einstimmungen, sondern um Prozesse des Austauschs, der Korrektur und auch des Widerspruchs. Zuhören – das ist das erste synodale Moment. Nicht dominieren, nicht verwalten, sondern wahrnehmen. Der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich, Generalrelator der Weltsynode, bringt es auf den Punkt: „Wir haben bemerkt, dass wir in vielen Punkten verschiedene Meinungen haben, und dass wir doch im Glauben vereint sind.“ (La Croix International, Oktober 2023). Das wird nun mit der geplanten Vor-Ort-Phase der Synodalität konkret.

Genau hier liegt aber auch die Brisanz. Synodalität ist kein harmonisches Miteinander, kein Debattieren mit Weihrauchduft. Sie ist ein geistlicher Stil, der Konflikt aushält – und daraus lernt. Der deutsche Synodale Weg hat das auf seine Weise versucht. Strukturell neu: Bischöfe und Laien diskutieren und entscheiden gemeinsam. Inhaltlich herausfordernd: Themen wie Macht, Sexualität, Geschlechtergerechtigkeit wurden nicht umschifft, sondern benannt. Das hat Irritationen in Rom ausgelöst, etwa bei Kardinälen im Staatssekretariat oder der Glaubenskongregation. Doch war das nicht genau das, was Franziskus selbst eingefordert hat? Und Synodalität vor Ort erproben – ist das nicht genau das, was nun auch für die Umsetzungsphase gefordert wird?

Die Synode sei kein Parlament, so betonte Franziskus verschiedentlich, aber sie sei auch kein geschlossener Zirkel. Es gehe nicht um bloße Meinungen, sondern um das gemeinsame Hören auf den Heiligen Geist – durch die Stimmen aller. Damit das gelingt, braucht es geistliche Verankerung – ja. Aber ebenso braucht es Beteiligung, transparente Prozesse und die Bereitschaft, reale Veränderung zuzulassen.

In diesem Zusammenhang verwies der Jesuit Stephan Kessler sehr treffend auf die Weisheit des Aristoteles: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ Synodalität heißt: Diese Segel nicht nur von oben zu setzen, sondern gemeinsam auszurichten. Und dabei auch zu riskieren, dass der Wind von vorne kommt.

Die wahre Frage lautet daher nicht: Was ist Synodalität? Sondern: Haben wir den Mut, sie wirklich zu leben – auch wenn sie unbequem wird?

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