Das Sommerloch ist ein bekannter Begriff für eine ereignisarme
Zeit, in der sich Zeitgenossen und Redakteure gern
auf Belanglosigkeiten stürzen, um überhaupt etwas Berichtenswertes
in die Öffentlichkeit zu bringen. Im Kirchenjahr erstreckt
sich dieses „Sommerloch“ von Fronleichnam bis Allerheiligen.
Ohne die Marienfeste wäre kaum etwas los. Den marianischen
Reigen eröffnet am 15. August das Hochfest der Aufnahme Mariens
in den Himmel, gefolgt vom „Oktavtag“ Maria Königin (22.8.); den
Reigen beschließen die drei Gedächtnisse der Geburt, des Namens
und der Schmerzen Mariens (8., 12. und 15.9.).
Während viele Marienfeste im Kirchenjahr biblischen Ursprungs
sind, bereitet uns das Hochfest „Mariä Himmelfahrt“ (15.8.)
ähnliche gedankliche Schwierigkeiten wie das adventliche Pendant
der „Unbefleckten Empfängnis“ (8.12.). Der Glaube an die leibliche
Aufnahme der Gottesmutter ist seit dem 6. Jahrhundert bezeugt und
wurde 1950 von Papst Pius XII. zum Dogma erhoben. Das im Jahr
1954 eingeführte Fest Maria Königin wurde 1969 als Gedenktag auf
den 22. August, den achten Tag nach Mariä Himmelfahrt, verlegt.
Mir hilft für meinen persönlichen Glauben sehr, dass das Zweite
Vatikanische Konzil die vier Dogmen über Maria und die gesamte
Mariologie eingebettet hat in den Konzilstext über die Kirche (Lumen
gentium). In dieser „Einordnung der Mariologie in die Ekklesiologie“
kommt die Absicht zum Ausdruck, einer Überhöhung und Isolierung
der Rolle Mariens vorzubeugen. Mit jedem Marienfest feiern wir
auch uns als begnadete Kinder Gottes! Dadurch wird das Kirchenjahr
zu einem „Jahreskranz der Liebe Gottes“, der auch meine ganz
persönliche Biographie im Licht der Gnade Gottes deutet.
Am 8.12. darf ich meditieren, dass Gott auch mich erwählt hat
„schon vor der Grundlegung der Welt“ (Eph 1,4) bzw. „aus Liebe
schon damals dazu bestimmt [hat], durch Jesus Christus sein Kind
zu werden“. Gleiches singen wir deshalb im bekannten Krippenlied
Paul Gerhardts: „Da ich noch nicht geboren war, da bist Du mir geboren
und hast mich Dir zu eigen gar, eh’ ich Dich kannt, erkoren.“
Am 8.9. darf ich meine eigene Geburt betrachten und das schöne
Lied Jürgen Werths singen: „Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls,
keine Laune der Natur, ganz egal, ob du dein Lebenslied in
Moll singst oder Dur. Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch
dazu. Du bist du!“
Am 12.9. meditiere ich meine Taufe, in der ich die Zusage bekam:
„Du bist Priester, König und Prophet! Dein Name ist in Gottes
Hand eingeschrieben!“ Mit Maria bete ich deshalb die tröstlichen
Bibelverse, die meine eigene Taufe deuten, z. B.: „Von Herzen will
ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen
Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich
in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich
schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt“ (Jes 61,10).
Wer solche Hochzeitstexte auf das eigene Dasein bezieht, denkt größer
von sich und weiß den bitteren Alltagserfahrungen zu wehren,
die mir allzu oft zurückspiegeln, dass ich nichts wert sei oder mir
meine Würde erst durch Leistungen verdienen müsse. Dass sich
Gott schon morgens über mich „freut (…) und jubelt (…), er seine
Liebe zu mir erneuert, er vor Freude tanzt, weil es mich gibt, wie
man frohlockt an einem Festtag“ (Zef 3,17; Einheitsübersetzung
1980) – all das verschweigt die Kirche viel zu oft, obwohl doch gerade
solche Bibelverse die Frohe Botschaft ausmachen.
Am 15.9. stehe ich mit Maria unter dem Kreuz. „Warum?“,
schreie ich gen Himmel. Die Leidfrage hat hier ihren richtigen
Platz. Maria bietet uns die Antwort als Pietà: Sie trägt den Gekreuzigten
auf ihrem Schoß. Dadurch stellt die Frage nach dem
„Warum“ nicht länger Gott infrage, sondern wir stellen mit Maria
diese Leidfrage Gott – und Gott schenkt uns seinen Sohn, der mit
uns leidet und unser Trost wird. Mit Dietrich Bonhoeffer können
wir deshalb singen: „Und reichst du uns den schweren Kelch, den
bittern des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir
ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand.“
Am 15.8. werfe ich einen Vorausblick auf mein eigenes Grab.
Mit Maria dürfen wir uns freuen auf unsere Vollendung und Auferstehung,
am 22.8. sogar auf unsere ewige Krönung im Himmel.
(vgl. 1 Kor 15,16 f.). – Daher singen wir an diesem Gedenktag voller
Vorfreude das Kirchenlied Philipp Nicolais zu Ende: „Wie bin ich
doch so herzlich froh, daß mein Schatz ist das A und O, der Anfang
und das Ende. Er wird mich doch zu seinem Preis aufnehmen in das
Paradeis; des schlag ich in die Hände. Amen, Amen, komm, du schöne
Freudenkrone, säum nicht lange; deiner wart ich mit Verlangen.“