Der Begriff Oratorium bezeichnet drei Dinge: Zunächst seiner Wortbedeutung nach einen Gebetsraum (lat. oratorium), der keine Kirche ist und dem Gottesdienst von Gemeinschaften dient. Dies kann z. B. die Kapelle eines Klosters sein. Die beiden anderen Bedeutungen gehen auf einen ganz bestimmten Gebetsraum zurück, nämlich auf das Oratorium des später heiliggesprochenen Philipp Neri (1515-1595): In diesem Gebetsraum hielt eine Gemeinschaft von Weltpriestern (= Priester, die keinem Mönchsorden angehören) und Laien ihre Zusammenkünfte ab. Der Name ihres Versammlungsortes übertrug sich auf die Zusammenkunft (Oratorium im Sinne einer geistlichen Gemeinschaft) und auf die Mitglieder („Oratorianer“). Diese legen keine Gelübde ab und zählen deshalb nicht zu den Orden, sondern werden als „Gesellschaft apostolischen Lebens“ (societas) bezeichnet. Nach dem Vorbild der römischen Oratorianerkongregation gründete Pierre de Bérulle 1611 das sogenannte „Französische Oratorium“. Don Boscos Oratorium und dessen Niederlassungen entsprechen einem Jugendzentrum mit Schulen, Lehr- und Ausbildungsstätten, wo seine Zöglinge religiöse Unterweisung und die Möglichkeit zur Freizeitgestaltung erhielten.
Philipp Neri und die römischen Oratorianer feierten in ihrem Gebetsraum musikalisch umrahmte Andachten in der Volkssprache. Diese Andachtsform entwickelte sich zu einer eigenen musikalischen Gattung, dem ebenfalls nach seinem Entstehungsort benannten Oratorium. Auch die evangelische Kirche (z. B. Johann Sebastian Bach) und die anglikanische Kirche (z. B. Georg Friedrich Händels Oratorium „Messias“, das durch seinen Halleluja-Chor das bekannteste sein dürfte) entwickelten eigene musikalische Oratorien.