„Frohe Froheit!“, das riefen drei kleine Mädchen mitten auf dem Gehsteig den Vorbeikommenden zu. Sie bliesen Seifenblasen in die Luft, strahlten, wenn sie den zerplatzenden neue nachschicken konnten und platzten dabei selber fast vor Vergnügen. Der Alltag in den Gesichtern der Erwachsenen hellte sich auf, färbte sich in den Glanz der luftig torkelnden Seifenblasen ein: Unerwartete Freude verwandelt Trübsinn und Normalitätstrott. Auch wenn sie nur für eine Weile vorhält: Freude bewegt, löst Blockaden auf, verzaubert – lässt die Welt in neuem Licht erscheinen.
Es ist im Alltag leichter, das Negative vor Augen zu vergrößern, als darüber hinauszusehen. Der Blick verheddert sich schnell, man steht wie vor einer Mauer und sieht nicht weiter. Zuversicht hat mit freier Sicht zu tun. Sie meint Überblick, übersieht Widriges nicht, das vor den Augen liegt, kann aber darüber hinwegsehen. Der Blick in die Weite hat auch etwas emotional Wohltuendes: gute Aussicht, unverbaut, offen, weit, frei: Lebensfreude. Wenn eine schwere Prüfung bestanden ist, wenn nach einem Konflikt Versöhnung möglich wurde: Es gibt diese Situationen, wo plötzlich ein „Stein vom Herzen fällt“ und Zukunft auf einmal wieder hell wird und leicht scheint. Dies kennt nicht nur, wer von Natur aus mit einem sonnigen Gemüt gesegnet ist. Lebensfreude kann auch einem dunklen Hintergrund, einem harten Schicksal abgerungen sein. Lebensfreude ist nicht selbstbezogen. Freude kann auch Dankbarkeit gegenüber anderen sein. Froh stimmt auch die Dankbarkeit darüber, dass etwas geglückt ist, was einem anderen ermöglicht: zu leben! Und Zuversicht heißt: So sollte es sein, und so kann es sein. Weil es so ist.
Aber kann man das permanent: sich seines Lebens freuen? Mir sind Leute nicht geheuer, die vor Zuversicht nur so strotzen, nie einen Zweifel kennen. Aber auch die sind nicht besonders vertrauenerweckend, die alles Negative aufsaugen wie ein Staubsauger, die am Leben (und an ihren Mitmenschen) nichts Gutes lassen, mit Leichenbittermiene das Schöne übersehen und das Gute nicht gelten lassen.
Lebensfreude und Zuversicht haben etwas gemeinsam: offene Augen. Der Blick richtet sich nach vorn, ermöglicht Teilnahme am Leben auch der anderen. Zuversicht meint: Ich hocke nicht fest, bunkere mich nicht ein. Sondern breche immer wieder auf, mache mich auf den Weg, auf andere und anderes zu. Denn Lebensfreude will sich auch ausdrücken, möchte gestalten. Sie sagt „ja“ zu dem, was ist und was noch werden könnte: „ja“ zum Leben insgesamt also. Auch zum Überraschenden, Neuen, Unvorhergesehenen. Gerade das noch Ausstehende kann gut, schön, erfreulich werden.
Das setzt voraus, dass ich jetzt schon wahrnehme, was guttut und schön ist. Alles Mögliche kann das sein: Der erste Spargel und die ersten Erdbeeren im Mai; Frühstück mit Freunden ohne Zeitdruck; ein gutes Buch – und die Vorfreude darauf, es zu lesen; Stille; aber auch Musik, die mir aus der Seele spricht. In schöner Natur sich bewegen, sich dabei im Körper spüren. Oder die Erfahrung von Zuneigung: ich werde mit Wohlwollen gesehen, bin angenommen, zu Hause. Lebensfreude, dieses freundliche Gesicht der Lebendigkeit, kann von vielem verursacht sein, von kleinen Dingen und großen Ereignissen. Sich am Leben freuen, heißt immer auch: bewusst mit allen Sinnen wahrnehmen, schauen, schmecken, fühlen, ausdrücken, was guttut. Im Augenblick erlebte Freude stärkt die Zuversicht, dass das Leben (und die anderen Menschen) es – letztlich, hoffentlich – gut mit uns meinen.
Das Leben ist kostbar, weil es endlich und dabei doch von der Hoffnung umfangen ist, dass es kein Zufall ist. Freude will uns nicht nur besuchen, sie will bei uns wohnen, sagt Dorothee Sölle. „Ich lebe so gerne. Ich glaube ich lebe sogar noch gerne, wenn ich gestorben bin“, das steht auf einem Grabstein im Wiener Zentralfriedhof. Es gehört eben zusammen: Lebenslust und die Hoffnung auf Dauer, auf „tiefe, tiefe Ewigkeit“ (Nietzsche).
Erlaubt ist da auch eine spirituelle Lesart. Der Mystiker Meister Eckhart sagt einmal: „Gott ist ein Pferd auf grüner Wiese, das dahin springt, wohin es will.“ Gott als Bild für Freiheit, Spontaneität, gelassene Lebenslust? Eine echte Frohbotschaft! Und was empfiehlt Jesus? „Werdet wie die Kinder!“ Gemeint ist die Haltung vertrauensvoll elementarer Lebensfreude. Wenn Gott – theologisch ein anderes Wort für das stets gegenwärtige Geheimnis unseres Lebens – biblisch auch im Bild „ewiger Freude“ beschreibbar ist, dann kann Lebensvertrauen eine neue Qualität bekommen. Denn wer das im Grund seines Herzens glauben kann, dürfte sich zuversichtlich und gelassen, letztendlich auch am Ende seines Lebens, auf eine unglaubliche Überraschung freuen. Und jetzt schon ohne Angst, gelassen, spontan und frei: einfach leben. Das wär’s doch, oder?