Panis AngelicusUnterwegs mit dem Himmelsbrot

Etwas von dem Manna, mit dem Gott die Israeliten in der Wüste versorgte, wurde in einem goldenen Krug aufbewahrt und bei der Wanderung durch die Wüste mitgeführt – zum Gedächtnis der Wunder Gottes und zu seiner Verherrlichung.

Monstranz
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Die letzten drei Bitten des Vaterunsers in der kürzeren und älteren Lukasfassung sind: "Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen! Und erlass uns unsere Sünden, denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung" (Lk 11, 3-4). Die Bitte um die tageweise Brotversorgung knüpft offensichtlich an die tägliche Lieferung des Manna in der Wüste an (Ex 16). Die Schuldenbitte zitiert Ex 34,9 in der Targumfassung, Moses' Bitte um Vergebung nach Israels Fall mit dem Goldenen Kalb. Das Thema der Erprobung Israels durch Gott ("in Versuchung führen") entnimmt Jesus Dtn 8,2-3. Jesus betet also der Tora entlang und begleitet damit die Wanderung Israels durch schwere Wüstenzeiten hin zum Gelobten Land: Ex 16 – Ex 34 – Dtn 8. Dabei verknüpft Dtn 8 das Erprobungsthema mit der Gabe des Manna. Das hatte schon Ex 16,2-4 getan:

"Die ganze Gemeinde der Israeliten murrte in der Wüste gegen Mose und Aaron. Die Israeliten sagten zu ihnen: Wären wir doch im Land Ägypten durch die Hand des HERRN gestorben, als wir an den Fleischtöpfen saßen und Brot genug zu essen hatten. Ihr habt uns nur deshalb in diese Wüste geführt, um alle, die hier versammelt sind, an Hunger sterben zu lassen. Da sprach der HERR zu Mose: Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen. Das Volk soll hinausgehen, um seinen täglichen Bedarf zu sammeln. Ich will es prüfen, ob es nach meiner Weisung lebt oder nicht."

Gott will einerseits sein Volk auf dem Weg durch die Wüste ernähren. Das ist aber nicht alles. Das Murren des Volkes droht Israel immer wieder seinem Gott zu entfremden. Die Mannaversorgung soll auch das Verhältnis Israels zu seinem Gott wieder richten: Sie sollen lernen, sich täglich neu auf Gott zu verlassen.

"Am Morgen lag eine Schicht von Tau rings um das Lager. Als sich die Tauschicht gehoben hatte, lag auf dem Wüstenboden etwas Feines, Knuspriges, fein wie Reif, auf der Erde. Als das die Israeliten sahen, sagten sie zueinander: Was ist das? Denn sie wussten nicht, was es war. Da sagte Mose zu ihnen: Das ist das Brot, das der HERR euch zu essen gibt. Das ordnet der HERR an: Sammelt davon so viel, wie jeder zum Essen braucht, ein Gomer für jeden, entsprechend der Zahl der Personen in seinem Zelt. Die Israeliten taten es und sammelten ein, der eine viel, der andere wenig. Als sie die Gomer zählten, hatte keiner, der viel gesammelt hatte, zu viel, und keiner, der wenig gesammelt hatte, zu wenig. Jeder hatte so viel gesammelt, wie er zum Essen brauchte". (Ex 16,13-18)

Das Manna zu horten, Vorräte anzulegen, wäre ein Ausdruck von Misstrauen gegenüber Gott und seiner Zusage. Täglich neu sollen sie alles von Gott erhoffen und lernen, dass sie sich nicht selbst sichern können:

"Mose sagte zu ihnen: Davon darf bis zum Morgen niemand etwas übrig lassen. Doch sie hörten nicht auf Mose, sondern einige ließen etwas bis zum Morgen übrig. Aber es wurde wurmig und stank". (Ex 16,19-20)

Für den Sabbat aber gab es laut Ex 16, 22-26 eine Sonderregel:

"Sie sammelten es Morgen für Morgen, jeder so viel, wie er zum Essen brauchte. Sobald die Sonnenhitze einsetzte, zerging es. Am sechsten Tag sammelten sie die doppelte Menge Brot, zwei Gomer für jeden. Da kamen alle Sippenhäupter der Gemeinde und berichteten es Mose. Er sagte zu ihnen: Es ist so, wie der HERR gesagt hat: Morgen ist Feiertag, heiliger Sabbat für den HERRN. Backt, was ihr backen wollt, und kocht, was ihr kochen wollt, den Rest bewahrt bis morgen früh auf! Sie bewahrten es also bis zum Morgen auf, wie es Mose angeordnet hatte, und es faulte nicht, noch wurde es madig. Da sagte Mose: Esst es heute, denn heute ist Sabbat für den HERRN. Heute findet ihr draußen nichts. Sechs Tage dürft ihres sammeln, am siebten Tag ist Sabbat; da wird nichts da sein." 

Natürlich wollten einige auch hier eigenen Vorstellungen folgen:

"Am siebten Tag gingen trotzdem einige vom Volk hinaus, um zu sammeln, fanden aber nichts. Da sprach der HERR zu Mose: Wie lange wollt ihr euch noch weigern, meine Gebote und meine Weisungen zu bewahren? Seht: Der HERR hat euch den Sabbat gegeben; daher gibt er auch am sechsten Tag Brot für zwei Tage. Jeder bleibe, wo er ist. Am siebten Tag verlasse niemand seinen Platz. Das Volk ruhte also am siebten Tag. Das Haus Israel nannte das Brot Manna. Es war weiß wie Koriandersamen und schmeckte wie Honigkuchen." (Ex 16,27-31).

Das Manna kam also tageweise, und darauf musste das Volk vertrauen. Es musste lernen, sich Tag für Tag neu auf Gott zu verlassen. Wer sich selbst sichern wollte durch die Anlegung eines Vorrats, wurde enttäuscht, denn der Vorrat verfaulte. Am Tag vor dem Sabbat allerdings regnete es die doppelte Menge. Davon konnte man für den Sabbat, an dem kein Manna fiel, den notwendigen Sabbatvorrat zurücklegen. Der faulte nicht. Das Manna ist also Lebensmittel für den Leib, zugleich aber ist der Modus der Versorgung eine Einübung ins Gottvertrauen und den Verzicht auf Selbstsicherung.

Das Wunder führt ins Lob

Das Wunder der Brotversorgung in der Wüste will zwar einer Not abhelfen, dem Hunger, es will aber auch das Verhältnis zu Gott richtig ordnen. Ein Wunder kommt aber in der Bibel nicht an sein Ziel mit der bloßen Behebung der Not. Wenn es nicht auch zum Lob Gottes führt, hat es sein Ziel noch nicht wirklich erreicht. Das ist bei Jesus nicht anders:

"Da sagte Jesus zu ihm (dem Blinden): Sei sehend! Dein Glaube hat dich gerettet. Im selben Augenblick konnte er sehen. Da pries er Gott und folgte Jesus nach. Und das ganze Volk, das dies gesehen hatte, lobte Gott." (Luk 18,42-43)

Das Mannawunder will dem Volk auf der Wanderung das Leben erhalten und es zum Vertrauen auf Gott erziehen. Es muss aber schließlich in die Anbetung Gottes münden.

"Mose sagte: Der HERR ordnet folgendes an. Ein volles Gomer davon ist für die Generationen nach euch aufzubewahren, damit sie das Brot sehen, das ich euch in der Wüste zu essen gab, als ich euch aus dem Land Ägypten herausführte. Zu Aaron sagte Mose: Nimm ein Gefäß, schütte ein volles Gomer Manna hinein, und stell es vor den HERRN! Es soll für die nachkommenden Generationen aufbewahrt werden. Wie der HERR dem Mose befohlen hatte, stellte Aaron es vor das Bundeszeugnis, damit es dort aufbewahrt würde." (Ex 16,32-34)

"Brot ist zum Essen da, nicht zum Anschauen oder Herumtragen", sagten früher manche, die von der eucharistischen Frömmigkeit, vom Anschauen der Hostie und der Prozession mit dem Allerheiligsten nicht viel hielten. Beim gewöhnlichen Brot stimmt das ja auch. Aber nicht beim Manna! Das Manna muss im Begegnungszelt aufbewahrt werden "damit sie das Brot sehen, das ich euch in der Wüste zu essen gab, als ich euch aus dem Land Ägypten herausführte" (Ex 16,32). Sie sollen Gottes Wunder durch alle Generationen vor Augen haben als memoriale Domini, ein Denk-Mal für Gottes Großtaten, das zur Anbetung und Verherrlichung Gottes führen soll. Und nicht nur das! Obwohl es allmorgendlich das Manna zum Essen neu regnete, sollen sie einen Krug auf der Wanderung mitführen, den sie dann bei jedem Halt in der Wüste im wiedererrichteten Zelt neu aufstellen. Das Manna soll aufbewahrt werden, weil es gesehen werden soll, und es soll mitwandern mit dem pilgernden Gottesvolk. Ziel ist das Gedächtnis der Wunder Gottes und das Lob Gottes, wie es etwa der Psalm 78 formuliert:

"Und er gebot den Wolken oben und öffnete die Türen des Himmels und ließ ihnen Manna regnen zum Essen und gab ihnen Himmelsbrot. Das Brot der Engel aß der Mensch". (Ps 78 [77],23-25, LXX)

Nach dem Hebräerbrief wurde der goldene Krug mit dem Manna nicht nur neben der Bundeslade aufgestellt, sondern in ihr als dem Tabernakel aufbewahrt und darin wohl auch auf der Wanderung herumgetragen:

"Hinter dem zweiten Vorhang jedoch war ein Zelt, das Allerheiligstes genannt wird, mit dem goldenen Rauchopferaltar und der ganz mit Gold überzogenen Bundeslade; darin waren ein goldener Krug mit dem Manna, der Stab Aarons, der Triebe angesetzt hatte, und die Bundestafeln." (Heb 9,3-4)

"Ich bin das Brot des Lebens"

Jesus kommt in seiner Brotrede selbstverständlich auf das Manna zu sprechen, wenn er sich selbst als das lebenspendende Lebens-Mittel vorstellen will. Er tut es in biblischer Sprache:

"Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt." (Joh 6,48-51)

Das Manna in der Wüste hielt die Israeliten am Leben und erinnerte sie an Gottes Großtaten. Jesus sagt von sich, er sei wie das Manna ein Himmelsbrot, das über das damalige Manna hinaus ewiges Leben vermitteln kann. Wie das Manna, das im goldenen Krug mit den Israeliten auf Wanderschaft war, gesehen werden sollte, um zum Gotteslob zu führen, will auch der eucharistische Herr, der in der goldenen Monstranz mit uns auf Wanderschaft ist, angeschaut werden und zur Verherrlichung des darin gegenwärtigen Gottessohnes führen:

Panis angelicus
fit panis hominum.
Dat panis caelicus
figuris terminum.
O res mirabilis:
manducat Dominum
pauper servus et humilis!


Das Brot der Engel
wird Brot der Menschen,
Das Himmelsbrot
gibt den Vorbildern ein Bestimmungsziel.
O wunderbarer Sachverhalt:
Den Herrn isst
der arme und demütige Knecht.

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