Vollendete SackgasseWie viele Briefe aus Rom braucht es noch, um zu sehen, dass der Synodale Weg zu weit gegangen ist?

Anstatt eine angemessene Antwort auf den Missbrauchsskandal zu finden, diskutierte man beim Synodalen Weg jahrelang Themen, die sich in Deutschland nicht klären lassen. Der jüngste Brief aus Rom ist die letzte einer ganzen Serie von Mahnungen. Muss der Papst noch deutlicher werden?

Alina Oehler
© Carsten Schütz

Ich war als Beraterin ganz nah dran am "Synodalen Weg". Dabei gab es Vieles, was mich am Reformprozess geärgert hat, aber nichts so sehr wie seine teure Ineffizienz. Zur Erinnerung: 2,5 Millionen Euro pro Jahr wurden dafür ausgegeben – nur um sehr viel über alte Kampfthemen zu diskutieren, die die katholische Lehre betreffen und die man folglich in Deutschland allein nicht ändern kann. Es wäre stattdessen ratsam und gegenüber den Kirchensteuerzahlern redlicher gewesen, sich darauf zu fokussieren, was ohne Rom schnell möglich ist.

Wer das als Realist nicht ohnehin wusste, wurde aus dem Vatikan laufend erinnert. Die Liste ist mittlerweile lang. Eine kurze Chronologie: 2019 der erste Brief vom Papst mit der Bitte um Fokus auf Evangelisierung, 2022 der Ad-limina-Besuch der Bischöfe im Vatikan mit einem Beinahe-Todesstoß für den Weg (Moratorium) und ganz deutlich der Brief vom Januar 2023, in dem klargestellt wurde, "dass weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine Bischofskonferenz die Kompetenz haben, den 'Synodalen Rat' auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten". Bekanntlich hat man dann trotzdem weiter gemacht. Im November 2023 wieder Post aus dem Vatikan, Kardinalstaatsekretär Parolin wurde deutlich: Es kann keine deutschen Sonderwege zu Themen wie Priesterweihe der Frau oder einer Neubewertung von Homosexualität geben. Überraschend war das alles doch nicht. Und trotzdem wurde beschwichtigt und weitergemacht.

Die Beziehungen zwischen Rom und Deutschland sind auf dem Tiefpunkt

Der jetzt aktuell am 16. Februar 2024 eingegangen nächste Mahn-Brief, ist ein weiteres deutliches Stopp-Signal, vielleicht das bedeutendste bisher. Der erneute Versuch einer Verharmlosung aus Richtung des ZdK ("kein Verbot, sondern Bremse"), wird nicht mehr funktionieren. Das zeigt auch die Konsequenz – die römische Forderung, bei ihrer Vollversammlung in Augsburg doch nicht über einen "Synodalen Ausschuss" abzustimmen, setzen die deutschen Bischöfe um.

Zur Erinnerung: Dieser "Synodale Ausschuss" sollte die Gründung eines "Synodalen Rats" vorbereiten, in dem Laien und Theologen neben den Bischöfen volles Mitsprache- und Entscheidungsrecht hätten. Die Mahnung aus Rom: "Die Approbation der Satzung des Synodalen Ausschusses stünde (...) im Widerspruch zu der im besonderen Auftrag des Heiligen Vaters ergangenen Weisung des Heiligen Stuhls und würde ihn einmal mehr vor vollendete Tatsachen stellen." Hier klingt auch die mittlerweile stark belastete Beziehung zum Vatikan durch, kein Wunder – nach derart vielen kritischen Anfragen, die übergangen wurden. Wie geht es weiter?

Man hatte bisher den Eindruck, dass den "Synodalen Ausschuss" nichts aufhalten darf. Auch nicht die vier Bistümer (Regensburg, Passau, Köln, Eichstätt), die nicht mitwirken wollen. Der Träger lautete bisher trotzdem: "Deutsche Bischofskonferenz". Nicht nur Bischof Stefan Oster fragte: auf welcher rechtlichen Grundlage?

Diese deutsche Kirche, die scheinbar macht, was sie will, droht den Anschluss ans große Ganze zu verlieren. "Ich teile diese Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen", schreibt der Papst im Brief an vier Frauen, die aus dem Synodalen Weg ausgetreten waren, im November 2023.

Muss der Papst noch deutlicher werden? Dass er Bischöfe auch absetzen kann, das hat er in seiner Amtszeit schon mehrfach gezeigt.

Ich frage mich: Wie konnten die römischen Warnschilder über die Jahre beschwichtigend als "päpstliche Ermutigung zur Synodalität" missdeutet werden? Will man so Veränderungen der Lehre durchsetzen, noch dazu als derzeit wenig erfolgreicher Ableger einer globalen Organisation? Das wird Rom inhaltlich nicht beeindrucken, stattdessen schürt man im Vatikan tatsächlich die Sorge vor einem deutschen Sonderweg. Muss der Papst noch deutlicher werden? Dass er Bischöfe auch absetzen kann, das hat er in seiner Amtszeit schon mehrfach gezeigt.

Und die Kritik kam ja nicht nur aus Rom. Bischof Czeslaw Kozon von Kopenhagen war 2021 einer Synodalversammlung als "ausländischer Beobachter" zugeschaltet und konfrontierte die Synodalen mit einer "echte(n) Sorge, ob die Einheit der Kirche bewahrt werden kann." 2022 schrieben die nordischen Bischöfe einen offenen Brief mit Sorgen "um die Richtung, die Methodik und den Inhalt des synodalen Weges der Kirche in Deutschland". Ohne Folgen.

Natürlich sehe ich als junge Katholikin und Mutter auch Reformbedarf. Aber nicht so. Wenn Agenden seit Jahren feststehen und man sie – wie beim Synodalen Weg geschehen – durch Geschwindigkeit und Emotionalisierung zu erzwingen versucht, ist das kein geistlicher Weg. Argumente zu entkräften, indem man einfach das Gegenteil behauptet und weiter macht, ist manipulativ.

Bei der Vorstellungsrunde der ersten Sitzung des Forums "Macht und Gewaltenteilung" forderte eine prominente Teilnehmerin nichts Geringeres als eine "Revolution". Der Versuch einer Neubewertung der kirchlichen Lehre von Deutschland aus erschien mir damals noch als absurd. Schnell wurde ich eines Besseren belehrt. Was mich frustrierte: Es war kein Platz, einmal in Ruhe die Lehrmeinung zu den Streitthemen darzulegen, bevor sie angegriffen und neu gedacht werden sollte. Ich muss an die jungen und teils recht unbedarften Gesichter einiger Synodaler zurückdenken und an die Gespräche in den Pausen, in denen häufig zugegeben wurde, dass man "den Professoren" inhaltlich gar nicht richtig folgen könne. Gestimmt wurde trotzdem mit Ja. Dabei wurden Hoffnungen geweckt, die zwangsläufig zunächst enttäuscht werden müssen – statt sich auf das zu fokussieren, was man unabhängig von Rom schon heute ändern könnte.

Das wäre möglich gewesen

Das hätte sein können: Linien eines einheitlichen Umgangs mit dem schrecklichen Missbrauchsverbrechen, ein wirklich deutliches Schuldeingeständnis und überregional gültige Maßnahmen für eine künftige Prävention, persönliche Konsequenzen, wirklich angemessene Entschädigungssummen für die Opfer und vielleicht auch ein paar Millionen für den Kinderschutzbund als Zeichen der Buße. Und ja, auch der Blick auf die Machtstrukturen und nötige Reformen, die ohne Änderung der Lehre funktionieren und für mehr Kontrolle sorgen, wäre wichtig. Dann der Blick auf ein Land, in dem den Kirchen die Mitglieder davonlaufen und Fragen wie diese: Was können wir den Menschen jetzt schon anbieten? Wie kann Evangelisierung in dieser Situation gelingen? Wie werden wir wieder attraktiv? Das alles geht ohne Rom. Und damit auch schneller.

War das wirklich ein repräsentatives Parlament der deutschen Kirchensteuerzahler? Ich weiß nicht, warum ich dabei war, ich wurde nicht gefragt, ob ich zur Wahl stehen will und ob ich diese annehme.

Doch mit dieser Ansicht war ich Teil einer lauten, aber doch machtlosen Minderheit. Es liegt nicht fern, die nächste zielgetriebene Manipulation zu vermuten: Wer wurde eigentlich aus welchen Gründen in den Synodalen Weg berufen? War das wirklich ein repräsentatives Parlament der deutschen Kirchensteuerzahler? Ich weiß nicht, warum ich dabei war, ich wurde nicht gefragt, ob ich zur Wahl stehen will und ob ich diese annehme. Bestimmt bin ich kein Einzelfall. Und das ausgerechnet bei einem Prozess, der Kirche demokratisieren wollte.

Den Eindruck zu erwecken, dass die "Mehrheit der deutschen Katholiken" hinter den Beschlüssen des Synodalen Weges steht – das finde ich mehr als schwierig. Mit dem späteren Verzicht auf geheime Abstimmung bei den Versammlungen wurde ein weiteres demokratisches Grundprinzip mit Füßen getreten und es liegt nicht fern, zu vermuten, dass die Dämonisierung der Nein-Sager so manche Gewissensentscheidung der Bischöfe verändert hat.

Hinzu kommt, dass durch die doch recht einseitige Auswahl der Teilnehmer viele Wortbeiträge ein Klima erzeugten, dass Andersdenkende lieber verstummen ließ und Statements hervorbrachte, die einen derartigen Druck erzeugten, der manchen Beobachtern Anlass bot, emotionale Erpressung zu diagnostizieren. Ich erinnere mich exemplarisch an eine Diskussion zur Predigt für Laien in der Eucharistiefeier. Das ist sicher etwas, über das man diskutieren kann. Aber ist ein Anliegen wie dieses aktuell wirklich eines unserer größten Probleme? 

Der "Synodale Weg" hätte viel mehr tun können, wenn ein Blick rechts und links von alten Reformagenden möglich gewesen wäre. Zum Schutz der finanziellen Mittel und der zeitlichen Ressourcen hätte man ökonomischer den Fokus darauf lenken müssen, was heute in Deutschland schon machbar ist. Statt eine zum Scheitern verurteilte deutsche Reformagenda durchzupeitschen, hätte man die Veranstaltung als deutliche Zäsur mit klarem Signal versehen können: Wir sehen unsere Fehler und ziehen schnell umsetzbare Konsequenzen!

Die Kirche könnte sich in so einem Prozess wieder von ihrer heilenden Seite zeigen und ihre Spiritualität ernst nehmen. Umkehr, Buße und Anbetung, wünscht sich der Papst. Unpopulärer als schnelle Reformen. Aber so bleibt man wirklich gemeinsam auf dem Weg. Wie es jetzt mit dem "Synodalen Ausschuss" weitergeht, ist dagegen völlig unklar.

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