In der letzten Ausgabe haben wir nach Ihrer Lieblingskirche gefragt – und nach Ideen, wie „überzählige“ Kirchengebäude weiter genutzt werden können. Danke für Ihre Antworten!
Unsere Kirchen sind nicht nur Zentren für die Gemeinden und Pfarreien. Sie bieten auch Nichtchristen einen Raum des Rückzugs und der Kontemplation. Die meisten Kirchen sind sogenannte Wegekirchen in Form der römischen Basilika mit einer halbrunden Apsis und einem Längsschiff. Wenn man die Apsis als Liturgieraum belässt und mit einigen Kirchenbänken ergänzt, kann man hier auch in Zukunft Gottesdienst feiern. In die meist hohen Längsschiffe (evtl. auch Querschiffe) zieht man Decken ein und erhält mehrere Etagen, auf denen alle anderen Angebote der Gemeinde Platz hätten. Da die Gottesdienste meist außerhalt der „Bürozeiten“ stattfinden, hätte jede Handlungsebene der Kirche „ihre Zeit und ihren Ort“. Ein kleiner Nebeneffekt ist nicht zu unterschätzen: Kirche zeigt sich nicht nur als fromme Gebetsgemeinschaft, sondern ist für alle Menschen (auch Nichtchristen) tätig.
Doris Müller, Amberg
Meine Pfarrkirche ist entwidmet worden. Ich habe es als Mitglied des Kirchenvorstands selbst mitbeschlossen, weil das Immobilienkonzept unseres Erzbistums es für den Weg hin zu einer größeren Seelsorgeeinheit so verlangt hat. Die Entwidmung selbst war sehr nüchtern. Es waren circa 50 Gläubige anwesend. Der Kirchenchor hat ein Lied gesungen. Der Weihbischof hat das Dekret des Erzbischofs vorgelesen und noch ein paar Worte gesagt. Danach gab es eine Prozession zu unserer neuen Pfarrkirche, der Friedhofskapelle, in der ich getauft worden bin. Dort wurde die Heilige Messe gefeiert. Ich bin dann gegangen. Eigentlich war ich nicht traurig, eher nüchterner Beobachter, denn es bleiben mir ja viele Erinnerungen. Die für mich wichtigste ist ein Wort des Pfarrers, bei dem ich zur Erstkommunion gegangen bin. Als Messdiener habe ich ihn, ich muss damals etwa 11 oder 12 Jahre alt gewesen sein, daraufhin angesprochen, dass wir ja Messdienerinnen hätten, obwohl doch der Papst dies kürzlich verboten habe. Darauf antwortete er mir ganz trocken: „Ich bin mein eigener Papst!“ Das werde ich nie vergessen: Jeder muss die Vorschriften der Amtskirche wohl erwägen, am Ende aber doch seinen eigenen Verstand bei der Meinungsfindung zu Rate ziehen und ihn entscheiden lassen.
Claus Ehrensberger, Castrop-Rauxel
Ich habe zwei Lieblingskirchen. Die eine ist Sankt Christophorus in Himmelkron an der A 9. Jedes Mal, wenn ich die A 9 befahre, mache ich dort Halt. Der Christophorus mit dem Jesuskind schreitend durch die Wellen, das Labyrinth der Kathedrale von Chartres und vor allem das phänomenale Bild an der Altarwand. Es zeigt etwas von der Größe Gottes und auch des Kosmos und von der wahren Situation des Menschen im Kosmos. Schließlich beim Verlassen der Kirche das biblische Segenswort in den Sprachen Europas, auch der russischen.
Die zweite Kirche ist die von Friedrich Press gestaltete Kirche Sankt Clara im Kloster der Klarissen in Bautzen. Die Gottesdienste waren für alle zugänglich. An den Sonntagen kamen zur Eucharistie mehr die Frühaufsteher, Leute von 60 plus. Die haben diese karge und doch aussagestarke Kunst voll angenommen. In der Altarwand aus Hartbrandziegeln erkennt man reliefartig Christus, der die Arme ausbreitet und dem Betrachter entgegenkommt. In dieser Kirche habe ich mit den Klarissen 25 Jahre Eucharistie gefeiert. Die letzte Feier mit der Gemeinde und den letzten zwei noch anwesenden Schwestern war Ende September 2024. Seitdem sind Kirche und Kloster geschlossen. Da konnte jeder nur traurig sein.
Bernhard Wenzel, Bautzen
„Wer die Kirche im Dorf lassen will, ohne sie in ein Museum zu verwandeln, sollte ihre Türen weit öffnen, nicht nur, um die Welt hereinzulassen. Der christliche Glaube gehört nicht in dunkle, stickige Gebäude – er lebt von der engagierten Zeitgenossenschaft an der frischen Luft“, so ein Statement von Petra Bahr, ehemalige Regionalbischöfin von Hannover. Auf Bundesebene gibt es das Projekt: „Kirchturmdenken: Ein Förderprogramm für Sakralbauten und Klosteranlagen in ländlichen Räumen“. Mit viel Phantasie, Engagement durch Ehrenamtliche sind so viele Kirchen erhalten geblieben. Sie werden multifunktional genutzt.
Sakrale Bauten sind durch die Jahrhunderte gewachsener Ausdruck des sich wandelnden Glaubens, sie sind Orte der Feier dieses Glaubens und Heimstatt für die Versammlung der Gläubigen, um den Glauben in Gottesdiensten durch das Kirchenjahr zu feiern. Zudem sind sie Wegmarken in unseren Orten und Landschaften. Zu Schließung, Abriss und Neunutzung als Geschäfte, Restaurants, Wohnungen und anderes gibt es Alternativen, die ihre ursprüngliche Bestimmung bewahren helfen, wenn man die Räume etwa einer Mehrfachnutzung öffnet, auch ökumenisch. In diesem Sinne gilt der Slogan: Lasst die Kirche im Dorf!
Wolfram Viertelhaus, Wittlich
Nach meiner Lieblingskirche gefragt, nenne ich ohne Zögern „meine“ Gemeindekirche. Obwohl ich zahlreiche schöne Kirchenräume in unserer Stadt und anderswo kenne, freue ich mich immer wieder über den schlichten, modernen Kirchenraum, der mit dem Blau des Altarraumes, den himmelstrebenden Fenstern und dem Tabernakel ein Blickfang ist. Ja, ein Verlust dieser Kirche stand beinahe schon im Raum, doch zum Glück war eine Renovierung nach einem Brandschaden noch möglich und genehmigt. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass Menschen Kirchen brauchen. Nicht nur für Gottesdienste, sondern auch als Orte des Innehaltens, der Ruhe, der Atempause. Und so bin ich immer wieder über verschlossene Kirchentüren enttäuscht, wenn ich unterwegs bin. Deshalb denke ich, „überzählige“ Kirchen sollten für interreligiöses Miteinander, als soziale Anlaufstellen oder auch als Kunsträume genutzt werden – nicht aber, wie ich es auch schon erlebt habe, als Restaurants, Büro-, und Lagerräume. Die vielen Jahre, während derer Menschen hier gebetet, gefeiert oder getrauert haben, haben dem Raum eine ganz eigene Atmosphäre gegeben, die bleibt – auch nach einer Entwidmung.
Ursula Engelhardt, Fürth