Zusammenfassung / Summary
Emanuel Levinas macht deutlich, dass in der jüdischen Tradition das Spannungsverhältnis von Partikularität und Universalität relevant ist. Das lässt sich auch an biblischen Texten zeigen, etwa an Psalm 72. Im Sinn des close reading kann der Psalm einheitlich verstanden werden. Die verschiedenen Strukturanalysen des Psalms, die seit Erich Zenger eine konzentrische Struktur zum Ergebnis haben, sehen die zentrale Thematik des Psalms in den V.8-11, d.h. in der universalen Herrschaft des von Gott eingesetzten Königs. Demgegenüber zeigt meine von Frans Breukelman inspirierte Analyse eine lineare Struktur des Psalms. Die V.2-7 thematisieren die Herrschaft des irdisch-idealisierten Königs für Israel und die V.8-17 seine Herrschaft für alle Nationen der Erde. Die Schluss-Doxologie fasst die Abschnitte V.2-7 und V.8-11 zusammen, indem sie zur Segnung des Gottes Israels (V.18) als des Gottes der ganzen Erde (V.19) auffordert – ein zentraler Aspekt Biblischer Theologie.