Textauszug des Beitrags von Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt.
Die große Bedeutung der Pferde in der griechisch-römischen Welt zeigt sich auch durch ihre Integration in sakrale Praktiken, kultischen Wettkämpfen und religiösen Vorstellungssystemen. Pferde wurden Gottheiten zugeordnet und traten in Mythen prominent auf, sei es als einfache Pferde, sei es als faszinierende Mischwesen. Die Präsenz dieser Tiere in Kult und Mythos unterstreicht ihre große Bedeutung im religiösen, aber auch politischen und gesellschaftlichen Leben der antiken Welt.
Bei Homer sind Pferde immer wieder präsent. Sie traten vor Troja zumeist als Gespannpferde auf, denn homerische Helden nutzten Streitwagen, um auf das Schlachtfeld zu gelangen. Geritten wurden Pferde nur in Ausnahmefällen, etwa auf der Flucht. Gespanne wurden als vornehmer empfunden. Pferdegespanne sind auch bei Leichenspielen belegt, so bei den von dem griechischen Helden Achilleus für seinen Freund Patroklos gegebenen, die auf einer Hydria des späten 6. Jh.s v. Chr. gezeigt werden. Solche sportlichen Wettkämpfe fanden sowohl im Götterkult wie im Totenkult statt.
Pferde der Götter
Verschiedene griechische Gottheiten nutzten Pferde für hoheitsvolle Gespanne. Mit dem Pferdegespann auf das Engste verbunden war der Sonnengott Helios/Sol, der damit aufsteigt und den Himmel durchfährt. Auf antiken Bildzeugnissen wird sein von Pferden gezogener Sonnenwagen sehr häufig abgebildet. Eine künstlerisch herausragende Wiedergabe findet sich im Ostgiebel des Parthenon von Athen, in dem im Zentrum die Geburt der Göttin Athena dargestellt wird. Die Geburt fand im Olymp statt und es waren weitere Gottheiten anwesend. Gerahmt wird die Szene links von dem aus dem Ozean aufsteigenden Sonnengott Helios mit seinem Pferdegespann und rechts von seinem weiblichen Pendant, der Mondgöttin Selene, die mit einem Pferdegespann in den Ozean absteigt.
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Pferdemischwesen
In der Antike gab es unterschiedliche Mischwesen, oft monsterhaften oder ungestümen Charakters. Pferde waren darunter auch zahlreich vertreten. Der Pegasos ist das bis heute wohl bekannteste antike Pferdemischwesen. Doch sind auch weitere mythologische Gestalten zu nennen, darunter die Kentauren, die vorne Mensch und hinten Pferd waren und einen ambivalenten Charakter hatten. Unter ihnen gab es sowohl den gebildeten Erzieher Chiron wie auch lüsterne Trunkenbolde, die eine griechische Hochzeitsgesellschaft überfielen. Als animalisch charakterisiert sind auch die Satyrn, die Begleiter des Dionysos, die fast vollständig menschengestaltig waren, aber hinten einen Pferdeschweif hatten, womit ihr wildes Wesen gezeigt wurde.
Pferde in Olympia
Das Zeusheiligtum von Olympia auf der Peloponnes war Ort sportlicher Wettkämpfe, darunter auch sogenannter hippischer Agone, also Pferderennen. Diese Wettkämpfe, bei denen sowohl um die Wette geritten als auch Gespann gefahren wurde, fanden in der Pferderennbahn, dem Hippodrom, statt. Aus heutiger Perspektive werden solche olympischen Wettkämpfe gerne auf eine sportliche Dimension reduziert, doch waren sie in der Antike zunächst einmal kultische, also religiöse Feiern. Als solche sind sie durchaus mit den Leichenfestspielen für den homerischen Helden Patroklos oder den jüngeren Apobaten-Wettkämpfen bei den Panathenäen in Athen vergleichbar. In Olympia war das Pferd aber darüber hinaus in einen größeren mythologisch-religiösen Sinnzusammenhang integriert.
Die hippischen Agone wurden nämlich zurückgeführt auf ein Wagenrennen, das der mythische König Oinomaos, der über das Gebiet von Olympia herrschte, gegen die Freier seiner Tochter Hippodameia (die «Rossezähmerin») fuhr. Seine schnellen Pferde hatte Oinomaos von seinem Vater, dem Kriegsgott Ares, erhalten, der in Olympia auch als Ares Hippios verehrt wurde. Wer gegen Oinomaos im Pferderennen verlor, wurde getötet. Erst der Held Pelops, nach dem die Peloponnes benannt ist, gewann in dem Rennen und wurde so selbst König und Gatte der Hippodameia.
In Olympia wurden Zeus und Hera verehrt und unter den reichen Weihgeschenken, die bei den Ausgrabungen im Heiligtum gefunden wurden, befinden sich zahlreiche Bronze- und Tonstatuetten von Pferden, die in das 9. bis 7. Jh. v. Chr. datiert werden. Möglicherweise waren diese Weihgeschenke an Hera als Schützerin der Pferde adressiert. Im Hippodrom von Olympia hatte Hera Hippia ebenso wie Poseidon Hippios einen Altar in der Mitte der Startanlagen und schützte so Tier und Mensch bei den gefährlichen Rennen.
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ANTIKE WELT 4/2022 »Das Pferd in der Antike«
Das Pferd ist ein steter Begleiter des Menschen. Wildpferde werden zunächst als Rohstoffquelle, also vor allem als Fleischlieferant von den prähistorischen Kulturen Eurasiens und Afrikas gejagt. Doch die Domestikation des Pferdes in Zentralasien im 4. Jahrtausend v. Chr. ändert alles und ist der Beginn einer intensiven Tier-Mensch-Beziehung, die sich ungebrochen bis in die Gegenwart erstreckt.
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