"Jedes Kind im Ruhrgebiet weiß, dass der Kohlenbergbau der wirtschaftliche Motor der Region in den vergangenen hundert Jahren war," so LWL-Archäologe Dr. Manuel Zeiler. "Kaum bekannt ist dagegen, dass bereits im Mittelalter in der Region Steinkohle abgebaut wurde. Die Ursprünge eines der bedeutendsten Bergbaugebiete Europas liegen somit noch nahezu im Dunkeln - dies wollen wir ändern", so der Experte der LWL-Archäologie für Westfalen weiter. Denn es gebe nur wenige Schriftquellen zu den Anfängen des Steinkohlenbergbaus, seine Entwicklung bis zum 17. Jahrhundert sei auch kaum in Schriftquellen beschrieben. Eine wichtige technologische Zäsur sei dabei der Beginn des Stollenbaus.
Dr. Jennifer Garner vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum: "Am Beginn des Steinkohlenbergbaus erkannten die Bergleute an der Oberfläche Steinkohle und folgten den Flözen mit Grabungen senkrecht oder schräg in die Tiefe. Irgendwann aber gruben die Bergleute so tief, dass das einfließende Grubenwasser kaum mehr ausgefördert werden konnte. Das war der Beginn des Stollenbaus", erklärt Garner.
Ein Stollen ist eine horizontale Eingrabung in den Berg, durch die dann das Grubenwasser ausgelassen werden kann und aus dem Berg gelöst wird - Lösungsstollen werden daher diese Stollen genannt. Um den Beginn dieses Übergangs zum Stollenbau untersuchen zu können, waren Geländebegehungen und die Auswertung historischer Quellen nötig. So konnten die Forschenden den Stollen in Haßlinghausen als geeigneten Forschungskandidat identifizieren. "Dieser Stollen befindet sich in einem Areal, dass bereits im 17. Jahrhundert intensiv bergbaulich genutzt wurde", weiß Dr. Till Kasielke vom GeoPark Ruhrgebiet e.V. "Dieser alte Stollen war damals aber schon alt, blieb unberücksichtigt und deswegen vermuten wir, dass er älter als das 17. Jahrhundert datiert", so Kasielke weiter.
Herausragendes Ergebnis ist die Freilegung des alten Stollens, der mit den Schachtpingen an verschiedenen Betriebspunkten gleichzeitig errichtet wurde.
LWL-Archäologie für Westfalen/Manuel Zeiler
Eine Seltenheit im Ruhrgebiet
Darüber hinaus ist der Stollen nach Angaben der Fachleute eine Rarität im Ruhrgebiet: Damit der Stollen schnell angelegt werden konnte, wurden zahlreiche Bauschächte angelegt, damit untertage mehrere Teams gleichzeitig die Stollenabschnitte graben konnten, ein sogenannter Gegenortvortrieb. Der Stollen ist mit 70 Metern Länge kürzer als die bekannten Entwässerungsstollen der Region und erreichte das Flöz in 10 Metern Tiefe.
Die Forschenden gruben Ausgrabungsschnitte mit Unterstützung der Stadt Sprockhövel, dem Landesbetrieb WaldundHolz.nrw sowie der Grundstückseigentümerin und konnten verschiedene Bauareale des Stollens analysieren. Ziel sind Funde, die diesen alten Bergbau datieren helfen und damit einen Ansatz ermöglichen, wann im Ruhrbergbau erstmals Stollen erbaut wurden.
Die Ergebnisse und Erfahrungen dieser Untersuchungen sollen in ein umfassenderes montanarchäologisches Projekt zu den Anfängen des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet fließen. Die Arbeiten in Sprockhövel sind die Fortsetzung dieses interdisziplinären Forschungsprojektes zu den Ursprüngen des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet, das 2024 mit Ausgrabungen in Hagen startete.
Meldung LWL