Authentische Orte des Bauernkriegs im Mansfelder Land entdeckt

Vor den Toren Allstedts (Landkreis Mansfeld-Südharz) können auch im laufenden Jahr die archäologischen Untersuchungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt im ehemaligen Kloster Kaltenborn fortgesetzt werden. Daneben konnte mit der Wiederentdeckung des Standortes der verschollenen Mallerbacher Kapelle, deren Zerstörung im März 1524 als Vorbote des Bauernkrieges im mitteldeutschen Raum gelten kann, ein weiterer authentischer Ort dieser historisch bedeutsamen Geschehnisse ans Licht gebracht werden.

Die wiederentdeckten Überreste der Mallerbacher Kapelle bei Allstedt von Osten gesehen, mit dem Kyffhäuser im Hintergrund.
Die wiederentdeckten Überreste der Mallerbacher Kapelle bei Allstedt von Osten gesehen, mit dem Kyffhäuser im Hintergrund.© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Robert Prust

Bereits im Jahr 2023 erbrachten archäologische Untersuchungen in den ehemaligen Klöstern Kaltenborn (Landkreis Mansfeld-Südharz) und Himmelpforte (Landkreis Harz) eindrucksvolle Spuren der Plünderung und Zerstörung, der diese einstigen geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Zentren 1525 anheimfielen. Dies erfolgte im Rahmen des Aufstandes unterdrückter Bauern, städtischer Unterschichten und niederer Adeliger, der insbesondere ab Anfang 1525 große Teile des deutschsprachigen Raumes erfasste und unter dem Begriff ›Bauernkrieg‹ in die Geschichte einging.

Authentisches Zeugnis des aufflammenden Konfliktes: die wiederentdeckte Mallerbacher Kapelle

Bei Allstedt konnte eine Sondageuntersuchung durchgeführt werden, die der Suche nach dem verschollenen Standort der Mallerbacher Kapelle galt. Die Plünderung und Zerstörung dieses Wallfahrtsortes durch aufgebrachte Alltstedter Bürger, mutmaßlich unter dem Eindruck des seinerzeit an der Johanniskirche in Allstedt predigenden Thomas Müntzer, ist für die Geschichte des Bauernkrieges im mitteldeutschen Raum von herausragender Bedeutung. So kann ihre Zerstörung – ein Akt der Auflehnung gegen das Zisterzienserinnenkloster Naundorf, dem die Marienkapelle unterstand und dem gegenüber die Allstedter abgabenpflichtig waren – als erstes Aufflammen und Vorbote des kommenden Aufstands des ›gemeinen Mannes‹ gegen die Obrigkeiten gelten.

Dabei verband sich die Auflehnung gegen eine erdrückende Last an Abgaben und Diensten mit der protestantischen Bewegung, die das klösterliche Leben und den Heiligenkult grundsätzlich in Frage stellte. Die am Weg zwischen Allstedt und Querfurt gelegene Wallfahrtskapelle, in der ein salzige Tränen weinendes, wundertätiges Marienbild verehrt wurde, wurde am 24. März 1524 von Allstedter Bürgern geplündert und niedergebrannt. Der Rat der Stadt weigerte sich später, die Täter zu bestrafen. In einem Schreiben an Herzog Johann von Sachsen wird die Tat damit gerechtfertigt, dass in der Kapelle der »Teufel zu Mallerbach unter dem Namen Maria« angebetet worden sei – eine mutmaßlich auf Thomas Müntzer zurückgehende Argumentation.

Dem Reformator, der zu jener Zeit Prediger an der Johanniskirche in Allstedt war und großen Zulauf hatte, war das für die Kirche sehr lukrative Wallfahrtswesen, wie auch anderen Reformatoren, ein besonderer Dorn im Auge. Müntzer griff das nahe gelegene Pilgerziel in seinen Ansprachen und Predigten immer wieder an. Nach der Niederlage des Bauernheeres bei Bad Frankenhausen gab der gefangen genommene Müntzer bei einem Verhör unter Folter gar an, er sei 1524 in Mallerbach Zeuge der Plünderung und Zerstörung der Kapelle gewesen.

Freigelegter Grundriss der Mallerbacher Kapelle. DAs Altarfundament in der halbrunden Apsis weist deutliche Brandspuren auf.
Freigelegter Grundriss der Mallerbacher Kapelle. DAs Altarfundament in der halbrunden Apsis weist deutliche Brandspuren auf. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Robert Prust

Der Standort der Mallerbacher Kapelle geriet in Vergessenheit. Die Nachforschung im Rahmen einer aktuellen archäologischen Ausgrabung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt erbrachte nun einen als sensationell zu bezeichnenden Befund: So konnte nicht nur der Standort der einstigen Wallfahrtskapelle identifiziert, sondern auch ihr gesamter Grundriss freigelegt werden. Die überraschend gut erhaltenen Reste des Kirchleins belegen eine mit etwa 17 Metern Länge recht kleine Saalkirche mit Rechteckchor und halbrunder Apsis. Sie dürfte ins 12./13. Jahrhundert zurückgehen und ursprünglich die Kirche des Dorfes Mallerbach gewesen sein, das im späten Mittelalter wüst gefallen war. Gut erhalten ist auch das Altarfundament, das starke Spuren von Brandeinwirkung zeigt. Im Kirchenschiff belegen heruntergebrochene Dachziegel, Schieferplatten und verkohlte Hölzer die Feuerzerstörung des Bauwerks, die wohl unmittelbar mit dem Gewaltereignis vor 500 Jahren verknüpft werden kann.

Im Umkreis der Kirche – innerhalb des üblichen Bestattungsareals – wurden im Laufe der Zeit vor allem kleine Kinder bestattet. Etliche Münzen und mehrere Pilgerzeichen künden vom Wallfahrtsgeschehen des 15. und frühen 16. Jahrhunderts.

Mit der Wiederentdeckung der Mallerbacher Kapelle, die wesentlich dem Engagement des Grabungsmitarbeiters und ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegers Frank Philippczyck zu verdanken ist, gelingt die Wiedergewinnung eines herausragenden Geschichtsortes des Bauernkrieges im mitteldeutschen Raum.

Fortsetzung der Untersuchungen im ehemaligen Kloster Kaltenborn

Die derzeit laufende Forschungsgrabung im einstigen Augustinerchorherrenstift Kaltenborn bei Emseloh (Stadt Allstedt) ermöglicht weitere aufschlussreiche Einblicke in die Geschichte und das Alltagsleben des wohlhabenden Konventes, aber auch in die Macht der Zerstörung, durch die es im Mai 1525 getroffen wurde.

Blick auf die rechteckige Hauptapsis, die den Ostabschluss der Klosterkirche Kaltenborn bildet.
Blick auf die rechteckige Hauptapsis, die den Ostabschluss der Klosterkirche Kaltenborn bildet. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup

Das 1118 durch den sächsisch-thüringischen Grafen Wichmann aus dem Erbe seiner Gemahlin Kunigunde – Tochter des Grafen Ludwig des Springers – gegründete Augustinerchorherrenstift war eines der wohlhabendsten und angesehensten Klöster der Region. Im April 1525 wurde es, so geht es aus Berichten und Prozessakten hervor, von Bauern aus den benachbarten Dörfern Emseloh und Riestedt gestürmt. Bevor sie Feuer legten, zerbrachen sie die Fenster, beschädigten die Orgel und stahlen alles, was die geflohenen Chorherren zurückgelassen hatten – Vieh, Holz, Getreide und Vorräte.

Bis das ehemalige Kloster im Jahr 2023 erstmals Gegenstand einer archäologischen Forschungsgrabung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt war, war es nach seiner Aufhebung im Jahr 1538 ebenfalls – wie die Mallerbacher Kapelle – gänzlich aus der Kulturlandschaft verschwunden. Die Untersuchungen, die aktuell noch bis zum 20. September 2024 fortgesetzt werden, liefern neben beeindruckenden Baubefunden auch Relikte der Zerstörung. In den Trümmern Kaltenborns künden Brand- und Schuttschichten mit zerschlagenen Keramikgefäßen sowie Glasscherben von Fenstern von massiven Zerstörungen. Zahllose Buchschließen sind letzte Zeugnisse der Klosterbibliothek, deren Vernichtung das Ende der Klöster als Leuchttürme von Wissen und Bildung des Mittelalters besiegelte.

 

Bereits in der letztjährigen Ausgrabung wurden zahlreiche Buchbeschläge aus Buntmetall gefunden, die von der verlorenen Bibliothek des Klosters Kaltenborn zeugen.
Bereits in der letztjährigen Ausgrabung wurden zahlreiche Buchbeschläge aus Buntmetall gefunden, die von der verlorenen Bibliothek des Klosters Kaltenborn zeugen. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup

Ein geradezu spektakulärer, wenn auch auf den ersten Blick unscheinbar wirkender Neufund ist das Fragment eines Siegelstempels, bei dem es sich um das bislang nur von einer Abbildung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts bekannte runde Siegel des Kaltenborner Konvents handeln muss. Nach dem Vorbild dieser Abbildung lässt sich der erhaltene Teil der Umschrift zu [SIGILL(um) S(an)C(t)I IOH(ann)IS EW(angelista) IN C]ALDENBVRN rekonstruieren. Durch eine Urkunde von 1322 ist belegt, dass Propst und Konvent jeweils ein eigenes Siegel führten und bestimmte Urkunden gemeinsam besiegelten. Vom Siegelbild ist etwa ein Drittel erhalten. Recht gut zu erkennen ist ein Adlerkopf mit Heiligenschein, der das Sinnbild für den Evangelisten Johannes vermuten lässt, den Schutzheiligen des Klosters Kaltenborn.

Meldung Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

 

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