2. Sonntag nach Weihnachten (4.1.2026)
Johannes 1,14b: Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
„Ja, ist denn noch Weihnachten“, wenn doch schon die meisten Weihnachtsbäume abgeschmückt und entsorgt sind? Wenn die Weihnachtskrippen und Pyramiden wieder verpackt sind und der Alltag wieder eingesetzt hat; wenn der Glanz des Baums und der wärmende Schein der Kerzen vergangen und Geschichte sind?
Ja, es ist (noch) Weihnachtszeit. Die Herrlichkeit Gottes, sein Glanz, seine Wärme und seine Menschenfreundlichkeit sind an Weihnachten sichtbar zur Welt gekommen. Jetzt, im tatsächlichen und vermeintlichen Alltag, wo das übliche Leben wieder einsetzt nach den Weihnachtsfeiertagen, ist es wohl die Nagelprobe, ob wir von dieser Herrlichkeit des Christfestes her unser Leben gestalten können. Gottesdienst im Alltag der Welt.
Ob das Licht uns auch innerlich gewärmt und erleuchtet hat. Ob wir genügend Weihnachtsfreude erfahren und getankt haben.
Nach der göttlichen Offenbarung zum Weihnachtsfest und dem himmlischen Prolog des Johannesevangeliums nun auf der Erde der Ernstfall des Glaubens und des Lebens.
Habe ich mich vom Kind in der Krippe berühren lassen? Habe ich die Freundlichkeit Gottes erfahren?
Für das Johannesevangelium beginnt Weihnachten im Himmel. Ein himmlischer Prolog, in dem Gottes Wort auf die Erde kommt und seine Herrlichkeit nicht nur im Himmel strahlt, sondern auch auf der Erde. Der Auftakt ist gut. Was wir im tatsächlichen und vermeintlichen Alltag daraus machen, hängt von uns, hängt von mir ab. Die Basis ist gelegt, durch Gott selbst. Nun liegt es an mir, diese Herrlichkeit zu bewahren, sie zu pflegen und auch zu leben. Die drei Herzensworte „Herrlichkeit“, „Gnade“ und „Wahrheit“ sind Containerbegriffe, die viel enthalten und für mein Leben entfalten können. Aufmachen und entpacken muss ich diese Geschenke allerdings immer wieder neu, um mich an dem weihnachtlichen Inhalt erfreuen zu können. Damit Weihnachten nicht nur an drei Tagen zur Zeit der Wintersonnenwende ist, sondern ein Lebensgefühl und eine Glaubenshaltung. „Herrlichkeit“, „Gnade“ und „Wahrheit“ klingen doch zu verlockend und einladend. Gott hat sich mir in wunderbarer Weise in dem Kind von Bethlehem geöffnet. Die Herrlichkeit Gottes begleitet uns jeden Tag, in der Schule, auf der Arbeit, zu Hause, im Miteinander. Lasst uns deshalb mit offenen Augen und Herzen durch das neue Jahr gehen, bereit, diese Herrlichkeit weiterzugeben durch Lieben, geduldig-Sein und Hoffen. Im Mitgefühl, wo vergeben möglich ist und Frieden wächst.
1. Sonntag nach Epiphanias (11.1.2026
Römer 8,14: Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.
Szene 1
Da sehe ich sie wieder, entweder bei den Einkaufswagen beim Diskounter oder auf der Parkbank an der Promenade oder (bei Regen und Kälte) unter der Überdachung bei der Stadthalle: die drei Männer, die mit der Nase, den Augen und den Ohren von Weitem zu erkennen sind. Immer eine Flasche Bier in der Hand und eine Zigarette zwischen den Lippen. Und ihre lautstarke Unterredung klingt verwaschen. Mache ich einen Bogen um sie? Rümpfe ich die Nase? Oder sind es merkwürdige drei Heilige Könige?
Szene 2
Da stehen sie wieder vor der Tür. Die Sternsinger sind wieder unterwegs in unseren Dörfern und Städten. Ziehen von Haus zu Haus und stehen vor den Wohnungstüren. Kinder und Jugendliche ziehen durch die Straßen, um Gottes Segen in jedes Haus zu bringen. Berührend, sie zu erleben und ihre Worte und ihren Gesang zu hören. „Christus segne dieses Haus und alle, die da gehen ein und aus.“ Und dann im Lauf des Jahres, wenn ich diese Aufschrift an den Türen sehe und über die Türschwelle gehe, denke ich gern daran zurück und freue mich darüber und nehme den Segenswunsch für mich immer wieder neu wahr und auf.
Vom Geist getrieben zu sein. Motiviert zu sein, aber jetzt von keinem bösen Geist oder vom Geist der Zeit, sondern vielmehr von dem Heiligen Geist, von Gottes gutem Geist.
Geistbesitz ist attraktiv. Geistlosigkeit ist ein Schimpfwort.
Die leuchtend strahlend fröhlichen Kinderaugen, die begeistert bei der Sache sind, wenn sie als Sternsinger unterwegs sind, um Gottes guten Geist in jede Wohnung und damit zu den Menschen zu bringen. Be geisterte geben den Segen weiter, wollen ihn nicht nur für sich haben, sondern ihn weitertragen und weitergeben.
Wahrlich, das sind Gottes Kinder, so denke ich mir und freue mich über die Sternsinger und den Segen und grüble darüber, ob die drei Obdachlosen auch Geistträger sein können oder sogar sind. Welche Botschaft strahlen sie aus, und wie berühren sie mich? Und wie begegne ich den drei Mitmenschen auf der Parkbank?
Und dann weiter, bei mir landen: Welchen Geist strahle ich aus, wenn ich die Türschwelle bei Besuchen überschreite, und wie trete ich Menschen gegenüber? Nehme ich das Gegenüber als Gottes Geschöpf wahr und bin neugierig, welcher Geist mir dort entgegenweht? In welcher Form Gottes Geist in und bei dem Menschen zuhause ist. Neugierig und offen für Gottes Handeln und auf das Gegenüber zu sein.
2. Sonntag nach Epiphanias (18.1.2026)
Johannes 1,16: Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
„In Hülle und Fülle“ ist nicht „in Saus und Braus“.
Vielleicht eher „la dolce vita“. Ein süßes Leben.
Da zur Süße des Lebens auch das Schwere gehört. Es geschieht so viel gleichzeitig: Unendliches Glück und Freude und unaussprechliches Unglück und Kummer.
Liebe und Tod.
Gewinnen und verlieren.
Und dennoch: in Hülle und Fülle.
In der Sprache der Romantik des 19. Jahrhunderts ausgedrückt: hinreichend und ausreichend zugleich.
Es ist ausreichend, wenn es ausreicht. Reichtum ist, wenn es ausreicht. Fernab von Überfluss und Überdruss.
Hinreichend ist es, wenn es genügt und ausreicht. Wenn ich nicht mehr brauche.
Wir leben von, mit und durch Gottes Gnade und Treue, denn „sie hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.“ (EG 452,1) Jeden Morgen neu. Jede Woche von vorn und jedes Jahr von neuem.
Immer neu und immer wieder: Fülle von Gnade.
Gerade nun in der Zeit nach dem Dreikönigstag.
In der Zeit des Lichts und des Segens nach dem Epiphaniastag.
Menschen sehnen sich nach einem Leben in Hülle und Fülle.
Nach glücklich sein und zufrieden sein.
In den sozialen Medien sehen wir scheinbar perfektes Leben.
Voller Glanz, voller Freude und Abenteuer. Doch echte Fülle entsteht nicht durch Überfluss. Vielmehr entsteht durch Überfluss oftmals Überdruss.
Tiefe Freude bedeutet, dankbar zu sein, vertrauen zu dürfen und inneren Halt und Frieden zu spüren.
Gerade in schwierigen und herausfordernden Zeiten spüren wir, dass nicht materieller Reichtum zählt, sondern das, was uns wirklich trägt:
Liebe, Freundschaft und Trost.
In einer Welt in Aufruhr schenkt Gott uns etwas Bleibendes – jeden Tag neu – seine Gnade.
„La Dolce vita“.
3. Sonntag nach Epiphanias (25.1.2026)
Lukas 13,29: Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.
In dieser Woche (27. Januar) liegt der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Bundespräsident Roman Herzog hat im Jahr 1996 diesen Tag anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz im Jahr 1945 ausgerufen. Die Vereinten Nationen haben diesen Tag im Jahr 2005 auch zum Gedenktag proklamiert.
Vor 80 – 90 Jahren wurden Menschen aus allen Teilen Europas in die Vernichtungslager deportiert und dort ermordet.
Im Bewusstsein dieser abscheulichen Verbrechen klingt der Wochenspruch aus dem Lukasevangelium in meinen Ohren makaber ja zynisch. In unserer Kleinstadt wurden vor 15 Jahren die ersten Stolpersteine verlegt, um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Im vergangenen Sommer wurden zwei neue verlegt. Jugendliche haben recherchiert und die Lebensgeschichte zweier jüdischer Mitbürger aufgeschrieben. Eine wichtige und notwendige Vergegenwärtigung, sowohl für die Jugendlichen als auch für die Angehörigen der Opfer als auch für die Bürgerschaft.
„Ich möchte Weltbürger sein, überall zuhaus und – was noch entscheidender ist – überall unterwegs.“ So schrieb es einst der große Humanist Erasmus von Rotterdam. Gegen die Verkürzung und Verkleinerung unserer Sichtweisen. Wir leben in einer großen Welt und sind ein Teil dieser Erde.
Auch als christliche Gemeinden benötigen wir die Öffnung zum Weltganzen, um nicht in unserer Provinzialität gefangen zu sein. Gottes Ruf, seine frohe Botschaft gilt der ganzen Welt. Wir sind geschickt und gesandt in die ganze Welt. Damit betreten wir natürlich öfter Neuland und lassen die gewohnte Sicherheit hinter uns.
Wenn Gottes Ruf allen Menschen gilt, dann ist die Völkerwanderung zum gedeckten und vorbereiteten Tisch Gottes eine herzliche Einladung und keine Zwangsdeportation. Der Universalität Gottes entspricht ein Denken und Ahnen in größeren Zusammenhängen. Wir sind Weltbürger, Bürger dieser Welt und unterwegs auf dieser Erde. Miteinander Suchende und Erwartete am Tisch Gottes. Diese Universalität bedeutet auch eine zweite Chance für jeden Menschen und auch für Zivilgesellschaften. Eine zweite Chance zu haben, ist ein wunderbares Geschenk. Nach Verirrung und Versagen Dank der Vergebung, wieder neu anfangen zu können und zu dürfen, um Weltbürger zu sein.