Gedanken zur „Sommerpause“Erdenschwer und himmelsleicht

Ich träume den Wolken hinterher, die am Himmel ziehen. Sie sind so leicht. Ihr Weiß am blauen Himmel erzählt mir vom Sommer. Ich schaue ihnen nach und spüre Weite.

Einschränkungen, Bestimmungen, immer neue Fassungen der Coronaschutzverordnung – sie haben die vergangenen Monate geprägt. Wiedergewonnene Freiheiten jetzt – und gleichzeitig die Sorge, ob es wirklich schon an der Zeit ist zu so viel Lockerungen. Geht mir das nicht alles viel zu schnell? Abstand halten – in vielen Situationen bräuchte ich das gar nicht mehr. Aber ich habe mich so daran gewöhnt. Ich bleibe automatisch körperlich auf Abstand und wünsche mir zugleich wieder mehr Verbundensein mit anderen.

Ich fühle mich wie zerrissen. Und die Sorgen der vergangenen Monate haben ganz schön Gewicht. Erdenschwer fühle ich mich. Und habe umso mehr Sehnsucht nach Freiheit, nach Aufhebung von Begrenzungen. Feste wieder ausgelassen feiern, Unterwegs sein, ja, Urlaub machen zu können, allein der Gedanke macht mich glücklich.

„Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken ziehen.“ (Psalm 36,6)

Ich träume den Wolken hinterher. Ich schaue in den Himmel. Gottes Güte – so weit wie der Himmel. Wo kann ich dieses Gut-sein Gottes für mich in meiner zerrissenen Sehnsucht spüren? So dass sie mein Leben wieder weit macht und mich erfüllt?

Ich lese Hermann Hesses Gedicht „Die leise Wolke“:
„Eine schmale, weiße
Eine sanfte, leise
Wolke weht im Blauen hin.
Senke Deinen Blick und fühle
Selig sie mit weißer Kühle
Dir durch blaue Träume ziehn.“

Die leise Wolke nimmt mich auf ihre Spur: „Senke deinen Blick“ - schau erst mal hin, wo du stehst nach diesen langen Wochen. Sieh, was diese Zeit mit dir gemacht hat. Und du mit ihr. Wo bist du jetzt angekommen? Betrachte in Ruhe deine Gefühle und Bedürfnisse, deine Sorgen und Hoffnungen. Nimm Dir reichlich Zeit dafür, vielleicht grade jetzt, wenn Du Sommerpause machst. Vielleicht kannst Du entdecken: Im Hinspüren und Nachsinnen entsteht ein weiter Raum in mir.

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ (Psalm 31,9) Diesen weiten Raum will ich näher erkunden: mich behutsam vortasten, meine Sehnsucht nach Freiheit lebendiger werden lassen, vorsichtig ausprobieren, wie Begegnung und Gemeinschaft wieder neu geht und wie es sich anfühlt. Möge Gott mir dazu starken und guten Halt geben, dass ich wieder festen Stand und sicheren Boden finden kann. Erdenschwer und himmelsleicht.

„Der Wolken Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.“

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