Ermittlungen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki eingestelltKeine Anklage trotz teils hinreichendem Tatverdacht

Stadtansicht von Köln in schwarz und weiß
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Gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erhebt die Staatsanwaltschaft Köln nach zweieinhalb Jahren Ermittlungen keine Anklage wegen Meineids. Das Verfahren wurde nun teils mangels hinreichenden Tatverdachts und teils vorläufig gegen Auferlegung einer Geldzahlung von 26.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Dies teilte die Staatsanwalt am 6. Mai mit. Der Erzbischof zeigte sich laut Erzbistum „froh und dankbar“, dass es „zu einem Schlusspunkt“ gekommen sei.

Die Staatsanwaltschaft hatte seit Ende 2022 gegen den Erzbischof wegen möglicher falscher eidesstattlicher Versicherungen und des Verdachts auf Meineid ermittelt. Es ging um Aussagen im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Presserechtsstreitigkeiten zwischen dem Erzbischof und der „Bild“-Zeitung, in denen sich Woelki überwiegend durchgesetzt hat. Die Artikel berichteten aus Sicht des Kardinals in ehrverletzender Weise über ihn. In den Ermittlungen gegen ihn ging es um seinen Umgang mit zwei Missbrauchsfällen, speziell darum, ab wann er darüber nähere Kenntnisse hatte. Immobilien des Erzbistums und von dessen E-Mail-Dienstleister wurden durchsucht; Handy und Laptop des Kardinals ausgewertet; gesichtet wurden Whatsapp-Chats sowie rund 800.000 E-Mails.

Im ersten Fall ging es um einen Priester, der 2001 mit einem sich prostituierenden 16-Jährigen einen damals nicht strafbaren sexuellen Kontakt hatte. Laut Staatsanwaltschaft konnte Woelkis Darstellung nicht widerlegt werden, dass er bei dessen Beförderung im Jahre 2017 nur von diesem Vorfall sowie von „Gerüchten“ gehört habe. Woelkis eidesstattliche Erklärung im Jahre 2023 dagegen, er habe bis dato weder maßgebliche Dokumente eingesehen noch von sonstigen sexuellen Übergriffen des Beförderten erfahren, sei „als objektiv unwahr anzusehen“. So stelle ein von Woelki unterzeichnetes Schreiben von 2018 den Fall eingehend dar. Woelkis Darstellung, den Brief „zwar unterzeichnet, nicht aber gelesen zu haben“, sei mittels zahlreicher Indizien widerlegt. Ihm sei kein vorsätzliches Handeln nachweisbar, er sei aber wegen fahrlässigen Falscheides hinreichend verdächtig.

Im zweiten Fall ging es um den Ex-Präsidenten des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“, Winfried Pilz. Gegen den 2019 verstorbenen Geistlichen hatte das Erzbistum Köln Ende Juni 2022 Missbrauchsvorwürfe öffentlich gemacht. Auch in diesem Falle sei Woelki laut Staatsanwaltschaft „wegen fahrlässiger Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt“ hinreichend verdächtig. Pilz hatte seinen Ruhestand im Bistum Dresden-Meißen verbracht, das unter Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, nicht über die Missbrauchsvorwürfe informiert worden war. Woelki wehrte sich gegen die Darstellung der „Bild“-Zeitung, er habe sich in seiner 2014 beginnenden Amtszeit bewusst gegen die Information des ostdeutschen Bistums entschieden. In dem Gerichtsverfahren versicherte er an Eides statt, dass er erst ab Juni 2022 mit dem Fall Pilz befasst gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelte dagegen, dass Woelki spätestens 2019 nach dem Tod von Pilz davon wusste. Chatnachrichten belegten die Unsicherheit des Erzbischof hinsichtlich des Zeitpunkts seiner Kenntnis von dem Fall. Die Erinnerungslücken hätte er einräumen müssen, statt „aufs Geratewohl“ andere Behauptungen aufzustellen.

In einer Pressemitteilung vom 6. Mai teilte das Erzbistum Köln mit, der Kardinal sei „unschuldig und hat nicht gelogen. Er hat keine Aussagedelikte, insbesondere keinen Meineid begangen“. Bei der Zahlung von zwei Monatsgehältern an eine gemeinnützige Organisation handele es „sich ausdrücklich um keine Strafe. Der Kardinal ist und bleibt unschuldig.“

Dieser Darstellung widersprach wiederum die Staatsanwaltschaft. Die Unschuldsbehauptung wegen Einstellung des Ermittlungsverfahrens „finde ich schon ziemlich stark“, erklärte ihr Sprecher, Ulrich Bremer, im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der Strafrechtler Thomas Weigend sagte in derselben Zeitung, im Ergebnis bleibe der Sachverhalt aufgrund der Einstellung ungeklärt. Die Geldzahlung könne aber als „ausreichend“ gesehen werden könne, um den Verdacht nicht weiter zu verfolgen.

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