Theologische EthikDen Menschen einbeziehen

Das Zweite Vatikanum war für die katholische Theologie in vieler Hinsicht ein Einschnitt. Der aus einer Ringvorlesung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn hervorgegangene Band unternimmt den Versuch einer nachkonziliaren Bilanz für den Bereich der Theologischen Ethik. Dabei verbindet er zum Teil Biografisches mit Sachgesichtspunkten, so im einleitenden Beitrag von Karl Gabriel. Er befasst sich mit dem wechselnden Schicksal vor allem der Christlichen Sozialethik und kommt zu dem Schluss, ihre Zukunft sei ungewiss.

Konrad Hilpert liefert einen instruktiven Überblick zu den Veränderungen in der heiklen Sexual- und Beziehungsethik, indem er Brennpunkte der sexualethischen Debatten parallel zu Referenztexten der kirchenamtlichen Lehre und Kontexten in der gesellschaftlichen Debatte in den vergangenen Jahrzehnten darstellt. Er urteilt zusammenfassend, wenn das Lehren und Unterweisen über Moral überhaupt noch eine Zukunft haben solle, müsse es in einem Sprechmodus erfolgen, der die Fragen der Menschen und Denkprozesse aufnehme und die Adressaten mit ihren Erfahrungen und Überzeugungen einbeziehe. Josef Schuster skizziert sorgfältig die Entwicklungen bezüglich der Bio- und Medizinethik. Sein Fazit: Bei der Rezeption der ethisch relevanten Sachfragen würden Ethikerinnen und Ethiker stets auf die Expertise der einzelnen Wissenschaften angewiesen bleiben.

Interesse verdient der Beitrag von Herbert Schlögel zur Theologischen Ethik in ökumenischer Perspektive. Er legt die entsprechenden Schwierigkeiten zwischen katholischer und evangelischer Kirche ehrlich dar, erteilt aber auch der Rede von einer „Grunddifferenz“ auf dem Feld der Ethik eine Absage. Jochen Sautermeister vergleicht abschließend die einschlägigen Grundsatzartikel zur Moraltheologie und Theologischen Ethik in den drei Ausgaben des „Lexikons für Theologie und Kirche“. Daran zeigt er den Wandel in den theologischen Grundpositionen, von einer systematisch geschlossenen dogmatischen Moraltheologie zu einer „anthropologisch fundierten, an der Praxis und Lehre ausgerichteten offenen systematischen Reflexion auf das sittliche Leben“. Der Band macht durchgehend Mut, in dieser Perspektive weiterzuarbeiten. Ulrich Ruh

Anzeige: Menschenrechte nach der Zeitenwende. Gründe für mehr Selbstbewusstsein. Von Heiner Bielefeldt und Daniel Bogner
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Jochen Sautermeister

Brill/Schöningh, Paderborn 2025, 168 S., 89,00 € (D)