Kurz vor der Sommerpause ging es in Bayern jüngst wieder einmal um das Kruzifix. Ehemalige Schülerinnen eines Gymnasiums hatten geklagt, weil die Schule das Kreuz nicht abgehängt hatte. Nun hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden: Die Konfrontation mit dem Kruzifix ist ein „Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit“. Mit anderen Worten: Das Kruzifix muss weg – jeder darf glauben, was er möchte.
Hintergrund des Rechtsstreits ist der „Kreuzerlass“ von Ministerpräsident Markus Söder aus dem Jahr 2018. Demnach muss in jedem bayerischen Dienstgebäude ein Kruzifix gut sichtbar angebracht werden. Denn Bayern sei ein Land mit einer christlich-abendländischen Prägung, was dadurch zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Nun also wendet sich das Kreuz wieder einmal gegen Söder. Das politische Kalkül, das hinter der damaligen Entscheidung steckte, entpuppt nun seine religiöse Dimension: Denn wenn Menschen den Anblick eines Kreuzes nicht dulden, weil er nicht mit ihrem Glauben vereinbar ist, zeigt sich, wie sehr der „Kreuzerlass“ von einer religiösen Eindimensionalität geprägt ist. Religion aber – die christlich-katholische betont das besonders auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil – ist plural und offen gegenüber anderen Religionen. Die religiösen Ausschließungsmechanismen, die mit dem Kruzifix im öffentlichen Raum zum Ausdruck kommen, sind auch mit der staatlichen Glaubensfreiheit nicht vereinbar.
Auffallend ist, dass Klaus Holetschek, Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion, betont, Bayern sei „ein Land der Vielfalt und Toleranz“. Und in einem Atemzug hebt er hervor, Bayern sei „aber eben auch ein Land mit christlich-abendländischer Prägung“.
Der christliche Glaube ist kein Gegensatz zu Vielfalt und Toleranz. Wer Kruzifixe aufhängt, der muss damit rechnen, dass er damit diese Vielfalt und Toleranz in religiöser Hinsicht eingrenzt. Der muss aber auch einkalkulieren, dass sich die Glaubensfreiheit ihren Raum zurückerobert und die Pluralität letztlich über die Einhegung siegt. Und der, der mit politischer Macht das Aufhängen von Kruzifixen verordnet hat, bleibt hinsichtlich des Glaubens ohnmächtig. Denn Glaube lässt sich selbst durch die schönsten Symbole nicht aufzwingen. Wahre Größe zeigt der, der auch in Glaubensangelegenheiten Vielfalt und Toleranz fördert – und damit Zeugnis gibt von seiner jüdischen, christlichen oder muslimischen Prägung.