Präsenz für eine klare BotschaftVom Vorlesen zum Verkündigen

Eine Lektorin steht am Ambo
Den Raum, in dem man spricht, und die Gemeinde, zu der man spricht, bewusst wahrzunehmen, ist für den Lektorendienst ganz wesentlich.© 2020, KNA GmbH, www.kna.de, All Rights Reserved

Nach Wochen voller Livestream- Gottesdienste und Messen zu Hause am Bildschirm haben Sie gemerkt, dass es anders ist, ob man „live“ dabei ist oder ob man im Kirchenraum anwesend ist. Und auch hier ist es ein Unterschied, ob man weit auseinander und mit Maske in der Bank sitzt oder ob man auf Abstand und Schutz nicht zu achten braucht. In diesem Fall entsteht Nähe und Verbundenheit, wir nehmen einander wahr und fühlen uns beteiligt. Es fühlt sich lebendiger an.

Wenn Sie Lektorin oder Lektor sind, sind Sie wahrscheinlich genau wie ich froh darüber, endlich wieder das Lektionar auf den Ambo legen zu dürfen und in der Messe daraus vorzulesen. Und sicherlich sind Sie auch froh darüber, dass Sie wieder in Gesichter sehen und zu Menschen sprechen, die real vor Ihnen sitzen. Als Lektor/in liegt Ihnen die Verkündigung am Herzen. Damit die Botschaft der Lesung klar transportiert wird und damit die hörende Gemeinde den Schriftlesungen mit der gleichen Wertschätzung begegnet wie Sie selbst als Lektor oder Lektorin, brauchen Sie eine optimale Präsenz.

Was Präsenz bedeutet

Ich weiß noch, wie ich in meiner Jugend zum ersten Mal das Wort „live“ gehört habe und sehr beeindruckt war, jetzt im Fernsehen das zu sehen, was in diesem Moment an einem anderen Ort geschah. Manchmal beneidete ich die Menschen, denen es vergönnt war, dabei sein zu können. Ich stellte mir vor, wie unmittelbar die Menschen an dem Geschehen teilhaben konnten. Dort anwesend zu sein, musste alles noch greifbarer machen. Man erlebte alles „in echt“, wie Kinder gerne sagen. Es ist wie bei einer persönlichen Begegnung: Wir nehmen mehr voneinander wahr, Vertrautheit entsteht, Unsicherheit schwindet, wenn wir wirklich gegenwärtig und mit allen Sinnen dabei sind. Immer dann sind wir präsent.

Präsent zu sein, geht weit über das einfache Anwesendsein hinaus. Fragen Sie sich einmal, was Sie erwarten, wenn Sie selbst Hörende/r sind. Sie sind zum Gottesdienst erschienen, weil Sie teilhaben wollen. Weil Sie eine Botschaft hören wollen, die auch Ihnen gilt, vorgetragen von einer Person, der nicht gleichgültig ist, was sie liest. Und fragen Sie sich, was Sie als Lektor erwarten: Vermutlich zumindest ruhige, am besten aufmerksame und interessierte Hörerinnen und Hörer, die neugierig und bereit sind, das Wort aufzunehmen. Was verlangt es demnach von Ihnen als Lektor, als Lektorin, präsent zu sein? Sich bewusst auf den Lesevortrag einzustellen fordert Konzentration und die Bereitschaft zur Kommunikation. Darum ist es wichtig, dass Sie

  • die Sinne schärfen: für sich selbst, die Menschen, den Raum;
  • sich verankern: bei sich bleiben;
  • sich einlassen: auf den Text und die Messfeier;
  • in Resonanz gehen: mit den anwesenden Gläubigen.

Bewusst den Fokus setzen

Mit folgenden vier Schritten lenken Sie Ihren Fokus bewusst nach innen und nach außen. Mit dem Blick für das Hier und Jetzt geben Sie der hörenden Gemeinde die Botschaft der Schriftlesung mit auf den Weg.

1. Den Raum wahrnehmen

Nehmen Sie, wenn Sie den Raum betreten, sehr bewusst die Größe des Raumes wahr. Fragen Sie sich: Ist der Raum objektiv groß oder eher klein? Wie wirkt der Raum auf mich selbst? Könnte ich ihn mit meiner Stimme füllen? Hallt es, wenn man spricht? Welchen Weg muss ich von meinem Platz zum Ambo zurücklegen? Was fällt mir ins Auge, wenn ich vom Ambo aus aufblicke? Machen Sie sich bewusst, dass Sie für eine bestimmte Zeit im Fokus stehen: durch Ihr Auftreten, Ihre Präsenz, Ihre Stimme.

2. Sich selbst wahrnehmen

Gehen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit zu sich selbst. Lenken Sie Ihre Sinne bewusst zu Ihrem Körper. Setzen Sie sich aufrecht hin und verfolgen Sie Ihre Atemzüge, ruhig und gleichmäßig. Die Atmung bildet das Zentrum. Legen Sie eine Hand auf den Bauch, um dies gut zu spüren und gut bei sich zu bleiben. Lassen Sie den Unterkiefer locker, machen Sie leichte Kaubewegungen und bewegen Sie die Zunge im Mund. Das ruhige Atmen aus der Mitte und lockere Sprechwerkzeuge lassen Ihre Stimme klangvoll und tragfähig erklingen.

3. Die Gemeinde wahrnehmen

Richten Sie nun die Aufmerksamkeit nach außen und stellen Sie eine Beziehung zu den Hörenden her. Machen Sie sich bewusst, dass Sie zu den Menschen sprechen, die wie Sie im Raum anwesend sind, manche näher, manche weiter weg. Sie sind wie Gesprächspartner, denen Sie etwas Wichtiges und Interessantes mitzuteilen haben. Blicken Sie zu Beginn der Lesung in die Gemeinde und halten Sie den Blick über die einleitenden Worte, denn dann ist er bewusst gesetzt und „spricht an“. Damit bauen Sie eine Verbindung auf und schaffen Verbindlichkeit.

4. Den Text wahrnehmen

Machen Sie sich noch einmal die Botschaft Ihres Textes bewusst. Was waren Ihre Gedanken, als Sie den Text das erste Mal gelesen haben? Welche Stimmung hat sich bei Ihnen eingestellt? Ist es eine Geschichte, die Sie berührt? Ein Bericht, der nüchtern und sachlich wie ein Nachrichtentext daherkommt? Gibt es Ratschläge, Anweisungen? Was nehmen Sie für sich mit? Was möchten Sie mitteilen, was finden Sie hörenswert? Machen Sie sich klar, was Sie gerne selbst daraus empfehlen würden, und verankern Sie damit die Botschaft.

Weshalb Sie unverzichtbar sind

Wahrscheinlich war Ihnen bisher kaum bewusst, welchen Anteil an der Verkündigung Sie selbst durch Ihren Auftritt haben. Nur wenn Sie als Lektor das Ohr der Menschen öffnen, bereiten Sie den Boden für die Botschaft des Evangeliums. Die Schriftlesungen sind nicht verzichtbar oder entbehrlich, und Sie als Lektor und Lektorin sind es auch nicht. Nein, um die Botschaft hören und verstehen zu können, brauchen wir Vorlesende, die sie gut mitteilen können sowie präsent sind und sich einlassen. Man könnte auch sagen: Sie sind systemrelevant für die Kirche.

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