Authentische ZeugenLiturgische Dienste bei besonderen Feiern

Ist es sinnvoll, Familienangehörige und Freunde bei besonderen Feiern einen liturgischen Dienst ausüben zu lassen?

Hände streichen die Seiten eines Lektionars glatt.
Die Ausübung eines liturgischen Dienstes vermittelt etwas von dem Größeren, das in der Liturgie gefeiert wird. Deshalb bedarf es einer Grund- und Weiterbildung, bei manchen Diensten auch einer Beauftragung, sowie der persönlichen Vorbereitung auf die jeweilige Ausübung.© Atelier Kern

Erstes Szenario: Beim feierlichen Erstkommuniongottesdienst übernehmen die Kommunionkinder diverse Aufgaben. Unter anderem halten sie die Leuchter während der Verkündigung des Evangeliums und bringen die Gaben zum Altar. Die zahlreich erschienenen Ministrantinnen und Ministranten sind teilweise „arbeitslos“.

Zweites Szenario: Bei einer Taufe innerhalb der sonntäglichen Messfeier werden Lesung und Fürbitten von Angehörigen des Täuflings gelesen, die weder zur Gemeinde gehören noch dem verantwortlichen Priester bekannt sind.

Drittes Szenario: Beim Elternabend wird der Erstkommuniongottesdienst geplant. Der Pfarrer fragt: „Wer aus den Familien würde denn gerne die Lesung lesen?“ Zunächst Stille, dann schlägt eine Mutter ihren Ehemann vor. In privaten Gesprächen war er zuvor mehrmals als nicht gläubig geschildert worden. Eine Katechetin hat sich dann – in Kenntnis der Sachlage – noch „vorgedrängt“ und den Dienst übernommen.

Diese Szenarien ließen sich beliebig ergänzen: Beim Firmgottesdienst lesen Firmlinge die Lesung. Bei Taufen außerhalb der Messfeier und bei Trauungen ist es teilweise schon obligatorisch, Lesungen und Fürbitten von Angehörigen des Täuflings bzw. des Brautpaares vortragen zu lassen. Leider ist auch in diesen Fällen nicht automatisch davon auszugehen, dass diese „Hilfslektoren“ das „Wort des lebendigen Gottes“ auch tatsächlich als solches betrachten.

„Wo liegt das Problem?“, wird mancher fragen. Gründe für dieses Vorgehen sind ja meist pastorale Erwägungen. Die Menschen wollen „ihre“ Feier mitgestalten; wollen emotional mitgenommen werden, unter anderem durch die Beteiligung von ihnen nahestehenden Personen am Gottesdienst. Kommunionkinder und Firmlinge sollen im Mittelpunkt stehen und ernst genommen werden etc. Bei aller Berechtigung dieser Anliegen – die beschriebenen Formen der Umsetzung erscheinen bei näherer Betrachtung als durchaus problematisch.

Die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium nennt die entscheidenden Kriterien für die Übernahme von Diensten im Gottesdienst (Hervorhebungen im Folgenden durch die Autorin): „Bei den liturgischen Feiern soll jeder, sei er Liturge oder Gläubiger, in der Ausübung seiner Aufgabe nur das und all das tun, was ihm aus der Natur der Sache und gemäß den liturgischen Regeln zukommt“ (SC 28). „Auch die Ministranten, Lektoren, Kommentatoren und die Mitglieder der Kirchenchöre vollziehen einen wahrhaft liturgischen Dienst. Deshalb sollen sie ihre Aufgabe in aufrichtiger Frömmigkeit und in einer Ordnung erfüllen, wie sie einem solchen Dienst ziemt und wie sie das Volk Gottes mit Recht von ihnen verlangt. Deshalb muss man sie, jeden nach seiner Weise, sorgfältig in den Geist der Liturgie einführen und unterweisen, auf dass sie sich in rechter Art und Ordnung ihrer Aufgabe unterziehen“ (SC 29).

Viele, die in besonderen Gottesdiensten ausnahmsweise einen solchen Dienst übernehmen, bringen die oben genannten Voraussetzungen nicht mit: Nehmen sie doch häufig nicht einmal regelmäßig am Leben der Kirche teil. Davon, dass sie sorgfältig in den Geist der Liturgie eingeführt und unterwiesen wurden, ganz zu schweigen.

Und die berechtigten pastoralen Anliegen?

Es stellt sich die Frage, ob es nicht gerade in der heutigen Zeit eine wichtige pastorale Aufgabe ist, diejenigen Gemeindemitglieder, die normalerweise liturgische Dienste versehen, wegen ihrer Kompetenz auch und gerade zu Erstkommunionfeiern, Firmungen, Taufen, Trauungen etc. hinzuzuziehen. In der Pastoralen Einführung zur „Feier der Kindertaufe“ (Bonn 2008) heißt es: „Als Eingliederung in die Kirche ist die Taufe auch Aufnahme in die Pfarrgemeinde. Daher ist der Taufgottesdienst keine private Familienfeier, sondern öffentlicher Gottesdienst, zu dem die ganze Gemeinde entsprechend einzuladen ist (...)“ (29). „Neben Eltern und Paten, die die ihnen zukommenden Aufgaben übernehmen, sollen weitere Dienste bei der Feier beteiligt sein: a) Lektor/ Lektorin; b) Ministranten und Ministrantinnen“ sowie diverse kirchenmusikalisch Tätige (33).

Die Pastorale Einführung geht also ganz klar von einer Beteiligung der Gemeinde an Tauffeiern aus, und zwar sowohl von Personen, die einfach mitfeiern, als auch von besonderen Diensten. Und dies unabhängig davon, ob die Taufe innerhalb der Messfeier oder als eigenständiger Gottesdienst gefeiert wird.

Trauungen werden häufig noch stärker als Taufen als höchst individuelle Feiern im Familien- und Freundeskreis empfunden und entsprechende Erwartungen an die verantwortlichen Geistlichen herangetragen. Aber auch in der Pastoralen Einführung zur Feier der Trauung (Bonn 1992) lesen wir: „Da die Trauung auf das Wachsen und die Heiligung des Gottesvolkes hingeordnet ist, hat ihre Feier Gemeinschaftscharakter; dieser legt die Teilnahme auch der Pfarrgemeinde oder wenigstens einiger ihrer Glieder nahe (...)“ (28).

Sind dies nur Idealbilder, die heute kaum zu verwirklichen sind? Interessant ist, dass die Vorgängerausgabe zur aktuellen Feier der Kindertaufe aus dem Jahr 1969 nur die klerikalen Dienste erwähnt. Im Vorgängerband zur Feier der Trauung (1975) ist die Teilnahme von Gemeindemitgliedern jenseits der Feiergesellschaft keiner expliziten Erwähnung wert. Hier ist also eine Sensibilität für die Wichtigkeit der Gemeinde, die am Ort Kirche repräsentiert, gewachsen.

Und es ist ein heute mehr denn je unabdingbarer Teil pastoraler Arbeit, die aktiven Gemeindemitglieder, inklusive der „einfachen“ Gottesdienstbesucher, wertzuschätzen und in ihrem Tun zu stärken. Sie sind es, die Gemeindeleben ermöglichen und dessen Höhepunkte, die Feier der Sakramente, mittragen.

Wer immer den Empfang eines Sakramentes begehrt, sollte spüren:

  • Ich kann diese Feier hier nur deshalb begehen, weil es konkrete Gläubige an diesem Ort gibt, die sich engagieren, die sich regelmäßig zum Gotteslob zusammenfinden, die sich von ihrem Glauben an Christus in die Pflicht nehmen lassen.
  • In dieser Gemeinde sind Menschen, die für mich (unter anderem im Fürbittgebet der Messe) beten, denen ich wichtig bin.
  • In dieser Gemeinde gibt es Menschen, die sich in den Dienst der Verkündigung des Wortes Gottes nehmen lassen und dieses als Lektoren ernst nehmen.
  • In dieser Gemeinde gibt es Kinder und Jugendliche, die – entgegen manchem Trend – verlässlich Dienst am Altar tun.
  • „Unsere“ Feier – so sehr wir uns dabei auch im Mittelpunkt fühlen mögen – hat Anteil an etwas Größerem, ja sie ist nur als Teil dieses Größeren in dieser Form möglich. Dieses Größere, die Kirche Christi, ist nur dann lebendig, wenn Menschen sich von Jesus Christus ansprechen und in die Pflicht nehmen lassen.
  • Wir feiern nicht uns, sondern den, der uns – in den verschiedenen Gottesdiensten jeweils einschlägig akzentuiert – seinen Beistand zusichert. Deshalb gibt die Kirche hier einen Rahmen vor.
  • Mit Blick auf die Lesung: Ich bin heute der oder die ganz besonders vom Wort Gottes Angesprochene und empfange es deshalb hörend.
  • Auch ich bin (bzw. wir sind) eingeladen, als Teil dieser Gemeinschaft zu leben. Ich fehle, wenn ich mich normalerweise der Gemeinde entziehe.

Wer aber in einem solchen wie in jedem Gottesdienst einen Dienst übernimmt (oder aber auch als einfaches Gemeindemitglied daran teilnimmt), darf wissen:

  • Ich bin wichtig als Zeuge für meinen Glauben und werde als solcher von allen anderen Gottesdienstteilnehmern gebraucht (und nicht etwa allein aus praktischen, ästhetischen oder liturgietheoretischen Gründen).
  • Ich bin eventuell wichtig als Repräsentant einer Gruppe, die sonst im Gottesdienst kaum präsent ist. (Hier ist besonders an die Ministranten zu denken, die oft als weitgehend einzige ältere Kinder oder Jugendliche die Feier bereichern, aber auch an junge Lektoren, Kantoren etc.)
  • Wozu ich im Gottesdienst beauftragt bin, wofür ich (hoffentlich) geschult und regelmäßig weitergebildet wurde, ist nicht einfach von anderen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, zu übernehmen. (Falsche Bescheidenheit ist hier fehl am Platz. Qualifikation wird in unserer Gesellschaft allerorten verlangt.)

Fazit

Es scheint mir heute in den meisten Fällen nicht mehr angemessen, die Dienste im Gottesdienst ausnahmsweise an die in der jeweiligen Feier „im Mittelpunkt“ stehenden Sakramentenempfänger und ihre Angehörigen zu vergeben. Die liturgischen Vorgaben sind ohnehin eindeutig.

Aus pastoraler Sicht aber braucht die Kirche, brauchen die Fernstehenden, die entschieden Nichtgläubigen, die Suchenden und nicht zuletzt auch die fest in der Kirche verwurzelten Christen authentische Zeugen des Glaubens. Als solche dürfen und müssen wir die Dienste im Gottesdienst auch verstehen.

Deshalb ist es Aufgabe der Seelsorger, die Gläubigen – insbesondere auch die Dienste – für diese Dimension ihrer Teilhabe am Gottesdienst zu sensibilisieren. Die Termine von Taufen außerhalb der Messfeier und von Trauungen sollten einladend als Gemeindeereignisse kommuniziert und Dienste – wo immer möglich – planmäßig in diese Feiern einbezogen werden.

Ein Artikel in der folgenden Ausgabe unserer Zeitschrift beschäftigt sich mit der Frage, wie Brautpaare, Firmlinge, Kommunionkinder, Angehörige usw. den jeweiligen Gottesdienst aktiv miterleben können.

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