I.
Schluss mit dem Brimoborium. Peter Beer wünsche sich, dass es bei der Papstwahl transparenter und partizipativer zugeht. Ich besuche ihn in seinem Büro in der Villa Malta, einem Haus der Jesuiten in Rom, mit wundervollem Blick über die Stadt. Beer hält nichts von all den Spekulationen vor dem Konklave, von den Listen der "Papabili", die in den Medien ventiliert werden, erst recht nicht von Gerüchten und Intrigen, die durch die "nordkoreanische" Informationspolitik des Vatikans nur befeuert werden. Den geheimnisvollen Ritualen des Konklaves kann er nichts abgewinnen.
Peter Beer war lange Generalvikar des Erzbistums München und Freising unter Kardinal Reinhard Marx; heute ist er Professor an der römischen Jesuitenuniversität "Gregoriana". Dort arbeitet er zusammen mit Pater Hans Zollner im "Institute of Anthropology: Interdisciplinary Studies on Human Dignity and Care", das sich vor allem der Prävention von sexuellem Missbrauch verschrieben hat. Zollner und Beer haben für die Zeitschrift "Cicero" skizziert, wie sich das Prozedere ihrer Meinung nach ändern sollte. Wenn es nach ihnen geht, muss die Wahl des Oberhaupts der katholischen Kirche für die Öffentlichkeit nachvollziehbar und unter Beteiligung des Kirchenvolkes verlaufen; insbesondere die Kriterien für die Auswahl des Amtsinhabers sollen unter Einbezug der Gläubigen durch "relevante Repräsentanten" formuliert werden. Kurz, die beiden Autoren wollen, dass die Papstwahl nach dem Prinzip der "Synodalität" erfolgt.
Als Beer mir in seinem Büro davon erzählt, wirkt das auf mich ganz plausibel. Ist es nicht wirklich ein Problem, ja, eine völlige Selbstüberforderung, dass nach dem Tod des bisherigen Pontifex plötzlich ältere Männer aus aller Welt anreisen und sich auf die Schnelle über ein Anforderungsprofil verständigen und dann auch noch herausfinden müssen, wer aus den eigenen Reihen diesem Profil nun an ehesten entspricht? Wäre da eine groß angelegte kirchliche Bürgerbeteiligung nicht hilfreich? Statt des jetzigen "Boheis um die Papstwahl" (Beer und Zollner) ein transparentes, öffentliches Verfahren?
II.
Wahrscheinlich war es auch der Wunsch nach mehr "Synodalität", der Franziskus dazu veranlasst hat, Bischöfe aus entlegenen Gebieten, in denen es zum Teil kaum katholische Gläubige gibt, zu Kardinälen zu ernennen, und damit auch der katholischen "Peripherie" Stimme und Mitspracherecht bei der Wahl des Papstes zu geben.
Am 4. Mai wird in einer Reportage der "New York Times" Kardinal Anders Arborelius, Bischof von Stockholm (Katholikenanteil 1,2 Prozent) zitiert:
"‚Die Kardinäle kennen sich nicht so gut‘, sagte der schwedische Kardinal Anders Arborelius, der die letzten Tage in einem vollen Saal des Vatikans verbracht hat, um sich die Anliegen anzuhören und die Namen der Rekordzahl von Kardinälen zu lernen, die Papst Franziskus ernannt hat und die seinen Nachfolger wählen werden. Kardinal Arborelius saß in einem Bereich, der für eine kleine Gruppe von Neulingen aus Ländern reserviert war, die noch nie einen Kardinal hatten. Darunter auch einer aus Mali, der, wie er sagte, nach dem ersten Tag 'verschwunden' war, und einer aus Laos, der nach vielen Tagen der Treffen 'nicht mehr aufgetaucht ist'. Er selbst, sagte er, fühle sich 'die ganze Zeit verloren'."
III.
Ein paar Tage später sitze ich abends mit einigen ziemlich säkularen Bekannten zusammen. Die Leute fragen mich Löcher in den Bauch. Viele haben den Film "Konklave" gesehen. Sie gehen nicht in die Kirche, einige sind ausgetreten, aber auf einmal ist alles, was mit Papst und Konklave zu tun hat, von höchster Bedeutung. Als ich von den Vorschlägen zur Modernisierung des Verfahrens erzähle, schallt mir lauter Protest entgegen. Natürlich müsse die Papstwahl weiterhin so intransparent, geheimnisvoll und fremdartig bleiben, wie bisher – das mache sie ja gerade so interessant!
IV.
Beim Gespräch geht es auch um die Message der letzten Pontifikate. Schnell ist klar, dass das Motto des Franziskus-Pontifikats Demut und Barmherzigkeit lautete. Ich fange mal wieder damit an, dass mir die Bescheidenheit von Franziskus zu demonstrativ gewesen sei. Da höre ich den Einwand: Immerhin habe Franziskus der Weltöffentlichkeit den Wert von Demut und Barmherzigkeit klargemacht, und das in einer Zeit, in der überall die "starken Männer" den Ton angeben. Wenn die Botschaft ankommen soll, müsse sie demonstrativ sein, sonst gehe sie unter.