Ich gebe zu: Als ich das erste Mal ein kleines Mädchen gesehen habe, das als Therese von Lisieux verkleidet war, hatte ich gemischte Gefühle. Ich fand es total süß und zugleich irgendwie anmaßend und ein kleines bisschen schräg. Der besonders unter amerikanischen Katholiken verbreitete Trend, an Halloween eine "Allerheiligen-Party" zu feiern, kommt immer mehr nach Deutschland. Dabei verkleiden sich die Kinder nicht als blutrünstige Vampire, sondern als kleine Heilige. Je länger ich darüber nachdenke, kann ich der Idee etwas abgewinnen. Vor allem dann, wenn sie nicht als Kulturkampf inszeniert wird, sondern als fröhliches und Hoffnung machendes Gemeinschaftserlebnis, das nebenbei kindgerecht Theologie vermittelt.
Ich bin selbst in einer pietistisch geprägten Gegend aufgewachsen. Als ich das erste Mal Ende der Neunziger bei den Nachbarn um "Süßes oder Saures" bitten wollte, zog mein Vater, katholischer Gemeindereferent, sichtlich die Augenbrauen hoch: Er ist selbst kein Halloween-Fan und hatte Bauchschmerzen, was die überzeugten evangelischen Nachbarn von uns denken würden. Gemacht haben wir es natürlich trotzdem.
Aber seien wir ehrlich: So richtig passt das, was heute an Halloween gemacht wird, nicht zum Christentum. Einer der häufigsten Sätze in der Bibel heißt: "Fürchte Dich nicht!" Christen wollen in der Regel Hoffnung und Zuversicht verbreiten und nicht Angst und Schrecken.
Eigentlich müsste man gar keine neuen Namen wie "Holy wins" oder "Santosanti" erfinden, womit solche "Heiligen-Partys" gerne bezeichnet werden. Schließlich heißt "hallow" bereits heilig (vergleiche das Vaterunser auf Englisch: "hallowed be thy name"). Aber bei Halloween denken die meisten eben an Gruselschocker und nicht an Elisabeth von Thüringen. Daran ändert auch nichts, dass kirchliche Kommunikation seit Jahren rauf und runterbetet, dass Halloween ja nichts anderes als "All Hallows' Eve" heißt, also den Vorabend zum Allerheiligenfest bezeichnet. Wirkmächtiger sind da in unserer medial geprägten Welt schon Bilder – und die produziert eine "Holy wins"-Party.
Alle sind zur Heiligkeit berufen
Die Vorbereitungen auf ein solches Event bringen theologische Themen an den Ort, an dem am meisten Glaubensweitergabe geschieht: die Familie. Gleichzeitig ist es kein Geheimnis, dass das Glaubenswissen beständig abnimmt. Es braucht Gelegenheiten, um darüber zu sprechen – wenn diese auch noch Spaß machen, umso besser.
Bei älteren Kindern wird sicher die Frage kommen, was "heilig" denn eigentlich meint. So kann sich ein Gespräch darüber entwickeln, was Heiligkeit bedeutet und was nicht: immer perfekt zu sein.
Die Kinder können selbst in die Wahl einbezogen werden, welche Heilige sie sein möchten. Bei dieser Gelegenheit wird es auch darum gehen, welche Heiligen es überhaupt gibt und was ihr Leben besonders gemacht hat. Bei älteren Kindern wird sicher die Frage kommen, was "heilig" denn eigentlich meint. So kann sich ein Gespräch darüber entwickeln, was Heiligkeit bedeutet und was nicht: immer perfekt zu sein. Dadurch, dass jeder zum Verkleiden eingeladen ist, wird ein Grunddatum des Zweiten Vatikanischen Konzils spürbar, dass nämlich alle zur Heiligkeit berufen sind. Mögliche Kostüme sind auch Tiere der Bibel – oder etwa der Wolf, zu dem der heilige Franziskus gepredigt hat. Die entsprechende Stelle aus der Bibel oder der Heiligengeschichte kann beim Aussuchen gemeinsam gelesen werden.
Richtig ausleben kann man sich bei der passenden Verköstigung: Blüten-Muffins für die heilige Therese ("Ich werde im Himmel nicht untätig bleiben […]. Ja, ich werde Rosen regnen lassen über die Menschen."), Tierkekse für den heiligen Franziskus, Schleckmuscheln für den heiligen Jakobus, Cracker in Fischform für den Erzengel Raphael, der den erblindeten Tobit mit Fischgalle heilte. Und für die Hartgesottenen: Gitterkartoffeln für den heiligen Laurentius, der laut Legende sein Martyrium auf einem glühenden Rost erlitt (da wird es dann doch auch wieder gruselig).
Gestaltungsideen für eine solche Feier hat "Missio Österreich" in einer Broschüre zusammengestellt.
Ich würde die Party nicht als kämpferische Alternative verstehen wollen. Es spricht nichts dagegen, die Tür für Skelette und Monster zu öffnen und Süßigkeiten zu verteilen. Ebenso können Kinder, die zu einer "Holy wins"-Party gehen, auch mit ihren Freundinnen und Freunden durch die Straßen ziehen. Der christliche Glaube zeichnet sich durch Freude, Gastfreundschaft und Beziehung aus und bekommt gerade dadurch Strahlkraft nach außen – und nicht dadurch, dass man sich abkapselt. Ganz nett fand ich aber die Idee eines Türschilds vor dem Haus: "Der einzige Geist, der hier lebt, ist der Heilige Geist."