Beschwichtigen, abwiegeln, beschönigenEine Chronologie der Debatte um den Synodalen Weg

Auf römische Kritik am Synodalen Weg reagieren deutsche Verantwortliche seit Jahren mit Beschwichtigungen. Ein Blick auf die wichtigsten Stationen der Debatte seit 2019.

Alina Oehler
© Carsten Schütz

Von Anfang an sorgte der "Synodale Weg" in Rom für Irritation. Zur Erinnerung: 2019 hatte Papst Franziskus seine Sorgen in einem Brief an die deutschen Katholiken deutlich gemacht. Oder es zumindest versucht. Er mahnte damals die Einheit mit der Weltkirche an und warnte vor der Gefahr einer Anpassung an Zeitgeist, Umfragen und Medien. Statt "Eigenbrötlerei und ideologischen Tendenzen" empfahl er den sensus ecclesiae. Eine Mahnung lautete: "Achtet aufmerksam auf jede Versuchung, die dazu führt, das Volk Gottes auf eine erleuchtete Gruppe reduzieren zu wollen".

Vielleicht hatte ich den Papst falsch verstanden?

Ich saß damals in einer Art interner Planungsgruppe für ein Forum des Synodalen Wegs, als der Brief Deutschland erreichte. Mich hat er gefreut. Der Papst fand Worte für Punkte, die mich auch bewegten. Mir gefiel seine Vision eines echten geistlichen Reformprozesses für ein Land, in dem immer mehr der Kirche den Rücken kehren oder sie gar nicht mehr kennenlernen. Franziskus sprach von den "wahren geistlichen Heilmitteln: Gebet, Buße und Anbetung" und einem Fokus auf Evangelisierung.

Doch die Ermahnung aus Rom, sie kam irgendwie nicht an. Die weltkirchlich, dogmatisch und kirchenrechtlich schwierigen Themen wie Frauenämter, Sexualmoral oder Zölibat blieben im Zentrum. Vielleicht habe ich den Papst ja falsch verstanden, dachte ich damals, als uns der Brief als "Ermunterung" ausgelegt wurde. Kein einziges Verbot stünde darin, hieß es, lediglich Rahmenbedingungen für die Planung des Prozesses, ja, der Brief sei eine klare Bestärkung und Franziskus freue sich über die deutsche Initiative.

Das Muster wiederholte sich in den folgenden Jahren: Der Kritik aus Rom begegnete man mit immer neuen Beschwichtigungen.

Auch der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz Reinhard Marx und der damalige Präsident des ZdK Thomas Sternberg schlugen diese Lesart vor. Die meisten Bischöfe nahmen sie dankend an. Man war sich einig, dass in all den Streitthemen, die man erörtern wollte, das von Franziskus angemahnte Thema Evangelisierung natürlich drinstecke. Wer war ich, dass ich mehr zu verstehen glaubte als Professoren und Bischöfe? Ich schloss mich der Interpretation an – aber es blieb ein mulmiges Gefühl, weil ich Franziskus Zeilen eigentlich viel kritischer wahrgenommen hatte.

Das Muster wiederholte sich in den folgenden Jahren: Der Kritik aus Rom begegnete man mit immer neuen Beschwichtigungen. Oder? Wer so etwas sagt, müsse sich fragen, ob seine Wahrnehmung verkehrt ist, sagte Bischof Bätzing kürzlich. Schauen wir also nochmal genauer hin. Hier eine Chronologie in Schlaglichtern:

  • Im Juli 2022 veröffentlichte der Vatikan eine Erklärung, die erneut auf den Papst-Brief von 2019 Bezug nahm und präzisierte, dass der Synodale Weg "nicht befugt" sei, "die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und Moral zu verpflichten". Vor einer Bedrohung der Einheit der Kirche wurde gewarnt. Reaktion: Die Deutschen fühlten sich falsch verstanden – Gespräche seien überfällig, man wolle selbstverständlich keinen deutschen Sonderweg gehen, lautete die Antwort des Präsidiums des Synodalen Wegs.
  • Diese Gespräche wurden dann im November 2022 geführt, wenn auch nicht mit ZdK-Laienvertretern, sondern den deutschen Bischöfen, beim Ad-limina-Besuch in Rom. Kurienverantwortliche wie die damaligen Präfekten des Glaubens- und des Bischofsdikasteriums Ladaria und Ouellet konfrontierten die deutschen Hirten hier mit ihren Bedenken, mit dem Hinweis "dass einige Themen nicht verhandelbar sind." Auch ein Aussetzen des "Synodalen Weges" stand im Raum. Die Bilanz des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing: Es sei über alle strittigen Themen gesprochen worden, die Römer hätten "klare Ansagen" gemacht, die man ernst nehme. Zum Plan eines "Synodalen Rats", also eines nationalen kirchlichen Leitungsgremiums, habe es aber keine "Ansagen" gegeben. Das werde jetzt also vorbereitet.
  • Doch schon im Januar 2023 folgte der nächste Rückschlag: In einem Brief der Kurienkardinäle Parolin, Ladaria und Ouellet hieß es, der geplante "Synodale Rat" widerspreche der kirchlichen Ordnung. Bätzing nannte diese Bedenken "nicht begründet", der Rat werde sich "innerhalb des gültigen Kirchenrechts bewegen." Nuntius Nikola Eterovic mahnte kurz darauf bei der Frühjahrs-Vollversammlung im Februar 2023 erneut die Sorge um die Einheit der katholischen Kirche an.
  • Ende März 2023 kam wieder ein Brief, der auf bereits erzielte Beschlüsse des "Synodalen Wegs" abzielte. Kardinal Arthur Roche vom Gottesdienstdikasterium schrieb an Bischof Bätzing, dass die regelmäßige Predigt in der Messe, sowie die reguläre Taufe durch Laien nicht möglich sei. ZdK-Sprecherin Britta Baas sagte daraufhin, dass man sich über den Brief aus Rom freue und dieser von Interesse zeuge. Eine bemerkenswerte Aussage, die in diesem Kontext fiel: "Die Praxis ist seit langem weiter", schon in wenigen Jahren würde sich niemand mehr ernsthaft gegen Laien-Predigten und Taufen durch Laien wehren können. In den folgenden Monaten wurde immer wieder versichert, dass alle Vorhaben des "Synodalen Wegs" sich im Rahmen des geltenden kirchlichen Rechts bewegen wollen und man am Dialog mit Rom weiter großes Interesse habe, um Missverständnisse auszuräumen.
  • Im Februar 2024 platzte dann eine Intervention des Vatikans in die Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz – mit der Forderung, die Abstimmung zur Satzung des "Synodalen Ausschusses" auszusetzen, weil Dinge nicht ausreichend geklärt seien. Unterschrieben war der Brief aus dem Vatikan übrigens auch von Kurienkardinal Robert Prevost, dem heutigen Papst. Peinlich. Bätzing verwies auf Verzögerungen, für die jedoch Rom verantwortlich sei – die Terminfindung dauere häufig über ein halbes Jahr, Gespräche erwarte man "sehnlich". Komisch nur, dass im November 2023, also wenige Monate zuvor, vier Theologinnen, die den "Synodalen Weg" in einem Brief an den Papst kritisierten, dagegen innerhalb von wenigen Tagen eine Antwort bekamen.

Doch der Draht der Reformer in den Süden scheint sich gebessert zu haben, es folgten seither einige Gespräche zwischen Vertretern der Römischen Kurie und der deutschen Bischofskonferenz. Man sei in gutem Austausch, wird immer wieder versichert. Auch wenn genaue Details wie beispielsweise die Absprachen mit der Glaubenskongregation rund um die umstrittene deutsche Handreichung zu Fiducia supplicans dezidiert nicht kommuniziert werden. Warum eigentlich nicht?

Eine Katastrophe mit Ansage

Wer sich an die Diskussionen im Umfeld der Synodalversammlungen erinnert, weiß, dass immer wieder Maximalforderungen im Modus größter Dringlichkeit in den Raum gestellt wurden. Hinter vorgehaltener Hand wurde nicht selten gesagt, man müsse manche Dinge einfach umsetzen, notfalls auch ohne das OK aus Rom. Die deutschen Bischöfe standen unter enormem Druck. Unvergessen bleibt die Situation, als ein Papier zur Sexualmoral nicht die nötige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe erzielte: Im Saal formierten sich Proteste, es wurden "Kreise der Betroffenen" gebildet, manche Teilnehmer weinten.

War es nicht fahrlässig, durch die vielen Beschwichtigungen unrealistische Hoffnungen zu wecken? Mich haben die weinenden Menschen jedenfalls bestürzt, die sich von so viel "Ermutigung" tatsächliche Veränderungen erhofft hatten und dann diesen Schock erleiden mussten.

Eigentlich eine Katastrophe mit Ansage. War es nicht fahrlässig, durch die vielen Beschwichtigungen unrealistische Hoffnungen zu wecken? Mich haben die weinenden Menschen jedenfalls bestürzt, die sich von so viel "Ermutigung" tatsächliche Veränderungen erhofft hatten und dann diesen Schock erleiden mussten. Auch der "Synodale Ausschuss", der jetzt so langsam in die Gänge gekommen ist, wird die gigantischen Erwartungen vom Anfang wohl kaum befriedigen können.

Franziskus fühlte sich nicht gehört

Kein Wunder also, dass Franziskus das Gefühl hatte, dass seine mahnenden Worte damals nicht wirklich ernst genommen wurden. 2024 kritisierte er Papst die Rezeption seines Briefes:

"Die Kirche in Deutschland hat einen synodalen Weg eingeschlagen, zu dem ich 2019 einen Brief geschrieben habe, von dem ich wünschte, dass er stärker wahrgenommen, bedacht und umgesetzt würde, da er zwei Aspekte zum Ausdruck bringt, die ich für grundlegend halte, um nicht auf Abwege zu geraten. Da ist vor allem die Pflege der geistlichen Dimension, also die konkrete und beständige Angleichung an das Evangelium und nicht an die Leitbilder der Welt, indem man die persönliche und gemeinschaftliche Umkehr durch die Sakramente und das Gebet wiederentdeckt, die Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist und nicht gegenüber dem Zeitgeist. Und sodann die universale Dimension, die katholische Dimension, damit man das Glaubensleben nicht als etwas begreift, das sich bloß auf den eigenen kulturellen und nationalen Bereich bezieht."

Doch Franziskus ist Geschichte. Die Wahl von Leo XIV. wurde vom Synodalen Ausschuss –natürlich – als "Ermutigung" gesehen. Kürzlich gab Leo ein viel beachtetes Interview. Darin äußerte er sich kritisch im Blick auf eine Veränderung der Sexualmoral oder eine Priesterweihe für Frauen. Bischof Georg Bätzing sieht "in keinster Weise einen Gegensatz" zu den deutschen Themen des Synodalen Weges. Wie soll das gehen, fragt man sich?

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller scheint da realistischer und sagt, was man schon vorher hätte ahnen können: "Für den Synodalen Weg in Deutschland sind nach den Aussagen des Papstes viele Beschlüsse zum Beispiel zur Sexualmoral und zur Weihe von Frauen Makulatur." Diese Wahrnehmung teile ich – oder ist sie verkehrt?

 

 

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