Drei Lehren aus dem „Fall“ Brosius-GersdorfKulturkampf auf Raten

Die Regeln unseres Zusammenlebens sind in Bewegung, und von Zeit zu Zeit müssen auch die großen Linien neu ausgehandelt werden. Der „Fall“ Brosius-Gersdorf steht exemplarisch für das, was uns nun wohl öfter blüht. Drei Lehren lassen sich daraus ziehen.

Wir können diesen Kulturkampf nicht gebrauchen.“ Mit mahnenden Worten hat sich Georg Bätzing schon früh in der Debatte zu Wort gemeldet. Doch die Eskalation um die vorgesehene Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf konnte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz damit nicht verhindern. Einstweiliger Schlusspunkt: Die Kandidatin hat ihre Bewerbung zurückgezogen – und somit zumindest vorläufigen den Fortbestand der Regierungskoalition in Deutschland ermöglicht. Trotzdem gibt es jetzt keine Gewinner. Nirgendwo. Alle stehen beschädigt da.

Lässt es sich künftig besser machen? Dazu wäre als erste Lehre zu akzeptieren, dass der Kulturkampf längst im Gange ist. Wir schrecken vor diesem großen Wort zurück, weil wir dabei immer die historischen Verwerfungen im Hinterkopf haben. Aber vielleicht ist es ja heute ein Kulturkampf „auf Raten“, um ein Franziskus-Wort neu anzuwenden. Es wäre hilfreich, sich diese Tatsache einzugestehen, anstatt verzweifelt zu versuchen, einen Scheinfrieden zu wahren. Denn worum geht es letztendlich? Bewährte parlamentarische Verabredungen sowie geschriebene und ungeschriebene Mechanismen unseres Zusammenlebens tragen offensichtlich nicht mehr. Das ist per se nicht schlimm. Paul Zulehner, soeben bei den Salzburger Hochschulwochen für sein theologisches Lebenswerk geehrt (vgl. S. 3), spricht in diesem Zusammenhang von „Geburtswehen“: Etwas Neues zeichnet sich oft erst langsam und nur unter Mühen ab.

Prinzipiell ist es ja auch eine sehr erwachsene, mündige Haltung, wenn eine neue Generation von Verantwortlichen überkommene Dinge nicht einfach ungefragt übernimmt, sondern kritisch auf den Prüfstand stellt. Sich um der Sache willen streiten – das ist aller Ehren wert, wie uns nicht zuletzt die tradierte Praxis Jesu zeigt (vgl. S. 5).

Womöglich ist es jetzt ja einfach dran, die Prinzipien unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens ein Stück weit neu auszuhandeln. Dabei prallen auch gegensätzliche Überzeugungen aufeinander – ob man es nun „Kulturkampf“ nennt oder nicht. Diese Auseinandersetzung mag sogar geboten sein, einfach weil sich die Zeiten geändert haben. Und es sagt nichts darüber aus, dass die bisherigen Regelungen falsch gewesen wären.

Um konstruktiv nach vorne zu schauen, braucht es eine zweite Lehre: Es ist entscheidend, dass sich alle Seiten vor Maximalforderungen (und Illusionen) hüten. So müssen die einen verstehen, dass jetzt nicht die Gelegenheit ist, die Gesetzbücher vor dem Hintergrund des Katechismus neu zu lesen. Genau deshalb gilt es auch kritisch zu prüfen, ob nicht etwa dubiose Akteure katholische Signalwörter setzen, um die Kirchen für ihr Tun zu instrumentalisieren.

Die Mahnung geht aber genauso an die anderen, die „Gegenseite“: Religion und Kirchen aus allem rauszukicken, entspricht nicht unserer Tradition. Diese kennt aus gutem Grund viele res mixtae – Angelegenheiten also, bei denen Staat und Kirchen zum Wohle aller zusammenwirken.

Und die dritte Lehre? Wir sollten mehr miteinander reden als nur übereinander. Der Bamberger Weihbischof Herwig Gössl, der zwischenzeitlich die katholische Front gegen Frauke Brosius-Gersdorf anführte, räumt inzwischen ein, „falsch informiert“ worden zu sein. Finde den Fehler!

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