Wie sich die Zeiten ändern: Vor zwei Jahrzehnten musste der US-amerikanische Jesuit Tom Reese gleich zu Beginn des Pontifikats von Benedikt XVI. seinen Posten als Chefredakteur des renommierten katholischen Magazins America verlassen. Jetzt, am Abend des 8. Mai, gehört er zu den gefragten Interviewpartnern rund um den vibrierenden Petersplatz.
Reese stellt schnell klar, dass Präsident Donald Trump an dem Papst aus Chicago nicht viel Freude haben werde. Schon Leo XIII., in dessen Spur sich der neue Papst stellt, hatte auf die berechtigten Interessen von Arbeitern und Gewerkschaften aufmerksam gemacht und die Katholische Soziallehre lehramtlich fixiert. Hinzu kommt, dass für Leo XIV. neben seinem Geburtsort Chicago das peruanische Chiclayo genauso wichtig ist (vgl. S. 3). Dort war Robert Francis Prevost acht Jahre Bischof, nachdem er früher schon in dem Andenland als Ordensmann in der Seelsorge tätig war, zu Pferd und mit dem Geländewagen.
Reese gesteht: Am Anfang sei die Namensnennung wie ein Schock für ihn gewesen, der erst langsam der Freude gewichen ist. Die meisten auf dem Platz und drumherum ließen sich schneller begeistern. Es war eine ausgelassene Atmosphäre, die den Abend vor dem angestrahlten Petersdom und in den angrenzenden Straßen prägte. Viele Touristen waren aus purer Neugierde auf den Platz gekommen. Es waren auch reichlich Pilgergruppen in der Ewigen Stadt, die ihre Reise schon länger geplant hatten, dazwischen Gruppen von Ordensfrauen oder Klerikern. Der ein oder andere Kardinal zeigte sich im scharlachroten Ornat, sichtlich erleichtert, dass ein langes Konklave abgewendet wurde.
Kritische Stimmen zum neuen Papst fehlten ganz. Viele wollen sich freilich auch erst einmal überraschen lassen, was der Neue denn bringen wird. Noch gegen Mitternacht standen jeweils mehrere Reporter vor der Kamera, um der Welt das neue Oberhaupt der katholischen Kirche nahezubringen. Aber auch an den folgenden Tagen wurde nicht nur auf den großen Pressetribünen und den eigens für die Kameras angemieteten Balkonen mit Blick auf den Vorhang der Loggia des Petersdoms eifrig moderiert, berichtet und kommentiert. Mehr als 5300 Journalisten hatten sich für das Konklave akkreditiert.
Leo XIV. nutzte die Freiräume vor einem strikteren Agenda-Management und büxte für einen Spontan-Besuch bei Ordensbrüdern in einem kleinen Wallfahrtsort, 60 Kilometer von Rom entfernt, aus (vgl. S. 4). Später betete er auch am Grab von Papst Franziskus in Santa Maria Maggiore, wo sich seit der Beerdigung im Laufe des Tages jeweils neu zwischen den Absperrgittern lange Schlangen bis auf den Vorplatz auf der anderen Seite des Haupteingangs bilden – bewacht von Dutzenden Helfern, die auch darauf achten, dass niemand der in diesen Maitagen kräftigen Sonne zum Opfer fällt.
Die heitere Stimmung der ersten Tage des neuen Pontifikats hielt mindestens bis zum ersten sonntäglichen Mittagsgebet an, bei dem sich Leo XIV. auch als – wenn nicht stimmlich perfekter, so doch engagierter – Vorsänger für das Regina Caeli betätigte. Gekleidet war er dieses Mal ganz in Weiß, nachdem er am ersten Abend mit Mozetta und Stola auf der Loggia des Petersdoms stand.
Vor allem aber bekräftigte er, dass er sich in seinem Pontifikat nicht nur zu frommen, sondern auch zu politischen Themen äußern werde. Nie wieder Krieg, lautete seine eindeutige Botschaft mit Blick auf die Ukraine, den Gazastreifen, aber auch den Konflikt zwischen Indien und Pakistan, die einen ernsten Kontrapunkt zur Blasmusik bedeutete, die vorher und nachher bis in die Gassen des Borgo hinein zu hören war. Es war mehr als ein Zufall, dass zu den vielen Veranstaltungen im Heiligen Jahr an jenem Sonntag eine lang geplante Wallfahrt von Musikgruppen aus aller Welt stattfand. Nach einem Gottesdienst für die mehr als 10 000 Teilnehmer hinter der Engelsburg marschieren Armee- und Polizeimusikkorps aus Italien oder Spanien, Sambaformationen aus Mexiko, Trachtenkapellen aus Bayern und Fahnenschwinger-Gruppen aus Rom zum Petersplatz – und verteilten sich danach wieder. Sie passten bestens zur Volksfeststimmung, die sich bereits am Abend nach dem Konklave in Rekordzeit in Rom breitgemacht hat.