Numeri/4. Buch Mose

Das Buch Numeri enthält erzählte Theologie, die besonders drei Themenkreise entfaltet: die Führung des Volkes Israel, die Funktion der Priester und das Land. Im Mittelpunkt der Darstellung stehen in Fortsetzung des Auszugs aus Ägypten, die 40 Jahre dauernde Wanderung Israels durch die Wüste unter Führung des Mose und die damit verbundenen Erfahrungen und Geschehnisse mit Gott und unter den Menschen. Ziel dieser Wanderung ist das Land, das Abraham und seinen Nachkommen von Gott verheißen wurde. Im Wesentlichen zeigt sich, dass sich das Volk in Anbetracht der zu bewältigenden Probleme und Krisen in seinem Glauben an den Rettergott aus Ägypten, der ihm seine Freiheit schenkte, nicht bewährt. Besonders die Infragestellung der Herausführung als dem Heilsereignis schlechthin war gleichbedeutend mit einer Verweigerung des Glaubens (Num 14,1–4).

Der hebräische Name Bemidbar (»in der Wüste«) bezieht sich auf den durchgängig vorauszusetzenden Schauplatz des Buches, die Wüste, auf die schon im ersten Vers Bezug genommen wird, der lateinische Name Numeri dagegen auf die im Buch enthaltenen Listen mit ihren verschiedenen Zahlen bzw. auf die schon zu Beginn im Vordergrund stehenden Zählungen des Volkes (Num 1–4; 7; 26; 33; 34,1–12).

In den im Numeribuch gesammelten Geschichten und Stoffen, die unterschiedlichen Zeiten entstammen, spiegeln sich zumeist Probleme späterer Zeiten, insbesondere während des Babylonischen Exils, die in die Ursprungsgeschichte des Volkes Israel zurückverlagert werden. Die gezeigten Lösungsversuche sollen als Modelle dienen, die in ähnlichen Konfliktsituationen Ansätze zur Bewältigung bieten können. Hier ist insbesondere die Vorrangstellung der Priester wichtig, die das Buch immer wieder betont.

Das Buch vereinigt unterschiedlichste Textformen, Erzählungen genauso wie legislative Bestimmungen und Anordnungen (Num 5f; 8,1–10,10; 15; 18f u.ö.), die das Zusammenleben und vor allem den Kult regeln. So wird einerseits eine dramaturgisch angelegte Darstellung möglich, weil die legislativen Texte jeweils die Erzählhandlung unterbrechen und so eine Spannung aufbauen. Andererseits antworten gerade die gesetzlichen Bestimmungen auf Erfahrungen der Menschen und halten den Willen Gottes auch für künftige Zeiten fest. Letzteres zeigt sich beispielhaft an den Bestimmungen über die Opfer, die Festzeiten und die Gelübde (Num 28–30).

Das Buch lässt sich grob in folgende Abschnitte gliedern: Bis Kapitel 10,11 steht anknüpfend an das Buch Levitikus noch der Berg Sinai im Zentrum der Ereignisse. Hier finden die Vorbereitungen zum Aufbruch statt. Von Num 10,11–21,35 wird die Wanderung nach Moab berichtet. In den Kapiteln 22–24 schließt die Bileamerzählung an. Der Zug ins Ostjordanland steht im Zentrum der Kapitel 25–32. Das Buch wird abgeschlossen durch verschiedenartige Nachrichten über Aufenthaltsorte Israels seit dem Auszug aus Ägypten, Asylstädte und Erbvorschriften für Frauen (Num 33–36).

Zu Beginn des Buches geht es um eine Art Bestandsaufnahme, gleichsam die Voraussetzung für den Aufbruch in die Wüste und den daran anschließenden Zug ins verheißene Land. Mose und Aaron ermitteln im Auftrag Gottes die Gesamtzahl der wehrfähigen Israeliten (Num 1), die sich nach Stämmen gegliedert um das Heiligtum als der kultischen Mitte Israels versammeln (Num 2). Ausgenommen von dieser Maßnahme sind die Leviten, die zwar mit dem Dienst am Heiligtum betraut werden (Num 3–4), gegenüber den Priestern jedoch eine deutlich untergeordnete Rolle einnehmen. Verschiedene Bestimmungen regeln dann, wie die Heiligkeit des Versammlungsortes, in dem nach Num 5,3 Gott wohnt, gewahrt werden kann (Num 5). Num 6,24–26 enthält mit dem aaronitischen Segen den sicherlich bekanntesten Text des Buches, ist er doch bis heute Teil der gottesdienstlichen Liturgie.

Der Aufbruch vom Sinai (Num 10,11–36) wird von Seiten Gottes flankiert. Gott lässt sein Volk während des Zuges durch die Wüste nicht allein, er begleitet es tagsüber mit einer Wolken- und nachts mit einer Feuersäule, beides Zeichen für das göttliche Mitsein (Num 9,15–23).

Der Zug durch die Wüste selbst ist überschattet von verschiedenen Reaktionen des Volkes auf Gefährdungen, die es während dieser Zeit erlebt. Das Volk murrt angesichts der einseitigen Ernährung durch das Manna (Num 11) oder aufgrund des Mangels an Wasser (Num 20) oder auch als Zeichen des Protestes gegen die Gefährlichkeit des Zuges (Num 14,2f; vgl. auch Num 16,11; 17,6.20.25). Kundschafter werden nach Erreichen der Oase Kadesch ausgesandt, die das Land erforschen sollen (Num 13–14). Sie kehren zurück mit der guten Nachricht, dass das Land von Milch und Honig überfließe, und der schlechten, wonach seine Städte von starken Befestigungen geschützt würden, was beim Volk Angst und Zagen hervorruft. Feinde bedrohen Israel durch Krieg (Num 20; 21; 31). Die Leitungsautorität des Mose wird mit dem Hinweis auf seine Ehe mit einer Nichtisraelitin infrage gestellt (Num 12), und sein Führungsverhalten wird allgemein angezweifelt (Num 16f). Auf das fehlende Vertrauen des Volkes gegenüber Mose und letztlich auch gegenüber Gott reagiert dieser. Gott kündigt der Generation des Auszugs aus Ägypten den Tod an. Daraufhin schreitet Mose fürbittend zugunsten des Volkes ein und erreicht, dass Gott sein Urteil wandelt. Nur die den Glauben verweigernde, rebellische Generation soll die Verantwortung tragen. Sie wird 40 Jahre in »der Wüste« des Exils bleiben und dort auch sterben, ohne das verheißene Land zu betreten (Num 14,32f). Diese Generation wird abgelöst werden von einer neuen, die das verheißene Land erreicht. Auch Mose und Aaron werden den Einzug in das Land aufgrund des mangelnden Vertrauens auf Gott nicht erleben, sondern in der Wüste sterben (Num 20).

Die Landnahme selbst beginnt im Ostjordanland. Und die entsprechenden Berichte des Numeribuches spielen auch dort. Eine der bekanntesten Geschichten des Buches handelt von Bileam, einem nichtisraelitischen Propheten, der auch aus außerbiblischen Quellen bekannt ist (Num 22–24). Berühmt aufgrund seiner seherischen Fähigkeiten soll er das heranziehende Volk im Auftrag des moabitischen Königs Balak verfluchen. In einer nächtlichen Schauung erfährt er jedoch von Gott, dass das Volk gesegnet ist und somit nicht verflucht werden kann. In einer meisterhaften Inszenierung wird geschildert, wie Balak versucht, Bileam doch noch zum Fluchen zu bewegen. Doch er scheitert letztlich, und Bileam legt dreimal den göttlichen Segen auf Israel, wodurch der Anspruch auf das verheißene Land einmal mehr unterstrichen wird. Gleichzeitig zeigt die Episode exemplarisch, dass die Verheißungen Gottes für Israel unwiderruflich sind.

Mit der Annäherung an das Kulturland kommen neue Probleme auf, z. B. die Gefahr des Abfalls zu den Göttern der Völker, mit denen die Israeliten nun in Berührung kommen (Num 25). Das verheißene Land ist nun in Sicht. Mose kann es erblicken, wird es selbst aber nicht erreichen. Als sein Nachfolger wird Josua bestimmt (Num 27,12–23), der das Volk dann in das Land führen wird. Am Ende steht der Einzug in das verheißene Land unmittelbar bevor. Doch auch hier entstehen grundsätzliche Fragen: Wie steht es um die Beteiligung aller Stämme an der bevorstehenden Aufgabe? Können einige ausscheren und sich mit dem bisher Erreichten begnügen und dem Rest der Stämme die Inbesitznahme des Landes überlassen (Num 32)? Oder geht es auch weiterhin um ein gemeinsames Handeln?

Das Buch schließt rückblickend mit einem großen geographischen Wegverzeichnis, das die einzelnen Wegestationen seit dem Auszug aus Ägypten nennt (Num 33,1–49), und vorausblickend mit der Beschreibung der Grenzen des verheißenen Landes und seiner Aufteilung an die Stämme (Num 33,50–34,29). Auch dabei kommt dem Stamm Levi eine Sonderrolle zu (Num 35).

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