Fazit
Die Kirche darf auch angesichts ihrer gegenwärtigen Herausforderungen und Krisen nicht an ihren Qualitätsstandards rütteln. Die Menschen erwarten eine zugewandte und reflektierte Pastoral, die von einer überzeugenden Vielfalt geprägt ist. Dazu braucht es Menschen, die sich in Gemeinschaft mit anderen darauf einlassen. Die jeweils anderen Berufsgruppen und auch der qualifizierte Einsatz von Ehrenamtlichen müssen als theologisch notwendig und als Gewinn gesehen werden. Die Zugangswege werden dann für Haupt- und Ehrenamtliche vielfältiger und individueller. Hier bedarf es noch vieler konkreter, neuer und mutiger Überlegungen, um angemessen auf die Herausforderungen der Zeit reagieren zu können.
Tatsächlich wird die Erfahrung der seelsorglichen Zuwendung von vielen Menschen hochgeschätzt. Seelsorgerinnen und Seelsorger erleben in ihrem Tun eine Sinnhaftigkeit. Seelsorge geschieht im Haupt- und Ehrenamt und wird auch außerhalb kirchlicher Angebote als „Seelsorge“ bezeichnet. Daher erschien es den Bischöfen notwendig, die theologische und pastorale Motivation transparent zu machen, die spezifisch christlichen Haltungen zu beschreiben und die Diskussion über Qualitätsstandards der kirchlichen Seelsorge anzuregen.
Das Wort der Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral aus dem Jahr 2015 „Gemeinsam Kirche sein“ bildet die theologische und ekklesiologische Grundlage für das Seelsorgepapier. Dort werden die jedem und jeder Getauften verliehenen Geistesgaben als Grundlage der Pastoral, des kirchlichen Handelns, herausgestellt. Die Berufung durch die Taufe verhindert jede „Zweistufenethik“ zwischen Klerus und Laien. Durch diese Berufung ist jeder Mensch in der Verantwortung, Christus in seinen personal gelebten Beziehungen zum Aufleuchten zu bringen. Der Text bricht eine klerikale Verengung des Seelsorge- oder Pastoralverständnisses auf. Auch das Verständnis des Ehrenamts verändert sich. Menschen wollen selbst suchen und beschreiben, in welchen Beziehungen und Aufgaben sie ihre persönliche Berufung leben wollen. Erst in der Vielfalt der Berufungen und dem Zueinander von Haupt- und Ehrenamt, von Geweihten und Nichtgeweihten, kann die Kirche ihrem Auftrag nachkommen, das Evangelium in alle Teile der Gesellschaft zu tragen und allen Menschen anzubieten. Den hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern kommt dabei die Aufgabe zu, alle in ihrer Berufung und ihrem persönlichen Charisma zu fördern und zu begleiten. Viele Menschen werden dann in leitenden Funktionen tätig sein können, die „nicht als Ableitung oder Delegation vom bischöflichen oder priesterlichen Dienst beschrieben werden“ (Gemeinsam Kirche sein, S. 47) können. Es scheint aber auch wichtig, sich bewusst zu machen, dass die oft gehörte Aussage, man wolle seelsorgerisch und nicht verwaltend tätig sein, in der Praxis und in den für einen Leitungsdienst erforderlichen Kompetenzen einen künstlichen Gegensatz konstruieren kann. Leitung erfordert verschiedene Kompetenzen, eben auch die Fähigkeit, Ordnung zu schaffen, in den Anforderungen des Alltags verlässlich zu sein, um anderen den Raum für eine verlässliche Zusammenarbeit zu ermöglichen.
Seelsorglicher Dienst, der Verantwortung übernimmt, braucht Professionalität und Qualität sowie eine damit verbundene glaubende Grundhaltung. „Gläubige erwarten von der Kirche zu Recht Professionalität“, fasst Peter Otten seine Erfahrungen aus dem Kontext der Erstkommunionkatechese zusammen. Das Wort der deutschen Bischöfe beschreibt auf dieser Grundlage Seelsorge als eine Haltung, in der Professionalität mehr ist als das Beherrschen von Methoden. Seelsorgerinnen und Seelsorger geben nicht nur etwas, sondern sie bezeugen auch ihren eigenen Glauben. Zur Qualität der Seelsorge gehören daher die „Schulung der eigenen Persönlichkeit und Spiritualität“ (In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche, S. 36). Derzeit arbeiten Verantwortliche in den Diözesen an der Erarbeitung konkreter Qualitätsstandards. Für die Frage nach Zugangswegen in die unterschiedlichen Berufe scheint ein Satz aus dem Seelsorgepapier entscheidend zu sein: „Bei der Auswahl, Beauftragung sowie der kirchlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung der Seelsorgerinnen und Seelsorgern ist darum stets darauf zu achten, dass neben den menschlichen und sozialen, theologischen und pastoralen Kompetenzen auch institutionelle und organisationale Kompetenzen ausreichend vorhanden sind und dass sich die Betroffenen in regelmäßigen Abständen weiterqualifizieren“ (In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche, S. 41). Die Frage nach Qualität spitzt sich noch einmal zu, wenn man das hier nur kurz anzureißende Feld des Missbrauchs geistlicher Autorität in den Blick nimmt. Sobald Menschen in das spirituelle Konzept des Seelsorgers oder der Seelsorgerin hineingepresst werden und nicht zu einer eigenen individuellen Glaubenspraxis befähigt werden, sind alle Qualitätsstandards verletzt.
Neben Grundqualifikationen und Voraussetzungen wie Persönlichkeitsbildung, geistliche Begleitung, Teamfähigkeit, Arbeit an pastoralen Haltungen, kommunikativen Fähigkeiten oder der Fähigkeit zur Selbstreflexion müssen die Diözesen spezifische Anforderungen und Kompetenzen für die verschiedenen Bereiche der Pastoral, insbesondere in den kategorialen Feldern, formulieren und umsetzen. Seelsorge in Alten- und Pflegeheimen, Gefängnissen, Krankenhäusern, Hospizen, Schulen, in der Jugendarbeit erfordert jeweils eigene Kompetenzen, die zu definieren sind. Das erhöht die Ansprüche an die Seelsorgerinnen und Seelsorger in der kategorialen Seelsorge, die in der Vergangenheit manchmal dazu diente, für die Pfarrseelsorge ungeeignete Personen einzusetzen. Heute sind diese die Felder, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Eine rein sakramentale „Versorgung“ genügt angesichts der Veränderung der spirituellen Bedürfnisse der Menschen nicht mehr.
Fragen des Zugangs zu den kirchlichen Diensten und Ämtern
Im Folgenden soll der Fokus auf die hauptamtlichen Dienste und Ämter gerichtet werden. Sie sind aber in den beschriebenen Texten als Dienstämter charakterisiert, die andere Gläubige befähigen, ihr Charisma zu erkennen und zu leben. Für die Frage der Zulassungsbedingungen sind die oben skizzierten Gedanken zum Seelsorgeverständnis von zentraler Bedeutung. In den vergangenen Jahren hat sich insbesondere der Synodale Weg in Deutschland mit den Zulassungsbedingungen zum priesterlichen Dienst befasst. Der Anlass für die unterschiedlichen Themen war der Missbrauchsskandal, den die sogenannte MHG-Studie über die Situation der Kirche in Deutschland 2018 ausgelöst hatte. Viele an den Diskussionen Beteiligte nahmen eine Dringlichkeit wahr, auch über Zulassungsbedingungen und Qualifikationen für den seelsorglichen Dienst nachzudenken. Es wurden systemische Ursachen benannt, die für missbräuchliches Verhalten auch der Kleriker den Boden bereitet hatten. Daher musste sich der Blick nicht nur auf die einzelne Person richten, sondern auch Fragen an die institutionellen Bedingungen stellen. Der Synodale Weg hat dies getan und auch erste Fragen und mögliche weitere Schritte benannt.
Der Dienst des Priesters
Der Synodale Weg hat sich in seinem Grundtext „Priesterliche Existenz heute“ auch mit dem „Sinn und Ziel des sakramentalen Weiheamtes“ beschäftigt. Dieser Grundtext hat keine überragende Zustimmung gefunden, auch weil ihm anzumerken ist, dass er viele Kompromisse eingeht und nicht aus einem Guss ist; dennoch benennt er kritische Themen und stellt wichtige Fragen. Vielleicht sind seine Schwächen auch Ausdruck eines echten Ringens um Themen, für die es keine einfachen „Schwarz-Weiß“-Lösungen gibt. Vor dem Hintergrund der in einer Vollversammlung gestellten Frage, wozu es das priesterliche Amt brauche, wenn priesterliche Aufgaben von anderen wahrgenommen würden, ist an die traditionelle Ämtertheologie zu erinnern. Das priesterliche Selbstverständnis wird eben nicht rein funktional verstanden. Die Frage nach der Notwendigkeit des priesterlichen Dienstes hat auch international für Aufregung und Verwirrung gesorgt, dennoch muss die Frage gestellt werden, worin das Spezifische dieses Dienstes heute besteht.
Der Text des Synodalen Weges fasst die Antwort kurz zusammen: „Der ordinierte Amtsträger hält nach katholischer Tradition in der Kirche konstitutiv das Wesentliche Gegenüber des göttlichen Zuspruchs und Anspruchs in der Gemeinde gegenwärtig“ (Priesterliche Existenz heute, S. 41). Der Priester trägt im gesamten seelsorglichen Kontext insbesondere die Verantwortung für die Sakramente, wobei dieser Aspekt nicht isoliert betrachtet werden darf. Der Grundtext fordert Veränderung in den Zulassungsbedingungen zum priesterlichen Dienst, auch andere Texte des Synodalen Weges stellen diese Forderung auf. Verschiedentlich wird die Freiwilligkeit der zölibatären Lebensform gefordert. Es wird festgestellt, dass nicht alle Priester zu dieser Lebensform berufen sind, und dennoch gute Priester wären. Die Anfrage, die zölibatäre Lebensform unter den Aspekt der Freiwilligkeit zu stellen, ist durch einen Handlungstext an den Heiligen Vater gegeben worden. Eine Antwort oder eine Eingangsbestätigung steht noch aus.
In der Bischofskonferenz herrscht in diesem Thema keine Einmütigkeit. Manche Bischöfe äußern die Sorge, eine Freistellung der zölibatären Lebensform sei das Ende dieser Form der Christusnachfolge. Ich erlaube mir jedoch die Frage: Wenn Christus zur ehelosen Lebensform ruft, kann man dann die Ehe als eine Art Konkurrenz bezeichnen? Ich bin davon überzeugt, dass es Menschen gibt, die sich in der Ehe zum Priestertum berufen fühlen und in dieser Aufgabe ihre Berufung leben können. Hier wäre mehr Gelassenheit gefragt und Vertrauen in die Berufung durch Gott nötig. Es braucht den Mut, dem jeweiligen Ortsbischof die Entscheidung zu überlassen und nicht alles zentral regeln zu wollen.
In diesem Zusammenhang taucht auch das Thema der sogenannten viri probati auf, also Männer, die in einer reiferen Lebensphase auch als Verheiratete in den priesterlichen Dienst aufgenommen und geweiht werden. Hier müssten die Eingangsbedingungen diskutiert und beschrieben werden. Bei diesem Ansatz stellt sich die Frage, inwiefern die pastoralen Probleme überhaupt gelöst werden können. Geht es am Ende nur darum, bei sinkenden Zahlen von Gläubigen eine sakramentale Versorgung zu gewährleisten? Als Bischof von Mainz kann ich sagen, dass das Angebot an Eucharistiefeiern im Bistum derzeit nicht das eigentliche Problem darstellt. Eine sakramentale Verengung des priesterlichen Dienstes wäre jedenfalls kein Zukunftsmodell. Wichtig erscheint mir auch die Frage des Alters der viri probati und welche Rolle diese Priester im pastoralen Gesamtkonzept spielen würden. Es kann nur fruchtbar sein, wenn die viri probati nicht nur im eigenen Wohnort eine zentrale Rolle spielen, sondern auch in die Überlegungen zu den größeren pastoralen Räumen in den Diözesen insgesamt eingebunden sind. Auch das Verhältnis zwischen den viri probati und den Ständigen Diakonen sollte sorgfältig bedacht werden. Es gibt eine eigene Berufung zum Diakonenamt, die nicht nur einen Übergang zum Priesteramt darstellt.
Ein Handlungstext des Synodalen Weges greift auch die wichtige Frage der Homosexualität von Priestern auf. Bereits bei der Veröffentlichung der 2005 verfassten und 2016 unter Papst Franziskus bestätigten vatikanischen Instruktion, die die Vorgabe enthält, Männer mit „tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen“ nicht zu Priestern zu weihen, gab es erhebliche Einwände. Was mit diesem Ausdruck überhaupt gemeint ist, bleibt bis heute unklar. Ohne ins Detail gehen zu können: Selbstverständlich gibt es in jeder Diözese homosexuelle Priester, die gute Arbeit leisten. Auch dieser Weg des Zugangs muss im Lichte humanwissenschaftlicher Erkenntnisse diskutiert werden können.
Parallel zum Synodalen Weg wurde auch die Möglichkeit nebenamtlicher Priester im Zivilberuf angefragt, analog zum Ständigen Diakonat. Unvorstellbar erscheint mir dies nicht, aber hier stellt sich ebenfalls die Herausforderung einer Einbindung in eine pastorale Gesamtidee eines Bistums. Es stellen sich Fragen nach Eignungs- und Zulassungskriterien sowie nach der Ausbildung. Die akademische Qualifikation der Priester darf angesichts der gestiegenen Erwartungen der Gläubigen und der Gesellschaft insgesamt nicht gegenstandslos werden.
Die Frage der Zulassung von Frauen zu den sakramentalen Ämtern der Kirche ist nicht nur in Deutschland aktuell. Der Synodale Weg hat Schritte eingeleitet, dieses Thema in weltkirchlicher Vernetzung weiter zu verfolgen. Die Weltsynode hat die Frage des Zugangs von Frauen zum Amt der Diakonin offengelassen und zum Gegenstand weiterer Beratungen gemacht.
Pastoralreferent/-innen (PR) und Gemeindereferent/-innen (GR)
Für die Berufsgruppen PR und GR ergeben sich nach meiner Wahrnehmung angesichts der Herausforderung der demographischen Entwicklung viele neue Möglichkeiten. Der Synodale Weg benennt neben vielen pastoralen Diensten auch den Verkündigungsdienst. Im Gesamt der Weltkirche verfügt die katholische Kirche in Deutschland über gut qualifizierte Theologinnen und Theologen, deren Predigt- und Verkündigungsdienst in allen Feldern eine Bereicherung darstellen würde. Auch im Rahmen der Weltsynode gab es Überlegungen hierzu. Besonders für die Berufsgruppe der GR stellt sich zunehmend die Frage nach Zugangswegen für Personen, die schon in einem anderen Beruf oder in der Verantwortung für ihre Familie sind, so dass sie ohne Präsenzpflicht studieren können. Der Würzburger Fernkurs stellt hier für manche Diözesen eine Möglichkeit dar, andere bestehen auf einem Präsenzstudium. Aus meiner Sicht muss die Ausbildung auch die Möglichkeit bieten, sich in Präsenz mit anderen Sichtweisen der Mitstudierenden auseinanderzusetzen. Das reine Bearbeiten und Prüfen von Lehrinhalten wird den hohen Anforderungen des Seelsorgeberufs nicht gerecht.