»Ich habe noch keine Skorpionen und Spinnen gesehen«
Neapel, eine europäische Hauptstadt der Musik
Für Neapel und die Musik war das 18. Jh. die wichtigste Epoche. Mit der Inthronisation der Bourbonen entwickelte sich die Hauptstadt des neuen Königreichs zu einem künstlerischen Anziehungspunkt: so lebten hier einige der wichtigsten Musiker der damaligen Zeit wie Niccolò Porpora, Giovanni Paisiello und Alessandro Scarlatti. Daher schien es Leopold Mozart, dem Vater des berühmten Wolfgang Amadeus überaus wichtig für den Sohn, auch wenn dieser erst 14 Jahre alt war, Zugang zu dem exklusiven Ambiente dieser Stadt zu bekommen. «Dann kommen wir nach Neapel»– schrieb Leopold an seine Ehefrau am 13. März 1770 von Mailand aus –«So ist dieser Ort so beträchtlich, dass, wenn uns nicht eine Scrittura die opera in Mailand zurückziehet, sich leicht eine Gelegenheit ereignen kann die uns den ganzen kommenden Winter allda zurückhielte». Es war eine glückliche Eingebung wie er Jahre später in einem Brief an den Sohn festhielt:«… Es ist jetzt nur die Frage, wo ich mehr Hoffnung habe mich hervorthun zu können? In Italien, wo in Neapel allein gewiß 300 Maestri sind, und wo durch ganz Italien schon öfters auf 2 Jahre die Maestri für gutzahlende Theater die Scrittura in Händen haben? Oder in Paris, wo etwa 2 oder 3 fürs Theater schreiben, und die anderen Componisten man an den Fingern herzählen kann?» (Salzburg, am 23. Februar 1778).
Nachdem der römische Kardinal Pallavicini ein Treffen der Mozarts mit Bernardo Tanucci, dem ersten Minister des Königs, hatte arrangieren können, brachen die Mozarts nach Neapel auf, wo sie am 14. Mai 1770 ankamen und bis zum 27. Juni blieben. Der junge Mozart drückte seine Faszination von dieser Stadt folgendermaßen aus: «Mit einer Oper in Neapel gewinnt man viel mehr Ehre und Ruhm als mit Hundert Konzerten in Deutschland».
Das Wunderkind widmete sich auch dem Studium berühmter Komponisten und der Opera buffa, insbesondere Giovanni Paisiello. Er war von dessen «Barbier von Sevilla» so beindruckt, dass er ihn vertonen wollte und die «Hochzeit des Figaro» schuf. So dürfte auch die Erinnerung an den Besuch des Isistempels in Pompeji eine entscheidende Rolle bei der Komposition der Zauberflöte gespielt haben.
Der Aufenthalt des jungen Amadeus in Neapel ist insbesondere durch einige Briefe dokumentiert, die er an die Mutter und die Schwester Marie-Anne schrieb, die er auf österreichisch «Nannerl» nannte. Wolfgang hatte Spaß daran seine Briefe mit französischen und italienischen Ausdrücken zu spicken, wie es im 18. Jh. üblich war. Ein wichtiges Zeugnis seines Aufenthalts wurde jüngst in einem Gemälde von Pietro Fabris entdeckt, einem Maler der für Lord Hamilton zahlreiche Gouachen für dessen Buch über die Vulkane im Königreich der zwei Sizilien («Campi Phlaegrei», 1776) angefertigt hatte. Das sich in der Scottish National Portrait Gallery in Edinburg befindliche Gemälde zeigt den neapoletanischen Salon von Lord Fortrose mit einer Gruppe von Musikern, unter denen Wolfgang und Leopold identifiziert werden konnten.
Mozart hatte nur etwas mehr als 40 Tage in Neapel verweilt, aber der Aufenthalt sollte sich für den Rest seines Lebens in seinem Gedächtnis einprägen.
Die Könige von Neapel in der Zeit Mozarts
König von Neapel in der Zeit Mozarts war Ferdinand IV. von Bourbon (1721–1825), der wegen der großen »Nase« «Re Nasone» umbenannt wurde. Nach dem Wiener Kongress nannte er sich Ferdinand I. König beider Sizilien (1759/1816–1825). Mit nur 17 Jahren heiratete Ferdinand Maria Carolina von Habsburg, 13. Tochter von Franz I. und Maria Theresia von Österreich; sie schenkte ihm 17 Kinder.
Der König, der 1759 als Achtjähriger seinem Vater Karl auf den Thron gefolgt war, hatte die Krone Spaniens annehmen müssen und konnte nicht mehr selbst regieren. Deshalb hatte der Toskaner Bernardo Tanucci (1688–1783) die Regentschaft übernommen, der schon Justizminister unter Karl gewesen war und jetzt zum Premierminister aufstieg.
Im Jahre 1767 schrieb der englische Botschafter in Neapel, Sir William Hamilton, an Lord Shelburne: «Zum Unglück für ihn und für sein Volk hatte er weder Lehrer gehabt, die ihm etwas beibrachten, noch Beamte, die ihm ein Vorbild bedeuten konnten für das, was er seinem Rang schuldete. Von dem Volk von Neapel wurde er allerdings geliebt. Durch den Abstand, mit dem man sorgfältig die jungen Adeligen seines Alters von ihm fernhielt, wurde er dahingetrieben, lieber die Gesellschaft von Dienstboten und Leuten der alleruntersten sozialen Schicht zu suchen».
In einem Brief vom 5. Juni 1770, den Leopold Mozart seiner Tochter schrieb, fügte der 14-jährige Wolfgang Amadeus an: « … das Theater ist schön, der König ist grob neapolitanisch aufgezogen und steht in der Opera allzeit auf einen Schemel, damit er ein bissel grösser als die Königin scheint, die Königin ist schön und höflich, indem sie mich gewiss sechsmal in Molo (das ist eine Spazierfahrt) auf das freundlichste gegrüsset hat». Mozart muss die Anekdoten gehört haben, die über den König im Umlauf waren, dass er auf dem Markt selbst gefangene Fische verkauft habe. Einmal empfing er seinen Schwager, den Kaiser Joseph II., mit einem lauten Furz und merkte dazu an: «Eine pflichtschuldige Hommage an Eure Gesundheit!» Joseph II. kommentierte elegant: «Obwohl er ein abscheulicher Prinz ist, absolut abstossend ist er nicht … er hat saubere Hände und stinkt wenigstens nicht».
Von einem solchen Naturmenschen konnte man auch für die Archäologie keine große Begeisterung erwarten. Bei einem Besuch in Pompeji ließ er die Trittsteine auf den Straßen entfernen, damit die kaiserliche Kutsche passieren konnte, und gab auch kein Geld für die Grabungen. Hamilton klagte, dass in Herculaneum nichts mehr passiere. Und in Pompeji sei es noch schlimmer: «Statt sich auf das wichtige Stadttor zu konzentrieren, das vor fünf Jahren entdeckt wurde, graben sie hier und da planlos nach verstreuten Antiken und schütten dann das Loch wieder zu».
Mozart und die Freimaurer
Mozart und sein Librettist Emanuel Schikaneder wurden durch einen 1784 im Journal für Freymaurer erschienenen Artikel Ueber die Mysterien der Aegyptier des Geologen Ignazio von Born inspiriert. Die Oper sollte als allegorische und volkstümliche Darstellung der Ideale der Freimaurerei verstanden werden, wobei Ignaz von Born das Vorbild für den weisen Zarastro war.
Eine zweite, wichtige Inspiration war der zu dieser Zeit sehr erfolgreiche Roman Séthos von Jean Terrasson (1731). Der Abt Terrasson (1670–1750) war Lehrer für griechische und lateinische Philosophie – insbesondere von Voltaire geschätzten – am Collège Royal de France. Erzählt werden die Einführungsriten des Prinzen Sethos basierend auf einem griechischen Manuskript eines anonymen Autors, der auf ägyptische Originale Zugriff gehabt haben sollte. Aber es ist evident, dass es sich lediglich um eine Erfindung handelt zur Verbreitung der «ägyptischen Mysterien».
Aber hat Mozart je selbst einen Isis-Tempel betreten, seine Stufen erstiegen und die Statuen, Priester, Schlangen, Musikinstrumente und Malereien gesehen? Durchaus! Nämlich in Pompeji.
Neapel
Im Mai 1770 reiste der 14-jährige Mozart mit seinem Vater Leopold nach Neapel. Verona, Mantua, Mailand und Rom hatten sie gesehen. Am 14. Mai trafen sie abends in Neapel ein: Der Schwester Marianne, die bei der Mutter in Salzburg geblieben war, schrieb Wolfgang am 19. Mai: «Neapel ist schön, ist aber volkreich wie Wien und Paris; und … in der Impertinenz des Volkes weiß ich nicht, ob Neapel London übertrifft; indem hier das Volk, die Lazzaroni, ihren eigenen Obern oder Haupt haben, welcher alle Monate 25 Ducati d’argento vom König hat, um nur die Lazzaroni in einer Ordnung zu halten».
Die «Crypta Neapolitana» von Seneca bis Mozart und Gothe
Ihre Durchquerung mit der Kutsche der Crypta Neapolitana, dieses langen römischen, Pozzuoli mit Neapel verbindenden Tunnels unter dem Hügel des Posillipo, dürfte nicht komfortabler gewesen sein als die von Seneca im 1. Jh. n. Chr. lebhaft beschriebene Reise in einem Brief an seinen Freund Lucilius (Briefe 57, 1-2): “Als ich von Baiae aus wieder Neapel aufsuchen sollte, glaubte ich es gern, daß es stürme, um mich nicht wieder auf eine Seereise einzulassen, und doch war auf dem ganzen Weg so viel Morast, daß es trotz allem den Anschein hätte haben können, ich sei über See gefahren. Alle Plagen der Ringkämpfer hatte ich an diesem Tag auszustehen: Nach der Schlammsalbung empfing uns feiner Staub im Tunnel von Neapel. Nichts ist langweiliger als jenes Kerkerloch, nichts düsterer als jene Fackeln, die uns nicht durch das Dunkel, sondern nur sie selbst sehen lassen. Im übrigen würde, auch wenn der Tunnel helles Licht hätte, der Staub die Sicht nehmen. Er ist auch in offener Landschaft ein arges und lästiges Übel – was erst dort, wo er in bereits stauberfüllte Luft aufsteigt und, da es keine Entlüftungsschächte gibt, eingeschlossen bleibt und wieder auf die zurückfällt, die ihn hochgewirbelt haben. Zwei gegensätzliche Unannehmlichkeiten mußten wie zugleich ertragen: Auf demselben Weg, am selben Tag hatten wir mit dem Schlamm und dem Staub unsere Plage. „. (Lucius Annaeus Seneca, Epistulae morales ad Lucilium, 303 ff.)
Vesuv, Pompeji und Herculaneum
«Heute speisten wir zu Mittag auf der Höhe von S. Martino bei den Kartäusern und besahen alle Seltenheiten und Kostbarkeiten des Orts und bewunderten die Aussicht». «Montag … geht es auf den Vesuv, Pompeji, Herculaneum, die dort gefundenen Sachen, Caserta und Capo di Monte … um alle Kostbarkeiten zu sehen, muss man immer mit sich eine Fackel haben, weil viel hier unter der Erde liegt …».
Am 18. und 20. Mai besichtigten Leopold und Wolfgang das Schloss von Portici, in dem die Kunstsammlung des Königs und die Schätze aus Pompeji und Herculaneum bis zur Überführung ins gegenwärtige Museo Nazionale in Neapel aufbewahrt wurden.
Den Mozarts gelang es jedoch nicht, sich Ferdinand IV. vorzustellen, sie sahen ihn nur von Ferne zusammen mit seiner Ehefrau Maria Carolina von Habsburg in der Cappella Palatina des Palastes von Portici.
Am 19. Mai schrieb Leopold an seine Gattin Marianne: «Wir sind gestern nach Portici gefahren, um dem Minister Tanucci aufzuwarten. Morgen werden wir wiederum hinausfahren. Wir hatten gestern abscheuliche Wege und sehr frische Luft. Wir … haben unsere 2 schönen gallonierten Sommerkleider anlegen müssen. Des Wolfg. seines ist rosenfarbener Moar, doch von so besonderer Farbe, dass sie in Italien Colore di fuoco oder Feuerfarbe genannt wird: mit silbernen Spitzen und leicht himmelblau gefüttert. Mein Kleid ist eine Art von zimmetfarben … mit silbernen Spitzen und apfelgrün gefüttert. Es sind 2 schöne Kleider, die aber, bis wir nach Hause kommen, wie die alten Jungfern aussehen werden».
Konzert mit Lord Hamilton
Am Abend, mit denselben Anzügen, besuchten sie den britischen Botschafter Lord Hamilton, der im kulturellen Leben Neapels Rang und Namen hatte. Leopold: «Gestern Abend besuchten wir den englischen Gesandten Hamilton (unsern Bekannten aus London), dessen Frau (die erste, Catherine Barlow, 1747–1782) ungemein rührend das Klavier spielt und eine sehr angenehme Person ist. Sie zitterte, da sie vor dem Wolfg. spielen sollte». Die Beschreibung der Kleider ermöglichte es, die Mozarts auf einem Gemälde zu identifizieren, das sie in Neapel beim Musizieren im Hause von Lord Fortrose zeigt.
Liebe zu Neapel
Leopold lernte das Leben in Neapel lieben, sah allerdings auch die Schattenseiten: «Die Untätigen, die Menge der Bettler, das abscheuliche Volk, ja das gottlose Volk, die schlechte Erziehung der Kinder, die unglaubliche Ausgelassenheit sogar in den Kirchen macht», schrieb er am 9. Juni und kündigte die Abreise für den 20. an. Auch Wolfgang war zufrieden: «Ich bin auch noch lebendig, und bin beständig lustig wie allzeit, und reise gern: Nun bin ich auf dem <Mediterranischen> Meere auch gefahren. Ich küsse der Mama die Hand, und die Nannerl küsse ich zu 1000 mal! ».
Pompeji
Aber kehren wir jetzt nach Pompeji zurück. Nach Pompeji waren die Mozarts mit der Kutsche über die Via Regia delle Calabrie (die heutige Nationalstraße Neapel-Portici-Pompeji) gelangt. Das Teatro Grande bildete damals noch den Eingang zur archäologischen Zone.
Eine Vorstellung von diesem Besuch 1770 gibt der knapp sechs Jahre später erschienene erste Pompeji-Führer des Franzosen François Latapie. Er enthält einen Plan mit den damals freigelegten Bauten, an herausragender Stelle den Isis-Tempel, der fünf Jahre vor der Ankunft der Mozarts ausgegraben worden war. Der Besucher durchschritt zunächst den großen, von Kolonnaden umgebenen Hof hinter dem Theater, das in den letzten Jahren der Stadt als «Gladiatorenkaserne» genutzt worden war. Dort erfuhren Vater und Sohn vom Fund der Helme und Rüstungen, die sie zuvor im Schloss von Portici gesehen hatten. Mit welchem Stolz mögen die Führer ihnen erzählt haben, dass 3 Jahre zuvor das Skelett einer Frau mit wertvollem Schmuck gefunden worden war, einer Geliebten beim heimlichen Besuch ihres Heroen der Arena! Vom Theater, von dem nur die obersten Stufen ausgegraben waren, haben die Mozarts den Blick über das Meer genossen um dann zum griechischen Tempel weiter zu gehen.
Der Isistempel
Betreten wir also den Isistempel, den Mozart sah, als die Bemalung noch teilweise erhalten war und er war sicherlich beeindruckt von den fantasievollen Erzählungen der Wächter.
Der schon im 2.Jh.v.Chr. errichtete Tempel war eines der ersten Gebäude in Pompeji, das nach dem Erdbeben von 62 n. Chr. restauriert worden war. In der Tat bezeugt eine Inschrift auf dem Eingangsportal, dass die Restaurierung von Numerius Popidius Celsinus finanziert worden war, einem 6-jährigen Knaben, der für diesen Verdienst in das Kollegium der Dekurionen von Pompei, d. h. den Gemeinderat der Stadt, aufgenommen worden ist. Offensichtlich konnte der Vater, ein Freigelassener, aufgrund seiner Herkunft als Sklave nicht Mitglied dieses politischen Kollegiums werden, hat aber auf diese Weise die politische Karriere seines Sohnes begründet. Sie repräsentieren die Klasse der Parvenus, entstanden durch die soziale Umstrukturierung nach dem Erdbeben von 62 n. Chr. Der Tempel besteht aus einer Cella (E), einem vorgelagerten Pronaos (D) mit 4 Säulen und erhebt sich auf einem hohen Podium mit einer Treppe an der Frontseite. Der typologisch italische Tempel vermittelt jedoch einen exotischen Eindruck dank zweier großer, nebeneinanderliegender Nischen, die mit Stuckreliefs verziert waren und die Statuen von Harpokrates und Anubis beherbergt haben dürften, den Gottheiten, die sich mit Isis den Kult teilten. Das Kultbild der Hauptgottheit Isis war im Innern der Cella aufgestellt, es handelte sich um eine Akrolithstatue, deren Hände, Füße und Kopf aus Marmor waren, während der Körper aus reich verziertem Holz bestand. Vor und seitlich des Podiums befanden sich die Opferaltäre (K), deren Ecken mit den charakteristischen ptolemäischen Hörnern verziert waren. In einer Zisterne an der Seite des Hauptaltares (F) befand sich das heilige Wasser des Nils. Der Eingang war als Tempelchen (Sacrarium) gebildet und mit wertvollen Stuckfiguren geschmückt. Das Areal des Tempels (C) war von einem Portikus gesäumt, deren Wände mit raffinierten Dekorationen des 4. Stils verziert waren; große rotgrundige Paneele mit Quadraten, die Seeschlachten (Naumachien), Landschaften und Stillleben zeigten, alternierend mit architektonischen Perspektiven. Ein großer Raum (H) hinter dem Tempel diente als Versammlungsraum für die Eingeweihten (Ekklesiasterion). Im Heiligtum versammelten sich die in die ägyptischen Mysterien Eingeweihten um den Kult der Göttin Isis auszuüben, der den Gläubigen ewiges Leben nach dem Tod versprach. Die im Tempel gefundenen Gemälde, Skulpturen und Kultobjekte sind gegenwärtig im Nationalmuseum in Neapel ausgestellt. Hervorzuheben sind die ägyptischen Landschaften, die Musikinstrumente, darunter das Sistrum, das noch heute in der Koptischen Kirche verwendet wird, die hohen Silberbecher zum Trinken von Malzbier sowie eine kleine Marmorstatue der Göttin. Hier ist auch das Bild mit der Ankunft der Io in Canopus aus dem Ecclesiasterion ausgestellt. Die nackte Io wurde von einer Flußgottheit auf die Felsen von Canopus gesetzt, wo sie Isis, die eine Kobra in der Hand hält und die Füße auf ein Krokodil gesetzt hat, liebevoll in Empfang nahm. Der Hörneraltar und die Isispriester bezeugen das Areal als Heiligtum. Die junge Nymphe war von Hera verfolgt worden, weil Zeus sich in sie verliebt hatte. Sie wurde heil nach Ägypten gebracht, wo sie Epaphos gebar, Stammvater des königlichen Geschlechts von Ägypten und von Argos mittels der Brüder Ägyptus und Danaos. Der Mythos entstand wahrscheinlich im 3. Jh. v. Chr. am Hofe der Ptolemäer, also im alexandrinischen Umfeld, um durch eine fingierte gemeinsame antike Herkunft ihre Vorherrschaft über die beiden Völker zu legitimieren, die mittlerweile Ägypten bewohnten, nämlich die Ägypter und die Makedonier.
21 Jahre später, 1791, sollte Mozart Die Zauberflöte komponieren. Ganz gleich, ob in Berlin oder Paris, an der Scala oder im San Carlo in Neapel – die traditionelle Szenerie der Oper gleicht stereotyp der Darstellung auf einem Gemälde aus Herculaneum, das Mozart im Schloss von Portici gesehen hat. Der mit einer Tunika bekleidete Oberpriester der Isis steht oberhalb einer Treppe vor einem Tempel, links und rechts von ihm Sphingen und zeigt der Kultgemeinde das goldene Gefäß mit den heiligen Wassern des Nils. Unten führen weitere Priester u. a. eine Opferhandlung durch. Das Ganze vollzieht sich in einem mit Palmen und Ibissen geschmückten Ambiente.
Wie viel von dem, was Mozart in Portici und Pompeji, eingebettet in die Erzählungen der Führer, gesehen hat, beflügelte nachhaltig seine Phantasie? Spiegeln sich im märchenhaften Charakter der Zauberflöte, in dieser kindlichen Freude und dem Vertrauen in die Menschheit, die Eindrücke vom Golf von Neapel wieder.
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